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Hintergrund - 13.03.2020 - 00:00 

Geschichtsstunde: Charles Lattmann – erster Doktor der Wirtschaftswissenschaften

Charles Lattmann promovierte als Erster an der HSG. Später wurde er mit seiner Forschung zu einem Pionier des Personalwesens und der Betriebsanthropologie.

Charles Lattmann wurde am 7. April 1913 als Auslandschweizer in New York geboren. Seine Mutter war Französin, sein Vater Schweizer. Er wuchs in Cleveland und Genf auf. Die Mittelschulzeit verbrachte er in Winterthur. Seine Verwurzelung in verschiedenen Kultur- und Sprachgebieten zeigte sich auch in seinen späteren Studienorten St.Gallen, Genf (Wirtschaftswissenschaften), Rom und Zürich (Psychologie, Soziologie, Philosophie).

Erste Promotion an der Handels-Hochschule (1941)

Um sich in kriegsbedingt wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Promotionsstudium zu finanzieren, war Charles Lattmann neben dem Aktivdienst zunächst im Lehramt tätig. 1941 wurde er mit der Dissertation «Wesen der Betriebswirtschaftslehre nach dem deutschen, italienischen und französischen Schrifttum» erster Doktor der Wirtschaftswissenschaften der Handels-Hochschule St.Gallen. In den Nachkriegsjahren übernahm er nach langjähriger Lehrtätigkeit das Direktorium des «Institut auf dem Rosenberg» in St.Gallen.

Anfang der sechziger Jahre gelang Charles Lattmann die Einführung der Internen Kurse für höhere Führungskräfte bei der Swissair, «dem dynamischsten Unternehmen in der Schweiz». 1967 habilitierte er sich an der ETH Zürich und wurde von 1968 bis 1970 von der HSG als ausserordentlicher Professor mit einem Lehrauftrag betraut. Im Zentrum standen Probleme der langfristigen Personalplanung sowie Fragen der Motivationsforschung.

Erster schweizerischer Ordinarius für Personalwesen (1970)

1970 wurde Charles Lattmann ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Personalwesens der HSG. Das Personalwesen wurde als Vertiefungsgebiet eingeführt. Damit hatte er fortan über die Personalfunktion in der Unternehmung und über die Führung von Mitarbeitenden zu dozieren, aber auch über Arbeitslehre, d. h. über psychologische und physiologische Grundlagen der Arbeit und Arbeitsgestaltung.

Neben seiner Lehrtätigkeit am «Institut für Betriebswirtschaft (IfB-HSG)» widmete er sich auch der Praxis und Forschung. Bereits 1972 publizierte er zu selbstgesteuerten Arbeitsgruppen. Seine Bücher, u. a. «Die Leistungsbeurteilung als Führungsmittel» (1975) und «Führung durch Zielsetzung» (1977), hatten wegleitende Bedeutung für Forschung und Praxis.

Fünfzehnjährige Lehrtätigkeit an der HSG

Lattmanns Spezialgebiet war die Organisationspsychologie. Er entwickelte eine aus dem Humanismus gespeiste Betriebsanthropologie, und dies lange bevor die Wirtschafts- und Unternehmensethik Einzug in den akademischen Betrieb hielt. Einen speziellen Fokus richtete er auf Fragen der Humanisierung der Arbeit im Kontext veränderter, vor allem technologischer Bedingungen. Die Bilanz seiner fünfzehnjährigen Lehrtätigkeit an der HSG schlug sich in seinem Buch «Die verhaltenswissenschaftlichen Grundlagen der Führung des Mitarbeiters» (1982) nieder.

Zu seiner Emeritierung (1983) erschien eine vom damaligen Rektor Prof. Hans Siegwart und von Dr. Gilbert Probst herausgegebene Festschrift «Mitarbeiterführung und gesellschaftlicher Wandel». Darin wurden zahlreiche Themen, die Prof. Charles Lattmann in den letzten Jahren beschäftigt hatten, im Licht seiner kritischen Gesellschaftsthesen behandelt.

Ein unermüdlicher Forscher

Nach seinem Ausscheiden aus dem Lehrkörper der HSG widmete sich Charles Lattmann wieder vermehrt seiner Vortrags- und Beratungstätigkeit, insbesondere aber seinen Forschungs- und Publikationsvorhaben. In seiner zweiten Heimat, seinem Domizil auf der Insel Elba, fand er Zeit und Musse zum Schreiben. Hierin spiegelten sich seine multikulturellen Erfahrungen, die vielseitige Belesenheit und das besondere Sprachtalent (er beherrschte acht Sprachen in Wort und Schrift) wider. Unter diesen finden sich Titel wie «Die Unternehmungskultur, ihre Grundlage und ihre Bedeutung für die Führung der Unternehmung» (1990) und «Die Personalfunktion der Unternehmung im Spannungsfeld von Humanität und wirtschaftlicher Rationalität» (1995).

Prof. Charles Lattmann starb am 23. August 1995 auf der Insel Elba (Italien).

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