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Meinungen - 14.11.2011 - 00:00 

Das Rennen um das Elysée

Das Loch in der Staatskasse Frankreichs beeinflusst den Stil der 2012 bevorstehenden Präsidentschaftswahlen massgeblich. Ein Kommentar von Politikprofessor Christoph Frei, übertragen aus dem Englischen.

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11. November 2011. Nur ein paar Tage nach der von Präsident Nicolas Sarkozy ausgesprochenen Warnung, dass die weiterreichenden europäischen Zusammenhänge eine «neue Realität» geschaffen hätten, kündigte sein Premierminister eine weitere Reihe von Sparmassnahmen an, um die höchste Bonitätseinstufung des Landes zu schützen. So wurde der ursprüngliche Budgetplan schon abgeändert, bevor er auch nur dem Parlament vorgelegt wurde.

Dieser Plan enthält unter anderem einen unübersehbaren Gehaltsstopp für sämtliche Regierungsmitglieder sowie für den Präsidenten; und zwar so lange, bis Frankreich ein ausgeglichenes Budget vorweisen kann. Ein ausgeglichenes Budget? «Vaste programme», hätte Charles de Gaulle gesagt. Seit 1974 kommt keine französische Regierung mehr mit ihren Einkünften aus.

Obwohl Sarkozy seine Kandidatur noch nicht angekündigt hat, ist die Ausgangslage klar. Vor dem Hintergrund einer fortdauernden «Wirtschaftskrise» und der wachsenden Angst vor Sozialabbau sind altbekannte Elemente einer weiteren Frontalkollision zwischen der Linken und der Rechten auszumachen. Neben einigen Hoffnungsträgern mit geringen Aussichten – die indes in der ersten Abstimmungsrunde im April ausschlaggebende Stimmen einheimsen dürften – haben zwei gewichtige Kandidaten eine recht gute Chance, den Amtsinhaber zu gefährden.

François Hollande als «Monsieur Normal»
Auf der linken Seite des politischen Spektrums wurde François Hollande mit einem Vorsprung nominiert, der gross genug ist, um ihn auch über seine Sozialistische Partei hinaus zu legitimieren. Fast drei Millionen Stimmberechtigte nahmen an der Stichwahl teil. Die zweistufigen Primärwahlen – ein Novum in Frankreich – verhalfen der Sozialistischen Partei nicht nur zu Medienpräsenz, sondern liessen sie auch ungewöhnlich frisch und modern erscheinen.

Hollande kultiviert seit einiger Zeit das Image eines «Monsieur Normal». Er vermittelt das Bild des netten Kerls, der den Klagen seiner Mitbürger Gehör schenkt und am Jahrmarkt entspannt Kühe tätschelt. Sein Bestehen auf einer «normalen» Präsidentschaft ist ein gewollter Kontrast zum hyperaktiven Präsidenten und seinem bekanntermassen verschwenderischen Geschmack.

Ob sich dieses „Normalsein“ indes als Trumpf herausstellen wird, wird sich weisen. Hollande hat nie ein Exekutivamt auf nationaler Ebene bekleidet, und als die Parti Socialiste zum letzten Mal eine Präsidentschaftswahl für sich entschied, wurden die Vereinigten Staaten von Ronald Reagan regiert, während Maggie Thatcher im Hause 10 Downing Street residierte.

Rechts aussen bleibt der Wahlzirkus im Familienzelt. Im Januar 2011 trat Marine Le Pen die Nachfolge ihres Vaters Jean-Marie an der Spitze der Front National an. Im Mai wurde ihre Präsidentschaftskandidatur vom Exekutivkomitee der Partei abgesegnet – einstimmig, wie es sich gehört.

Die Front National bezieht einen grossen Teil ihres politischen Gewichts nach wie aus der Verdrossenheit des Volkes über die Politik und Kultur der technokratischen Elite des Landes. Darüber hinaus nährt sich die Partei von den unter französischen Arbeitnehmern grassierenden Ängsten, durch einen beständigen Zustrom von Immigranten zur Seite geschoben oder durch billige Arbeitskräfte aus den östlichen Staaten der Europäischen Union, Indien und China ersetzt zu werden.

Was ist zu erwarten?

Trotz eines erfolgreichen Kriegs in Libyen bleiben Sarkozys Umfragewerte die schlechtesten sämtlicher Präsidenten der Fünften Republik vor einer Wiederwahlkandidatur. Dabei bleibt das «Krisenmanagement» mit Bestimmtheit weiterhin seine Lieblingsbeschäftigung und letzte, beste Hoffnung.

Wer in diesem Mann indes bewusst oder unbewusst Erfahrung und Beharrlichkeit wahrnimmt, erachtet ihn letztendlich wohl als glaubwürdigste Führungspersönlichkeit unter den dreien. Marine Le Pen und François Hollande ihrerseits werden ihr Bestes daran setzen, präsidial zu erscheinen, ein Mindestmass an Kompetenz und – nicht minder wichtig – staatsmännisches Format zur Schau zu stellen. In den noch sechs Monaten bis zu den Wahlen bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit dazu, ihren politischen Leistungsausweis aufzubessern. Wenn man sich allerdings die düstere Stimmung unter der Wählerschaft vergegenwärtigt, könnte ein bescheidener Leistungsausweis diesmal sogar ein Erfolgsfaktor sein.

Foto: Photocase / Blaubart

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