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Meinungen - 16.03.2018 - 00:00 

«Alternative Währungen sind grundsätzlich etwas Positives»

Noch sind Bitcoin & Co keine Alternativen zu staatlichen Währungen. Im Interview erklärt Manuel Ammann, HSG-Professor für Finanzen, warum die Entstehung von Kryptowährungen trotzdem positiv ist.

Herr Ammann, Bitcoin ist derzeit wohl die bekannteste Kryptowährung neben Ethereum, Ripple oder Litecoin. Sind Kryptowährungen überhaupt «richtige» Währungen?

Bitcoin ist keine volkswirtschaftlich sinnvolle Währung, dafür fehlen wichtige Grundvoraussetzungen. Damit eine Währung als Zahlungsmittel eingesetzt werden kann, muss die Kaufkraft einigermassen stabil gehalten werden. Ausserdem muss es eine gewisse Flexibilität in Bezug auf das Geldangebot geben, die Geldmenge muss mit dem Geldbedarf der Wirtschaft mitwachsen können. Beides ist bei Bitcoin nicht der Fall. Zudem sind Transaktionen in Bitcoin sehr teuer und ökologisch äusserst fragwürdig, wenn man bedenkt, dass ganze Serverfarmen betrieben werden müssen, um Transaktionen zu validieren und neue Bitcoins zu «schürfen».

Taugt Bitcoin denn als Kapitalanlage?

Im Moment ist Bitcoin ein reines Spekulationsobjekt und die Blase, die entstanden ist, wird sicher bald platzen. Da wird es zu grossen Enttäuschungen kommen. Bis Kryptowährungen Anlagequalität haben wird es noch eine Weile dauern.

Von dem jüngsten Einbruch abgesehen hat Bitcoin immerhin rasant an Wert zugelegt.

Dass sich Bitcoin nicht beliebig inflationieren lässt, sondern die Menge auf 21 Millionen begrenzt wurde, hat natürlich zur Wertsteigerung beigetragen. Auch der Umstand, dass der Kryptomechanismus bislang noch nicht «geknackt» werden konnte, hat die Glaubwürdigkeit erhöht. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Bitcoin letztlich nichts «wert» ist. Hinter dem Schweizer Franken stehen zum Beispiel immerhin Assets wie Gold oder Devisen, die dem Wert der Banknote Glaubwürdigkeit verleihen. Hinter Bitcoin steht gar nichts. Wobei natürlich auch der «Wert» klassischer Anlagen hinterfragt werden kann. Auch Gold, um eine der ältesten Anlagen als Beispiel zu nehmen, generiert seinen Handelswert letztlich nur aus dem Glauben der Anleger an seine Werthaltigkeit.

Können Sie der Entwicklung von Kryptowährungen trotzdem etwas Positives abgewinnen?

Alternative Währungen sind grundsätzlich etwas Positives, denn sie geben den Marktteilnehmern neue Möglichkeiten. Wenn privatwirtschaftliche Währungen parallel zu staatlichen Währungen existieren können, könnte sich der Wettbewerb disziplinierend auf die staatlichen Währungen auswirken. Diese haben sich in der Geschichte ja häufig dadurch ausgezeichnet, dass sie durch Inflation entwertet wurden. Aus ökonomischer Sicht wäre es deshalb wünschenswert, dass sich ernstzunehmende privatwirtschaftliche Kryptowährungen entwickeln könnten, ohne gleich wegreguliert zu werden, sobald sie eine gewisse Bedeutung erlangen. Gegenwärtig besteht keine Gefahr für die grossen Staatswährungen, dass sie durch private Kryptowährungen verdrängt werden. Solange die Notenbanken die Geldwertstabilität einigermassen sicherstellen können, entsteht in der Bevölkerung kein starkes Bedürfnis nach Alternativen.

Gibt es andere Beispiele dafür, wie sich neue Technologien auf die Finanzmärkte auswirken?

Automatisierung und Digitalisierung halten schon lange Einzug in die Finanzmärkte. Marktteilnehmer versprechen sich durch den Einsatz neuer Technologie Wettbewerbsvorteile. Da findet ein richtiges Wettrüsten statt. Wer über die beste Technologie verfügt, hat unter Umständen einen Vorsprung, der sich auch monetär auswirken kann. Es ist spannend zu beobachten, wie sich die Unternehmen positionieren. Im Moment ist noch offen, wer als Sieger aus dem technologischen Rennen hervorgehen wird: Sind das eher die klassischen Banken und Versicherungsunternehmen, welche die neuen Technologien adoptieren und so ihre Marktstellung verteidigen oder sind es die Technologieunternehmen, welche zunehmend im Finanzdienstleistungsbereich aktiv werden? Wenn es nicht zu einer Monopolisierung im Sektor kommt, steht ein Sieger schon fest: Der Konsument. Er kommt in den Genuss von immer besseren und kostengünstigeren Finanzdienstleistungen.

Gerade beim Hochfrequenzhandel, aber auch bei Bitcoin, werden Entscheidungen zunehmend auf der Grundlage von Algorithmen getroffen. Ist es nicht beunruhigend, dass nicht mehr Menschen, sondern Maschinen die handelnden «Akteure» sind?

Die Bedeutung von Algorithmen nimmt beständig zu, dieser Trend hat nicht erst mit Bitcoin begonnen. Die Datenflut wird immer grösser und wir brauchen Technologien, um diese Daten überhaupt verarbeiten zu können. Problematisch sind jedoch weniger die Modelle als der Umgang mit ihnen. Je komplexer sie werden, desto schwieriger wird es, den Dingen auf den Grund zu gehen. Man verliert die Annahmen aus den Augen, auf denen ein Modell aufbaut. Wir müssen immer wieder kritische Fragen stellen, die Hintergründe verstehen und Modelle nicht einfach nur anwenden. Nur dann kann man ungünstige Auswirkungen frühzeitig erkennen und korrigieren.


Manuel Ammann ist ordentlicher Professor für Finanzen an der Universität St.Gallen, Dean der School of Finance und Direktor des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen (SBF-HSG).

Bild: Fotolia / Wit

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