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Meinungen - 15.09.2017 - 00:00 

Bundestagswahl 2017: Das Verhältnis Schweiz - Deutschland

Welchen Einfluss hat das Wahlergebnis auf die deutsch-schweizerischen Beziehungen? Was sind die dringlichsten Themen aus Schweizer Sicht? Und welche Herausforderungen bestimmen die kommenden Jahre? Von Casper Selg.

15. September 2017. Schwarz-Gelb-Grün? Schwarz-Gelb? Rot-Rot-Grün? Alles einerlei? Wenn es um das Verhältnis Deutschlands zur Schweiz geht ist das deutsche Wahlergebnis in der Tat fast einerlei. Aber nicht ganz.

Wo es um die grundsätzlichen Differenzen zwischen den beiden Ländern geht, nämlich um Fragen des Zusammenlebens, der Zusammenarbeit unter Nachbarn in Europa, macht es keinen Unterschied, welche Farbkombination in Berlin regiert. Da liegt der grosse Unterschied nur zwischen Berlin und Bern.

Deutschland – das felsenfest überzeugte Mitglied der EU

Deutschland – ob Rot oder Schwarz regiert – ist ein felsenfest überzeugtes Mitglied der EU. Ob nun überraschenderweise doch noch Martin Schulz, der frühere EU-Parlamentspräsident (!) Kanzler wird, oder ob es Angela Merkel bleibt, wie wir das alle erwarten, beide sehen sie keine Alternative zu einem vereinten Europa: Die EU als erfolgreiches Friedensprojekt, die EU als wirtschaftliches Erfolgsmodell, die EU als starke Stimme für westlich-demokratische Werte in einer immer autokratischer regierten Welt. Beide werden entsprechend nicht gross mit sich verhandeln lassen, wenn es um die tragenden Säulen dieser EU geht. Und eine dieser zentralen Säulen ist – für beide – die Personenfreizügigkeit.

Wer in der Schweiz glaubt, man müsse als wichtiger Handelspartner Deutschlands nur hart genug auftreten, um in dieser Frage mit deutscher Hilfe eine Sonderregelung für die Schweiz herauszuholen, der unterschätzt, wie zentral der offene Markt und die offenen Grenzen für Deutschland sind. Ob in Berlin nun Schwarz, Rot oder Gold regiert.

Programmatische Unterschiede der Regierungsparteien

Das heisst aber nicht, dass es nicht doch gewisse Unterschiede gäbe, je nachdem wer in Berlin das Sagen hat. Die CDU und die SPD mit den Grünen haben in der Vergangenheit bei verschiedenen Dossiers, welche die Schweiz betrafen, etwas unterschiedlich operiert.

Während etwa die CDU, Finanzminister Schäuble und Kanzlerin Merkel, dem Schweizer Bankgeheimnis eher kritisch-verständnisvoll zu Leibe rücken wollten, traten Vertreter der SPD bekanntlich kriegerischer auf. Es waren neben amerikanischen Richtern vor allem deutsche Sozialdemokraten welche die grossen Löcher in die dicken Wände des Schweizer Bankgeheimnisses schossen. Hier schlugen programmatische Unterschiede zwischen den beiden führenden deutschen Parteien direkt auf die Aussenpolitik, auf das Vorgehen gegenüber der Schweiz durch.

Differenzen bei einzelnen Themen

Es gab und gibt auch Differenzen anderer Art. Etwa wenn es um Verkehrspolitik, um das endlose Thema «Lärm beim Flughafen Zürich» geht. Der CSU-Verkehrsminister Ramsauer war schon mal bereit, sich gegen die eigenen Bürgerinitiativen in Südbaden zu stellen, im Interesse eines guten Einvernehmens mit der Schweiz und in Abstimmung mit deren Verkehrspolitik. Die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg hingegen unterstützte sofort und empört die Forderungen der Protestierenden.

Ähnliches könnte sich wiederholen, wenn es beispielsweise um ein Schweizer Atomendlager in Grenznähe gehen sollte.

Generell müsste man bei einer – sehr hypothetischen – SPD-geführten Regierung in einzelnen Bereichen mit einer etwas härteren Linie rechnen. Nach den aus ihrer Sicht äusserst mühsamen Erfahrungen mit der Schweiz beim Thema Steuerhinterziehung ist das Verständnis bei Roten und Grünen in Berlin für helvetische Sonderwünsche etwas geringer als bei CDU und CSU. Das könnte sich etwa auswirken, wenn es um die Unterstützung der Schweiz beim Thema europäischer Strommarkt oder beim Thema Finanzdienstleistungen geht.

Wohlwollen gegenüber der Schweiz

Aber abgesehen davon, dass Rot-Grün kaum ein Thema sein wird: die Differenzen sind letztlich gering. Grundsätzlich geniesst die Schweiz in weiten Kreisen Deutschlands grosses Wohlwollen, nach wie vor. Dieses kleine, schöne Nachbarland mit den super-hohen Löhnen, den super-pünktlichen Zügen, den super-vielen Kulturen. (Aber auch den super-hohen Preisen...) Man wird weiterhin den Konsens mit ihm suchen. Solange es nicht um ganz Grundsätzliches geht. Siehe Bankgeheimnis, siehe Europa.

Casper Selg moderierte mit Unterbrüchen über eine Zeitspanne von 30 Jahren die tägliche Politiksendung des Schweizer Radios, «Echo der Zeit». Insgesamt zwölf Jahre leitete er die Redaktion. Darüber hinaus war er als USA- und Deutschland-Korrespondent tätig.

Bild: weyo / Fotalia

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