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Meinungen - 24.10.2011 - 00:00 

Einstehen für die Menschenrechte

Global agierende Unternehmen sind längst nicht mehr nur ökonomische, sondern auch politische Akteure. Wirtschaftsethik-Professor Florian Wettstein über Unternehmensverantwortung und Menschenrechte.

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24. Oktober 2011. Mit Erstaunen vernahm die Welt Anfang 2010 von Googles öffentlichen Druckversuchen auf die chinesische Regierung und der Drohung, sich aufgrund der anhaltend repressiven Zensurpolitik aus China zurückziehen zu wollen. Selten zuvor liess ein Unternehmen seine Muskeln derart resolut für ideelle Werte spielen. Dass Googles Vorstoss in der Öffentlichkeit nicht nur Anerkennung erntete, kommt dennoch nicht von ungefähr. Schliesslich haben sich Unternehmen in der Vergangenheit selten als Hüterinnen der Menschenrechte hervorgetan. Lieber beriefen sie sich darauf, dass der Schutz der Menschenrechte formal nicht ihnen, sondern ausschliesslich den Staaten als Pflicht auferliegt.

«Business as usual» wird häufig zum Problem

Zwar nehmen offenkundige, direkte Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen tendenziell durchaus ab. Allerdings machen diese ohnehin nur einen Bruchteil aller Menschenrechtsverletzungen mit Unternehmensbeteiligung aus. Viel häufiger sind Fälle mit indirekter Involvierung von Unternehmen. Sie treten dabei also nicht als eigentliche «Haupttäter»  auf, sondern leisten in verschiedenen Formen Beihilfe zu den Menschenrechtsverletzungen durch andere Instanzen, typischerweise durch Gastgeberländer. Oft muss in solchen Fällen nicht einmal eine böswillige Absicht unterstellt werden, denn vielfach liegt das Kernproblem gerade im eigentlichen «business as usual». So musste sich beispielsweise ABB den Vorwurf gefallen lassen, mit Infrastrukturprojekten die Eskapaden von skrupellosen Regimes zu unterstützen.

Die Schweizer Grossbanken wurden mit dem Vorwurf konfrontiert, Unternehmungen zu finanzieren, die Menschenrechte mit Füssen treten. Und vom Nokia Siemens Konsortium gelieferte und unterhaltene Überwachungssoftware ermöglichte es u.a. der iranischen und bahrainischen Regierung mit äusserster Brutalität gegen Regimekritiker vorzugehen. Gesetze verletzen Unternehmen mit solchen Geschäften im Normalfall keine. Oftmals liegt das Problem gerade darin, dass sie pflichtbewusst die Gesetze einhalten. So zum Beispiel Internetfirmen, die im Einklang mit den geltenden chinesischen Regeln Selbstzensur betreiben oder vertrauliche Userinformationen von Aktivisten und Dissidenten an die Behörden weiterreichen.

Politische Dimension der unternehmerischen Tätigkeit

Gemeinsam ist diesen Beispielen, dass sie die politische Dimension und Relevanz unternehmerischer Tätigkeit aufzeigen. Ob sie es wollen oder nicht, global agierende Unternehmen sind längst nicht mehr nur ökonomische, sondern auch politische Akteure. Die Forderung nach der Übernahme politischer Verantwortung auch und gerade für den Schutz der Menschenrechte ist damit impliziert. Zu diesem Schluss kam auch der UNO-Sonderbeauftragte für Menschenrechte und Unternehmen, John Ruggie. Seine im Juni erlassenen «Guiding Principles on Business and Human Rights» sind für Unternehmen zwar nicht verbindlich, setzen aber einen weitbeachteten Benchmark. Vor allem aber machen sie eines klar: Die vorbehaltlose Berücksichtigung der Menschenrechte muss für Unternehmen per se so selbstverständlich werden wie die ökonomische Erkenntnis, dass am Ende des Tages die Einnahmen höher sein sollten als die Ausgaben.

Gefragt sind also Unternehmen, die ihre Rolle im globalpolitischen Zusammenhang verstehen und zu reflektieren vermögen. Googles Auflehnung gegen Chinas Zensurpolitik könnte in dieser Hinsicht also durchaus den Weg weisen. Neuland beschritt Google damit aber nicht: dem Aufruf des amerikanischen Priesters Leon Sullivan Folge leistend, stellten sich in den 80er Jahren internationale Unternehmen gegen das südafrikanische Apartheid-Regime und trugen damit zu dessen Diskreditierung, Isolierung und letztlich zu dessen Fall bei. Wer vorgibt, Menschenrechte ernst zu nehmen, muss in einer globalen Wirtschaft Position beziehen. Dass Unternehmen bei ihrer Standortwahl kaum je zögern, auch politische Forderungen zu stellen, zeigt sich immer wieder - leider aber oft nur dann, wenn es um die Aushandlung ökonomischer Anreize geht.

Bild: Photocase / Yunioshi

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