Forschung - 07.12.2021 - 00:00
7. Dezember 2021. Mehrere Ausbildungsgenerationen stehen derzeit vor den grössten Weiterbildungs-Defiziten aller Zeiten: Die globale Wirtschaft beschleunigt schneller als je zuvor, neue Technologie nimmt Einzug im Alltag und «Remote Work» hat die Mehrheit der Jobs einem neuen weltweiten Wettbewerb ausgesetzt. Krisen wie die Covid-19-Pandemie treiben die digitale Transformation deutlich an.
Den Wandel im Bereich Bildung und Lernen bestätigen folgende Erkenntnisse:
Systemwechsel und Potenzialentfaltung
Das Projektteam von «Swiss Circular Economy of Skills and Competences» ist sich einig: Es braucht einen Systemwechsel, um den enormen Umschulungs- und Weiterbildungsbedarf von Einzelpersonen und Unternehmen zu decken. Das individuelle Potenzial jeder und jedes Einzelnen müsste freigesetzt werden, um so die führende Position der Schweiz im Bereich Innovation und Bildung zu sichern. Eine neue «Swiss Circular Economy for Skills» könnte die Kluft zwischen Individuen, Unternehmen und Bildungsanbietern schliessen, indem sie die Art und Weise, wie Menschen ihre Fähigkeiten, ihren Karriereweg und ihren lokalen Arbeitsmarkt verstehen, neu erfindet.
Menschen werden mit lokalen Stellenangeboten zusammengebracht, die zu ihrem Wunschberuf passen, oder mit Kursen, um sich für ihren Wunschberuf weiterzubilden. All dies wird durch digitales Coaching und neue Gemeinschaften unterstützt, die «lebenslanges Lernen» zu einer neuen Gewohnheit machen. Ein neuer, gemeinsam geschaffener Fonds wird allen Menschen Zugang zu Weiterbildungsmassnahmen verschaffen. Alles baut auf einer gemeinsamen Sprache der Kompetenzen auf und erfolgt in guter Zusammenarbeit mit dem Schweizer Berufsbildungssystem.
Projektstart im Februar 2022
Ein transdisziplinäres Team, zusammengesetzt aus starken pädagogischen Führungskräften, hochqualifizierten technischen ExpertInnen und erfahrenen MarktplatzarchitektInnen, wird im Februar 2022 mit der Projektarbeit beginnen. Die Arbeit soll sehr produkt- und designorientiert gestaltet sein und insgesamt vier Jahre dauern. Das Team wird den kompletten «Lernpfad» in der neuen Kreislaufwirtschaft von Fähigkeiten und Kompetenzen abbilden. Erste Anwendungen werden angesichts der Dringlichkeit beschleunigt live sein.
Kreislaufwirtschaft auf fünf Pfeilern
Die Kreislaufwirtschaft, die sog. «Circular Skill Economy», soll sich auf fünf Pfeiler stützen:
Grosses Netzwerk
Das Flagship-Konsortium ist als breit gefächertes Netzwerk zusammengesetzt. Es wird Anfang 2022 mit dem Aufbau der «Swiss Circular Economy of Skills and Competences» (SCESC) beginnen. Roman Rietsche des IWI-HSG schildert: «Das Netzwerk vereint exzellentes Fachwissen aus den Bereichen Marktarchitektur, Bildung, Motivationsdesign und Verhaltenswissenschaften und setzt künstliche Intelligenz sinnvoll ein, um eine hohe Wirkung zu erzielen. Die Schnittmenge aus Berufsausbildung, Bildung und Technologieexpertise verfolgt das Ziel, die zukünftige berufliche Kompetenzentwicklung zu fördern. Ausserdem – und das ist wahrscheinlich das Wichtigste – haben wir mit dem Startup «Evrlearn» einen starken Marktführer und eine solide Marktbasis, auf der die Innovation aufbauen kann.» Die Berufsverbände fungieren als wichtige Gatekeeper für die Umsetzung innerhalb des Konsortiums. Ein netzwerkbasiertes Governance-Modell, welches alle Beteiligten einbindet, rundet den umfassenden Ansatz ab.
Felix Schmid, Mitbegründer von Evrlearn, erzählt, wie die Mitglieder des divers zusammengesetzten Teams nach Zusage von Innosuisse in kürzester Zeit zueinander fanden und sich gemeinsam engagierten. Die Kombination von Bildungs- und Technologiebausteinen sowie eine brandneue Organisationsform zur Entwicklung der Innovation seien wahrscheinlich zwei der entscheidenden Elemente.
Zum Flagship-Konsortium zählen:
Forschungspartner:
Implementierungspartner:
Verbände:
Stimmen aus dem Team
Prof. Dr. Antje Barabasch und die EHB freuen sich sehr über die Möglichkeit, ihr Wissen über innovative Lernkulturen in der Berufsbildung auf die betriebliche Erwachsenenbildung auszuweiten und nützliche Instrumente und Lernkonzepte für eine bessere Entwicklung der individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln.
Claudia Beutter der ZHAW IAP sieht in einer Kreislaufwirtschaft nebst der individuellen Förderung des Zugangs zum Lernen auch einen Lerneffekt auf die Projekt-Beteiligten: Netzwerkfähigkeit und Kooperation als strategische Kompetenzen, die für eine qualitativ hochstehende und innovative Schweizer Wirtschaft aber auch für die Bildungslandschaft zentral seien.
Prof. Dr. Bernadette Dilger des Instituts für Wirtschaftspädagogik und Bildungsmanagement an der Universität St.Gallen sieht eine grosse Chance darin, dass individuelles Kompetenzentwicklungspotenzial freigesetzt wird. Die Plattform unterstützt das Zusammenfinden individueller Karrierewege mit veränderten Berufsprofilen. Dabei werde die individuelle Transformation mit der Entwicklung von Unternehmen sowie der Transformation des gesamten Berufsbildungssystems und des Arbeitsmarktes verknüpft. Für die Teilnahme an dieser Leitinitiative, die auf die Umgestaltung des Berufsbildungssystems in der Schweiz abzielt, ist ihr Team sehr dankbar.
Prof. Dr. Katrin Kraus der Universität Zürich ist der Meinung, dass für den Erfolg einer breit angelegten Initiative zur Höherqualifizierung in der Schweiz eine starke Verknüpfung zwischen innovativen Ansätzen und dem traditionellen Berufsbildungssystem entscheidend ist. SCESC suche auf vielversprechende Weise nach diesem Gleichgewicht.
Selbstverwirklichung und Individualisierung spielen in der heutigen Zeit eine immer wichtigere Rolle, findet Dominik Pfütze, Doktorand an der Universität St.Gallen. So werden Social-Media-Präsenz, Sportaktivitäten und Essensgewohnheiten an individuelle Vorlieben angepasst. Warum passen Menschen nicht auch ihre Ausbildung an eigene Präferenzen an? Dominik Pfütze erachtet das interdisziplinäre SCESC-Projekt als einen vorbildhaften Schritt in Richtung massgeschneiderte Ausbildung.
Kontakt für Rückfragen:
Dr. Roman Rietsche, Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG)
roman.rietsche(at)unisg.ch
Bild: Erstes persönliches Teamtreffen zur Feier der Flagship-Bewilligung durch Innosuisse. (Flagship supported by Innosuisse – Swiss Innovation Agency)
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