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Forschung - 25.06.2024 - 11:30 

Social health@work: Langzeitstudie identifiziert Erfolgsfaktoren für erfolgreiche moderne Arbeit

Wie muss moderne Arbeit gestaltet werden, damit sie für Arbeitnehmende und Unternehmen gleichermassen erfolgreich ist? Ein bewusstes Gestalten der Rahmenbedingungen sowie das Führungsverhalten sind Schlüsselfaktoren. So kommt etwa der inklusiven Führung in Zeiten zunehmender Home-Office-Arbeit eine entscheidende Rolle zu, wie eine soeben publizierte Langzeitstudie mit rund 8000 Befragten in Deutschland aufzeigt.

Ein Team des Center for Disability and Integration (CDI-HSG) der Universität St.Gallen hat die Langzeitstudie «social health@work» veröffentlicht, die im Auftrag der deutschen Krankenkasse BARMER erstellt wurde. Das Team hat untersucht, wie moderne Arbeit gestaltet werden muss, damit sie gesund, nachhaltig und erfolgreich ist. Zudem beschäftigten sich die Forschenden mit der Frage, welche Fähigkeiten für Beschäftigte und Führungskräfte in diesem Zusammenhang wichtig sind. «Der Begriff ‘social health@work’ beschreibt einen Zustand des sozialen Wohlbefindens im Arbeitskontext, bei dem Personen gesunde Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen entwickeln und nutzen», so HSG-Professor Stephan Böhm. Mit einer repräsentativen Langzeitstudie über acht Erhebungswellen seit 2020 haben sein Team und er die entsprechenden Erfolgsfaktoren untersucht. Dazu wurden rund 8000 repräsentativ ausgewählte Erwerbstätige regelmässig befragt. Dieses Studiendesign ermöglicht Analysen zu Entwicklungen und Wechselwirkungen über die Zeit sowie kausale Interpretationen. 

Mobile Arbeit – ein Stressfaktor

Hybrides Arbeiten hat sich, insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie, als Arbeitsmodell fest etabliert. Dies birgt Chancen wie auch Risiken, wie die Studie zeigt. So fühlen sich mobil Arbeitende produktiver, sie setzen sich aber dem Risiko von Überlastung aus, da es schwieriger wird, «abzuschalten». So sank der Anteil der Befragten, denen es laut Selbstdeklaration gut gelang, die Arbeit in ihrer Freizeit zu vergessen, seit 2022 von knapp 53% auf etwa 47%. Der Anteil Personen, die sich nach der Arbeit emotional erschöpft fühlen, stieg leicht an und betrifft nun fast ein Viertel der Erwerbstätigen. 

Home-Office lässt Grenzen verschwimmen und führt zu Erschöpfung. Die Studie hat einen Wirkmechanismus identifiziert, der negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Beschäftigten erklären kann: Der zunehmende Anteil mobiler Arbeit erhöht das Risiko von Grenzverletzungen zwischen Arbeit und Privatleben. Während die Arbeit im Betrieb örtlich und zeitlich klar definiert ist, gilt das im Home-Office deutlich weniger. Nehmen solche Grenzverletzungen zu, erhöht dies den empfundenen Druck für Beschäftigte, ständig erreichbar zu sein und schnell auf Arbeitsanforderungen zu reagieren. Nachgelagert erhöht dies die emotionale Erschöpfung, ein bedeutender Risikofaktor für Burnouts. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass mobile Arbeit immer negativ wirken muss. Wichtig ist vielmehr, wie Individuen, Führungskräfte, Teams und Organisationen damit umgehen.

Führungskräfte sind stark gefordert

Führungskräfte haben grossen Einfluss auf ein erfolgreiches Arbeitsumfeld. In einem hybriden Kontext gilt dies umso mehr. Denn die Auswirkungen mobiler Arbeit auf Gesundheit, Zusammenarbeit und Erfolg hängen massgeblich davon ab, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden. Es gibt Gestaltungsspielräume auf Individual-, Führungs- und Organisationsebene. So hilft etwa ein inklusiver Führungsstil, der die Vielfalt von Teammitgliedern anerkennt und gezielt zu nutzen sucht, sowie ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl fördert. Dies wirkt möglichen Gefühlen der Einsamkeit und Isolation im Home-Office entgegen. Inklusive Führung berücksichtigt unterschiedliche Perspektiven, beteiligt Teammitglieder an Entscheidungen und stellt Fairness und Unvoreingenommenheit sicher.

Inklusive Führung kann zudem dazu beitragen, Beschäftigte in ihrer Karriereentwicklung zu unterstützen, insbesondere angesichts nach wie vor bestehender signifikanter Unterschiede zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen. Aktuell geben 54,3% der Männer an, mit ihrem bisherigen Karriereerfolg zufrieden zu sein, während dies nur auf 49,9% der Frauen zutrifft. Diese Unterschiede vergrössern sich weiter, wenn man Personen mit Erziehungsverantwortung vergleicht: 52,2% der Mütter sind zufrieden, im Gegensatz zu 60,4% der Väter. Auch zwischen Beschäftigten mit und ohne Behinderung bestehen erhebliche Differenzen: 43,9% der Beschäftigten mit Behinderung sind zufrieden mit ihrem Karriereerfolg, im Vergleich zu 53,8% jener ohne Behinderung. Nehmen Beschäftigte ihre Führung als zunehmen inklusiv war, erhöht sich nachgelagert ihr wahrgenommener Karriereerfolg.

Darüber hinaus spielt auch die digitale Kompetenz der Führungskraft einer Rolle. Um das eigene Team sowohl im persönlichen als auch im virtuellen Kontakt effektiv zu führen, bedarf es digitaler Fähigkeiten. Dazu gehört die effektive Nutzung von Technologien für die virtuelle Kommunikation sowie die klare und unmissverständliche Information der Teammitglieder über aktuelle Themen auch im virtuellen Raum. Seit Beginn der Studie haben sich Führungskräfte in diesen Bereichen weiterentwickelt: Der Anteil der Beschäftigten, die ihren Führungskräften gute virtuelle Führungsfähigkeiten zuschreiben, stieg von 52,2% auf 61,8% an. Die Studie zeigt weiter, dass mobil arbeitende Beschäftigte, deren Vorgesetzte virtuelle Kommunikationsmöglichkeiten kompetent und effektiv einsetzen, ihre Produktivität um 10% und ihre Arbeitszufriedenheit gar um 48,3% höher einschätzen als jene, deren Führungskräfte keine entsprechenden Skills aufweisen.

Künstliche Intelligenz fördert die Produktivität

Schliesslich wurden im Rahmen der Studie auch die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) untersucht und erste Rückschlüsse auf ihre Auswirkungen auf soziale Gesundheit gezogen. So ist der Anteil der befragten Personen, welche KI nutzen, im Verlauf der Erhebungswellen stetig gestiegen. Die Längsschnittdaten zeigen zudem positive Effekte der KI-Nutzung auf die Produktivität: Wenn Beschäftigte mehr KI einsetzen, erhöhen sich ihr Arbeitsengagement, ihre subjektive Arbeitsleistung und ihre Fähigkeit, mit den psychologischen Anforderungen der Arbeit umzugehen. Diese Forschungsergebnisse verdeutlichen das Potenzial von KI für Produktivitäts- und Effizienzgewinne im Arbeitsumfeld. Zukünftig müssen die Auswirkungen der KI-Nutzung auf die Beschäftigten sowie deren Produktivität und Gesundheit aber noch weiter erforscht werden.

Die vom SZ Institut redaktionell aufbereitete Studie sowie ein Foliensatz mit den wichtigsten Erkenntnisse können auf der entsprechenden Webseite der BARMER Krankenkasse heruntergeladen werden.

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