Hintergrund - 03.05.2024 - 14:30
An der Konferenz präsentierte sie ihre Idee, wie die Vereinigten Staaten Nahrungsmittelknappheit und Klimawandelschäden mit Hilfe neu gestalteter Agrarsubventionen bekämpfen könnten. Was das junge Talent persönlich mit dem Thema verbindet, wie sie über die globale Zusammenarbeit in der Landwirtschaft denkt und wie sie ihre Zeit in St.Gallen erlebt, erzählt sie im Interview.
Funke, wann hast Du das erste Mal vom St. Gallen Symposium und der Global Essay Competition gehört? Was hat Dich motiviert, am Wettbewerb teilzunehmen?
Ich habe davon in einem E-Mail-Newsletter namens «Opportunity Desk» erfahren. Ich war wirklich fasziniert von dem Thema des Wettbewerbs, in dem es um die Auseinandersetzung mit Knappheit geht und darum, wie wir dem zunehmenden Druck begegnen, der so viele unserer wertvollen Ressourcen zu verknappen droht. Ich war fasziniert von den Ideen, welche Lösungen wir uns vorstellen können, die es uns als globale Gesellschaft ermöglichen, unsere Ressourcen zu erhalten und zu verwalten. Ausserdem dachte ich, dass diese Frage für viele der Probleme, mit denen wir heute konfrontiert sind, sehr relevant und zutreffend ist.
Die Jury des Global Essay Competition hat Deinen Aufsatz ausgewählt. Darin schreibst Du über die Umgestaltung von US-Agrarsubventionen zur Förderung der Ernährungssicherheit und der Klimaresilienz. Wie bist Du auf dieses Problem aufmerksam geworden und was interessiert Dich persönlich daran?
Ich kam zum ersten Mal mit den Themen Ernährungsunsicherheit und Hunger in den USA in Berührung, als ich während meines Studiums in Kalifornien ein Praktikum bei einer örtlichen Lebensmittelbank absolvierte. Dabei lernte ich die Ursachen von Hunger und Ernährungsunsicherheit in den USA besser verstehen und begann, mich für die Rolle der Politik bei der Gestaltung der Ernährungssicherheit zu interessieren. Obwohl die USA ein grosser Produzent von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind und es genug Lebensmittel gibt, um alle Menschen zu ernähren, sind einige Menschen immer noch mit einer unsicheren Ernährungslage konfrontiert, weil das Lebensmittelsystem so gestaltet ist, dass es wirtschaftliche Ungleichheiten widerspiegelt, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, denen es oft an erschwinglichen Lebensmitteln mangelt. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, landwirtschaftliche Technologie und Produktion zur Erzeugung von ausreichend Nahrungsmitteln für die Bevölkerung mit den richtigen politischen Massnahmen zu kombinieren, die darauf abzielen, Ungleichheiten zu verringern und den Zugang zu erschwinglichen Nahrungsmitteln zu verbessern.
Das Thema Ernährungssicherheit hat Dich also nicht mehr losgelassen?
Genau, nach Abschluss meines Studiums habe ich mich ein Jahr lang in einem speziellen Fellowship-Programm mit Fragen des Hungers in den USA befasst. Später als junge Berufstätige war ich für die U.S. Agency for International Development (USAID) tätig. Dort beschäftigte ich mich mit Fragen der globalen Ernährungssicherheit und lernte die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Landwirtschaft und Subventionen kennen. Wie trägt die Landwirtschaft zur Verschärfung des Klimawandels bei, was wiederum die Bedingungen für die Landwirtschaft verschlechtert und somit die Ernährungssicherheit gefährden kann? Ich vermute, es handelt sich um eine Spirale oder einen Teufelskreis, bei dem sowohl die Rückkopplungseffekte des Klimawandels als auch die derzeitigen Agrarsubventionen und landwirtschaftlichen Praktiken, die den Klimawandel verschärfen, eine Rolle spielen, und wie all dies dazu beiträgt, die Ernährungssicherheit in der Welt längerfristig zu gefährden.
Du schlägst drei Reformen für die US-Agrarsubventionen vor: Investitionen in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung, die Erhöhung des Anteils von Naturschutzmitteln an den Subventionen und die Unterstützung einer nachhaltigen, klimagerechten Landwirtschaft. Darüber hinaus forderst Du auch eine umfassendere Reform der Agrarsubventionen in der ganzen Welt. Was sind Deine Gedanken zur Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit bei der Reform der Agrarpolitik und wie stellst Du Dir die Zukunft dieser Zusammenarbeit vor?
Ich halte die internationale Zusammenarbeit für äusserst wichtig und entscheidend für die Reform der Agrarsubventionen weltweit, da ein Grossteil davon den globalen Lebensmittelhandel beeinflusst. Dies wiederum kann sich auf die Ernährungssicherheit auswirken. Vor allem in grossen Lebensmittelexportländern wie den USA können Agrarsubventionen zu einem unfairen Wettbewerb mit der lokalen Landwirtschaft und den Landwirten in anderen Ländern führen. Für Entwicklungsländer ist dies oft schädlich für ihren lokalen Agrarsektor. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen den Ländern zu finden, die ihre Landwirtschaft aufbauen und ihre Bevölkerung ernähren wollen, und gleichzeitig in der Lage sein sollten, Handel zu betreiben, um den Bedarf der Landwirtschaft zu decken, ohne anderen Branchen zu schaden.
Wie können wir sicherstellen, dass die Agrarsubventionen weltweit diese Art von Entwicklung und Ernährungssicherheit nicht beeinträchtigen, insbesondere in einigen der ärmsten Länder der Welt?
Ein Beispiel für einen Bereich der internationalen Zusammenarbeit ist die World Trade Organization (WTO), die den Handel zwischen Ländern regelt und unterstützt. Die WTO hat ein Übereinkommen über die Landwirtschaft geschlossen, das den Mitgliedsländern unter anderem vorschreibt, ihre Ausgaben für Subventionen, die den Handel und die weltweiten Lebensmittelpreise verzerren, zu senken. Ziel dieses Abkommens ist es, mehr Länder dazu zu bewegen, die Höhe dieser Subventionen, die als Amber-Box-Subventionen bezeichnet werden, zu reduzieren. Die laufenden Verhandlungen darüber, in welchem Umfang die Länder ihre Ausgaben für Amber-Box-Subventionen senken sollen, bieten eine Gelegenheit für mehr internationale Zusammenarbeit.
Wie möchtest Du das Problem der Agrarsubventionen und der Nahrungsmittelknappheit in den USA weiterverfolgen?
Ich hoffe, nach Abschluss meines Masterstudiums im Bereich der internationalen Entwicklung zu arbeiten und mich insbesondere auf die Förderung eines integrativen Wachstums in Entwicklungsländern zu konzentrieren. Ich habe ein besonderes Interesse an Afrika, da ich ursprünglich in Nigeria geboren wurde, aber in den USA aufgewachsen bin. In vielen afrikanischen Ländern ist die Landwirtschaft immer noch eine wichtige Quelle für den Lebensunterhalt, und die Berufstätigkeit ist an die Ernährungssicherheit gebunden. Ich hoffe, dass ich in meiner beruflichen Laufbahn an der Schnittstelle zwischen integrativer wirtschaftlicher Entwicklung und der Förderung der Ernährungssicherheit arbeiten kann.
Als Gewinnerin des globalen Aufsatzwettbewerbs erhältst Du auch einen Geldpreis. Planst Du, diesen in «Confronting Scarcity» zu investieren?
Ich hoffe, dass ich zwei Dinge tun kann. Erstens hoffe ich, einen Teil des Preisgeldes an eine Organisation namens «RESULTS Education Fund» zu spenden, bei der ich vor ein paar Jahren als junge Berufstätige ein Praktikum absolvieren konnte. Es handelt sich dabei um eine globale Organisation, die sich für politische Veränderungen in den USA und bei internationalen Institutionen wie der Weltbank einsetzt. Die Organisation unterstützt, dass diese Regierungen und Institutionen politische Massnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Verringerung der Ungleichheit und des Machtgefälles zwischen den Ländern entwickeln und ausarbeiten. Die Politik spielt eine grosse Rolle bei der Bewältigung von Problemen der globalen Ernährungssicherheit, und ich möchte Organisationen wie den «RESULTS Education Fund» bei ihrer Arbeit unterstützen, sich für politische Veränderungen zur Verringerung der Armut und zur Förderung der Ernährungssicherheit auf der ganzen Welt einzusetzen.
Zweitens hoffe ich, auch an eine humanitäre Hilfsorganisation spenden zu können, die unmittelbare Nahrungsmittelhilfe und Hilfe zur Ernährungssicherung leistet. Eine der akuten Ursachen für die unsichere Ernährungslage in der heutigen Zeit sind Konflikte. Wir haben überall auf der Welt gesehen, wie Konflikte, sei es im Sudan oder im Gazastreifen, zu einer immensen Nahrungsmittelknappheit führen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, sowohl Soforthilfe zu leisten als auch die globale Lobbyarbeit und langfristige politische Veränderungen zu unterstützen, damit unser Ernährungssystem in Zukunft nachhaltiger und stabiler ist.
Worauf freust Du Dich am 53. St.Gallen Symposium?
Ich bin gespannt darauf, sowohl von jungen als auch von erfahrenen Entscheider:innen zu erfahren, wie sie die Herausforderungen der Knappheit angehen. Und ich freue mich darauf, mit Gleichgesinnten und anderen «Leaders of Tomorrow» in Kontakt zu treten, die in der Welt und in ihrem Umfeld positive Veränderungen vorantreiben. Dies eine grossartige Gelegenheit, voneinander zu lernen und Kontakte zu knüpfen, um sich über Ideen auszutauschen und meine Leidenschaften und Interessen zu teilen. Ausserdem bin ich sehr gespannt auf das touristische Programm und die Möglichkeit, die Schweizer Kultur, Traditionen und Geschichte kennenzulernen. Dies ist mein erster Besuch in der Schweiz. Ich freue mich darauf, zu erkunden, was das Land zu bieten hat.
Hast Du einen Rat für andere junge Menschen, die selbst einen Beitrag zum intergenerationalen Dialog und der intergenerationalen Zusammenarbeit leisten möchten?
Passend zum Essay-Wettbewerb möchte ich andere junge Menschen ermutigen, zu schreiben und nach Möglichkeiten zu suchen, ihre Ideen zu verbreiten. Keine Gelegenheit ist zu klein, sei es bei der örtlichen Schülerzeitung oder beim Schreiben eines Blogs. Schreiben hilft beim Ausarbeiten von Ideen, die du mit der Welt teilen möchtest. Es ist auch eine gute Möglichkeit, Gespräche mit anderen anzuregen, wenn sie auf deine Ideen und Texte reagieren. Das kann dazu beitragen, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen zu fördern. Ich ermutige auch dazu, mit anderen Menschen schreibend im Austausch zu sein, z.B. mit Gleichaltrigen oder Teachers, da dies eine grossartige Gelegenheit ist, um zu lernen, wie man zusammenarbeitet und die Perspektiven zu verstehen, die jede Person mitbringt. Das hilft dabei, zu wachsen und sich in jeder Form des Austauschs besser zurechtzufinden, sei es zwischen Generationen oder zwischen Kulturen.
Victoria Lorenzen studiert Banking and Finance und International Management an der Universität St.Gallen.
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