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Forschung - 25.08.2023 - 14:00 

Lokale Energiegemeinschaften – ein Konzept für KMU?

Lokale Energiegemeinschaften gelten als Eckpfeiler der europäischen Energiewende. Im EU Horizon 2020-Projekt «E-LAND» untersuchten die Forscherinnen Beatrice Petrovich und Merla Kubli die Bereitschaft europäischer KMU, sich an Gemeinschaften für erneuerbare Energien zu beteiligen. Mit dem hohen Energiebedarf sind gerade kleine und mittlere Betriebe interessante Stakeholder. Die Studie zeigt: KMU wünschen lokale Ansprechpartner und intelligente Energiemanagement-Lösungen.
Im EU Horizon 2020-Projekt «E-LAND» untersuchten Beatrice Petrovich und Merla Kubli die Bereitschaft europäischer KMU, sich an Gemeinschaften für erneuerbare Energien zu beteiligen.

Über 90% aller Unternehmen in Europa sind KMU. Die kleinen und mittleren Unternehmen bilden damit den Kern für nachhaltige Lieferketten. Während bisherige Studien Energiegemeinschaften aus der Perspektive privater Verbraucher erforscht haben, konzentriert sich die Studie von Dr. Beatrice Petrovich, Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG) / Ember, und Dr. Merla Kubli, Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG) / TU Delft, erstmals auf die Perspektive von KMU, sogenannten gewerblichen Konsumenten. Diese sind in Energiegemeinschaften derzeit stark unterrepräsentiert. 

Die Studienautorinnen haben 823 Führungskräfte von KMU befragt, darunter mehrheitlich Geschäftsführende, Eigentümer und leitende Angestellte mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung in den jeweiligen Unternehmen. Die Online-Umfrage wurde in Deutschland, Norwegen, Spanien und Rumänien durchgeführt. Wir haben die Forscherinnen nach ihren Erkenntnissen gefragt. 

Frau Kubli und Frau Petrovich, was sind Energiegemeinschaften genau und welche Vorteile bieten sie? 

Merla Kubli: Das Konzept der «Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften» wurde im Jahr 2019 im Rahmen des EU Clean Energy Package eingeführt. Energiegemeinschaften investieren in erneuerbare Energien, z.B. Solarzellen oder Windturbinen, und teilen die Produktion zwischen den Mitgliedern auf. Die Energieanlagen sind vor Ort installiert und decken den Energiebedarf der Mitglieder. Gleichzeitig sind die Mitglieder über die gemeinsame Quelle auch anderweitig miteinander vernetzt. Grundgedanke dahinter: Lokale Gemeinschaften sollen Verantwortung für die Energiewende übernehmen und dabei auch vom Staat unterstützt werden. Energiegemeinschaften bringen ihren Mitgliedern oder den Gebieten, in denen sie tätig sind, ökologische, wirtschaftliche und sozialgemeinschaftliche Vorteile: Der CO2-Fussabdruck verringert sich, die Energiepreise bleiben innerhalb der Gemeinschaft stabil und die Themen Klima und Energie erhalten in der Bevölkerung grössere Aufmerksamkeit.

Beatrice Petrovich: Folglich leisten Energiegemeinschaften einen aktiven Beitrag zur Dekarbonisierung des Energiesystems. Durch die Investitionen in erneuerbare Energiequellen schaffen sie ausserdem Arbeitsplätze und fördern die lokale Wirtschaft. Gleichzeitig bleiben sie selbst von fluktuierenden oder steigenden Marktpreisen verschont und können ihre Energierechnungen reduzieren. Gerade in Zeiten volatiler und hoher Gas- und Erdölpreise gewinnen diese Vorteile an Bedeutung.

Welche Faktoren sind für KMU besonders wichtig, um Energiegemeinschaften beizutreten?
Beatrice Petrovich: Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass lokale und unkomplizierte Angebote zentral sind, um KMU als Mitglieder zu gewinnen. KMU bevorzugen lokale Unternehmen oder ihren bisherigen Energieversorger als Anbieter und gleichzeitig Besitzer der gemeinschaftlich genutzten Energieanlagen. Internationale Unternehmen kommen hingegen als potenzielle Anbieter eher nicht in Frage. Abschreckend sind insbesondere erhebliche zeitliche oder administrative Aufwände. Wiederum interessant sind Anbieter, die ein intelligentes Energiemanagement oder Peer-to-Peer-Handel ermöglichen. Letztlich sich für KMU die Kosten der wichtigste Faktor für oder gegen einen Beitritt zu einer Energiegemeinschaft. 

Welche Geschäftsmodelle können die Beteiligung von KMU an Energiegemeinschaften erhöhen? 
Merla Kubli: Preislich wettbewerbsfähige Angebote sind für KMU wichtig. Sogenannte «Power Purchase Agreements» sind eine interessante Lösung, um den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Denn das KMU muss sich hier nicht um die Installation oder Netzeinspeisung kümmern, sondern kann mühelos lokal produzierte erneuerbare Energie beziehen. Die Anbieter können geographisch nahe beieinanderliegende KMU bündeln – und je nach Bedarf mit z.B. Peer-to-Peer-Handel auf die unterschiedlichen Verbrauchsmuster der KMU eingehen – und dadurch die Energie optimal ausschöpfen. 
KMU sind tatsächlich bereit, eine Prämie für fortschrittliche Angebote mit intelligenter Steuerung oder lokalem Handel zu bezahlen, wie unsere Studie zeigt. Basierend auf der erhöhten Zahlungsbereitschaft könnten Anbieter Geschäftsmodelle rund um «Demand-Side-Response» entwickeln. Der Anbieter erwirtschaftet dadurch zusätzliche Einnahmen, und gleicht Angebot und Nachfrage im Stromnetz aus. 

Beatrice Petrovich: Zudem könnten Technologieentwickler «White Label»-Lösungen anbieten. Nämlich vorgefertigte Lösungen, die dann aber von verschiedenen lokalen Unternehmen unter eigener Marke umgesetzt werden. Ein vielversprechender Ansatz, um Skaleneffekte besser zu nutzen  und sonst schwierig umzusetzen ist bei andersartigen lokalen Initiativen. 

Wo bedarf es politischer Massnahmen, um KMU den Übergang zu Energiegemeinschaften zu erleichtern? 
Beatrice Petrovich: Budget- und Zeitbeschränkungen schrecken viele KMU ab. Hilfreich wäre es, ihnen mit Investitionszuschüssen unter die Arme zu greifen oder die Kapitalkosten zu reduzieren. Dies wären wirksame politische Massnahmen. Das Interesse von KMU an intelligentem Energiemanagement und lokalem Handeln wird derzeit gebremst von regulatorischen Barrieren für solche Lösungen. In vielen Fällen wird die volle Höhe der Netznutzungstarife fällig, selbst wenn man mit dem Nachbarn Strom handelt. Zudem ist für eine langfristig wirtschaftliche Umsetzung von Energiegemeinschaften wichtig, dass Regeln für lokal genutzter Strom klar und stabil sind und das Teilen zwischen Mitgliedern von Energiegemeinschaften ermöglicht wird, ohne hohe Investitionen in zusätzliche Messgeräte oder ergänzende Netzinfrastruktur. 

Merla Kubli: In der Schweiz werden bereits erste Weichen in diese Richtung gestellt. Beispielsweise mit dem Vorschlag für das neuen Energiegesetz, welches das Konzept der «lokalen Elektrizitätsgemeinschaften» vorsieht. Hier können die Erkenntnisse unserer Studie relevante Beiträge leisten.

Die Studie «Energy communities for companies: Executives’ preferences for local and renewable energy procurement» steht zum Download zur Verfügung. 

Hintergründe zum Projekt finden Sie unter: Horizon 2020-Projekt «E-LAND»

Bild: Adobe Stock / Michael Derrer Fuchs

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