Forschung - 21.08.2024 - 10:00
Fabian Tingelhoff, woran forschen Sie gerade?
Im Mittelpunkt der Arbeit, die ich zusammen mit den Forschenden Edona Elshan und Sebastian Klug verfasst habe, steht die Frage, wie YouTube-Influencer die Akzeptanz des Metaversums stärken können. Das Metaversum ist eine virtuelle Welt, in der Menschen mithilfe von digitalen Avataren miteinander interagieren, arbeiten und spielen. Wie andere Online-Umgebungen ist es vor allem für jüngere Generationen attraktiv, die wiederum stark von den Meinungen der YouTube-Influencer abhängig sind. In meiner Studie untersuche ich, welche Aspekte des Metaversums für diese Influencer attraktiv sind und welche Funktionen von ihnen kritisch gesehen werden.
Was ist Ihr Hintergrund, was fasziniert Sie an diesem Thema?
Mich fasziniert, wie neue Technologien, so auch das Metaverse, unser tägliches Leben verändern können. Als einer der ersten Kunden des ursprünglichen ‘Oculus Quest VR headset’ habe ich es immer genossen, neue Erfahrungen zu sammeln und die Grenzen von digitalen Spielen und Arbeitskontexten zu erweitern. Als relativ junger Doktorand beschäftige ich mich auch intensiv mit der Plattform YouTube und nutze sie als Lernumgebung, aber auch als Rechercheinstrument für meine eigenen technischen Anschaffungen.
YouTube-Influencer haben einen enormen Einfluss auf die öffentliche Meinung, insbesondere auf die jüngere Generation. Wenn wir ihre Rolle als Botschafterinnen und Botschafter verstehen, können wir vorhersagen, wie schnell und wo auf der Welt das Metaversum angenommen wird – und wie es in Zukunft aussehen könnte.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich?
Ich möchte verstehen, was frühe Nutzer:innen und Influencer motiviert, sich mit dem Metaverse zu beschäftigen – oder auch nicht. Wenn wir ihre Wahrnehmungen kennen, können wir die Entwicklung des Metaversums besser gestalten, um den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht zu werden.
Zu welchen Ergebnissen ist die Studie gekommen?
Die Studie hat gezeigt, dass YouTube-Influencer grosses Potenzial in der Funktion des Metaversums sehen, neue und fesselnde Erfahrungen zu bieten. Besonders hervorgehoben wird ihre Fähigkeit, soziale Interaktionen zu erleichtern, Bildungsmöglichkeiten zu bieten und neue Wege zur Monetarisierung von Aktivitäten zu schaffen. Die YouTube-Influencer weisen jedoch auch auf Herausforderungen hin, wie z.B. technologische Grenzen und die Notwendigkeit einer realistischeren und nahtloseren Integration virtueller und realer Welten.
Vor allem aber haben wir festgestellt: Es gibt einen Grund, der Nutzer ins Metaverse lockt, das ist vor allem Neugier. Und einen weiteren, der sie dort hält: Das sind Kontakte und neue Möglichkeiten, Aufgaben dort zu erledigen. Konkret heisst das: Anfangs kommen die Nutzer ins Metaversum, um neue Erfahrungen zu machen, die ihre Emotionen beeinflussen; langfristig bleiben sie aber dort, weil sie konkrete Aufgaben damit erledigen, zum Beispiel eine Sprache lernen mit einer App. Oder, weil sie dort Kontakte mit anderen Menschen knüpfen und sie weiterpflegen wollen.
Hat Sie eines der Ergebnisse besonders überrascht?
Das überraschendste Ergebnis war der hohe Stellenwert, der dezentralisierten Finanzanwendungen (DeFi) im Metaversum beigemessen wird. Influencer sind begeistert davon, wie die Blockchain-Technologie neue Formen des Geldverdienens und des Handels mit digitalen Assets ermöglicht, was ihrem Engagement einen zusätzlichen finanziellen Anreiz verleiht.
Wir haben auch erkannt, dass der Erfolg des Metaversums stark von seiner Fähigkeit abhängt, einzigartige und ansprechende Erlebnisse zu bieten, die über das hinausgehen, was aktuelle digitale Plattformen bieten. Zudem verstehen die Nutzer die Motive der Unternehmen im Metaverse und wünschen sich, dass diese das Metaverse ernst nehmen. Und es nicht nur als ‘Marketing-Gag’ einsetzen. Influencer können den Produktentwicklern dabei helfen, neue Funktionen zu erfinden, die bei den ersten Nutzern gut ankommen und eine breitere Akzeptanz fördern.
Was sind die nächsten Schritte? Hat sich aus dieser Studie ein weiteres Thema für die Zukunft ergeben?
Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, wie das Publikum der YouTuber auf die Inhalte reagiert und mit ihnen interagiert. Die Videos, die in dieser Studie analysiert wurden, waren ziemlich lang und umfangreich. Ich bin daran interessiert zu untersuchen, welche spezifischen Einstellungen und Funktionen beim Publikum gut ankommen und wo die Nutzer möglicherweise anderer Meinung sind. Um diese Frage zu beantworten, analysieren meine Co-Autoren und ich derzeit hunderttausende von Kommentaren der einflussreichen Videos.
Die Studie «The Diffusion of the Metaverse: How YouTube Influencers Shape Mass Adoption» wurde kürzlich im California Management Review veröffentlicht.
Fabian Tingelhoff ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik und Digitale Ökonomie (IWI-HSG).
Edona Elshan ist Assistenzprofessorin am KIN Center for Digital Innovation an der Vrije Universiteit Amsterdam. Sie hat den Doktor in Management und den Master in Business Innovation an der Universität St.Gallen absolviert.
Sebastian Klug ist Associate Manager bei Julius Bär, spezialisiert auf Investment und Wealth Management Solutions, und hat seinen Master in Strategy and International Management an der Universität St.Gallen absolviert.
Bild: Adobe Stock / DanRentea
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