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Forschung - 31.05.2024 - 10:00 

Russlands Strategien zum Aufbau von weicher Macht

Neben militärischer und wirtschaftlicher Macht versuchen viele Staaten auch mit subtileren Mitteln, oftmals als Soft Power bezeichnet, die Weltpolitik zu beeinflussen. Der russischstämmige HSG-Forscher Dr. Alexander Meienberger hat sich in seiner Dissertation mit russischer Soft Power und einer Stiftung befasst, die dabei eine zentrale Rolle einnimmt.

Herr Meienberger wie einfach ist es noch als in Europa ansässiger Forscher an Informationen in Russland zu kommen?

Ich hatte das Glück, dass ich vor dem russländischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 mit meiner Dissertation angefangen habe. Die von mir untersuchte Stiftung «Russkij mir» hatte damals noch all ihre Jahresberichte im Internet für alle öffentlich zugänglich gemacht und mir auch Informationen weitergeleitet. Nach Beginn des Krieges, hatte die Stiftung dann ihre Homepage für IP-Adressen aus dem Westen gesperrt. Mit VPN konnte man aber trotzdem noch darauf zugreifen. Aber generell hatte die Stiftung nach 2022 weniger Infos geteilt. Ich denke, allgemein ist der Zugang zu Informationen in Russland für Forschende aus dem Westen auch stark vom Forschungsthema abhängig: Wenn man zu Themen wie Umweltschutz oder Rechte von Personen der LGBTQ-Bewegung Informationen sammeln will, könnte es aktuell schwieriger werden.

Sie beschreiben die von Ihnen untersuchte Stiftung «Ruskij mir», was so viel wie russische Welt bedeutet, als ein wichtiges Instrument der russischen Soft Power. Was ist Soft Power überhaupt?

Also grundsätzlich haben Staaten zwei Arten von Machtinstrumenten:  Hard Power beschreibt dabei, wie Staaten mit militärischen Mitteln oder wirtschaftlichen Sanktionen, Druck auf andere Länder ausüben können. Bei der Soft Power wollen Staaten andere Länder ohne Zwang dazu bringen, die eigenen Interessen zu unterstützen.

Wie muss man sich das vorstellen?

Es geht darum, der Welt die eigene Kultur und das eigene Politik- und Wirtschaftssystem über verschiedene Kanäle anzupreisen. So sollen die eigene Kultur und damit auch die eigenen Ziele für andere Länder als attraktiv und erstrebenswert dargestellt werden, wodurch man deren Politik beeinflussen kann.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Das klassische Beispiel ist der amerikanische Traum, der etwa über Hollywoodfilme auf der ganzen Welt verbreitet wurde. Und viele Menschen in anderen Ländern haben sich diesen Traum dann auch zu eigen gemacht und sich dadurch an den Zielen der USA ausgerichtet. Oder ein anderes Beispiel ist das Deutsche Goethe Institut, das die deutsche Sprache und Kultur den Menschen weltweit zugänglich macht. So soll jungen Leuten auf der ganzen Welt ein positives Bild von Deutschland vermittelt werden. Wenn diese jungen Leute später vielleicht einmal politische Macht ausüben, könnte sich dieses positive Image für Deutschland auch politisch auszahlen.

Kann man sagen, welche Länder bezüglich ihrer Soft Power die mächtigsten sind?

Es gibt verschiedene Indizes, welche das erheben. Beim Index der Portland Communications Agentur, der die 30, gemessen an ihrer Softpower, mächtigsten Länder auflistet, sind Länder wie Frankreich, Grossbritannien, Deutschland und Schweden ganz vorne mit dabei. Die Schweiz ist auf Platz 6, Russland ganz hinten auf Platz 30.

Es erstaunt, dass Länder wie Frankreich und Grossbritannien noch vor den USA (Platz 5) liegen.

Ja, das stimmt. Dieser Index erhebt neben den vorhin genannten Aspekten von Soft Power auch noch andere Kriterien, wie etwa Digitalisierung, Kultur, Sport und Tourismus, Wirtschaftsattraktivität, Bildung, internationalen Austausch, Diplomatie und internationales Engagement sowie Governance. Alles Faktoren, die auf andere Länder attraktiv wirken können.

Bleiben wir doch gerade beim Aspekt der Governance und Demokratie. Schaut man sich die weltpolitischen Entwicklungen an, scheint das Vorleben von demokratischen und rechtstaatlichen Werten ja nicht auf alle Länder anziehend zu wirken.

Genau, nur weil man mit einer Eigenschaft für gewisse Länder als attraktiv wahrgenommen wird, heisst das nicht, dass es alle Länder als erstrebenswerte Eigenschaft anschauen.

Welche Strategie verfolgt Russland beim Aufbau von Soft Power?

Das hat sich mit der Zeit gewandelt. Als Putin im Jahr 2000 an die Macht kam, war er sehr bestrebt, das Bild Russlands im Westen zu verbessern. Denn damals herrschte dort häufig noch ein Bild Russlands vor, dass es hier nichts als Kriminalität, Vodka-, Bären und Balalaikas gibt. Dann hat Russland den Sender Russia Today gegründet, aber damals war es noch nicht der Propagandakanal, der es heute ist. Man wollte damals dem Ausland zeigen, dass Russland vielfältig sein kann. Man hat dann auch verschiedene PR-Agenturen beauftragt im Ausland Kampagnen zu fahren. So wurde dann Putin vom Time Magazin im Jahr 2007 sogar zur Person des Jahres erklärt. Russland konnte durch Unterstützung dieser Agenturen auch einige sportliche Grossveranstaltungen ins Land holen, wie die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi oder der Grosse Preis von Russland in der Formel 1. Auch der Tourismus wurde immer mehr angekurbelt.

Welche Botschaft wollte Russland damals noch nach aussen tragen?

Ich glaube die Hauptbotschaft war, dass Russland kein Barbarenland ist, sondern ein attraktives vielseitiges, demokratisch entwickeltes Land, das sich der Welt geöffnet hat.

Und dann kam die Ukrainekrise 2013/2014?

Genau, aber auch schon zuvor ab 2011 änderte sich allmählich der russische Auftritt. Das sah man auch daran, dass Russia Today fortan ein starker Propagandasender wurde.  Da war einerseits die Ukrainekrise, durch welche Russland in Konflikt mit dem Westen geriet, aber auch die Protestwelle in Russland nach den Parlamentswahlen 2011 hatte Putin wohl Angst gemacht. Ab diesem Zeitpunkt wandelte sich die Botschaft Russlands zunehmend dahingehend, dass man traditionalistische, konservative Werte vertritt im Gegensatz zum verdorbenen, liberalen Westen.

Kommen wir noch auf die Stiftung «Ruskij mir» zu sprechen, um welche es in Ihrer Dissertation hauptsächlich geht. Welche Aktivitäten verfolgt diese?

Diese Stiftung finanziert im Ausland verschiedene private Vereine und Bildungseinrichtungen, welche die russische Kultur fördern. Dort richtet sie Russische Zentren und Kabinette der «Russischen Welt» ein. Diese Zentren bieten beispielsweise Russischkurse an, oder sie organisieren Feierlichkeiten wie etwa zum 9.Mai, also dem Tag des Sieges über Nazideutschland, was heute oftmals als Sieg über Europa dargestellt wird. Finanziell unterstützt wird von der Stiftung aber nur, wer kremltreu ist.

In welchen Ländern ist diese Stiftung heute noch aktiv?

In den europäischen Ländern ist die Stiftung nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine als Propagandainstrument des Kremls verboten worden. Seither konzentriert «Ruskij mir» seine Aktivitäten auf Lateinamerika, Afrika, Asien und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion.

Gibt es diese Stiftung auch in der Schweiz?

Nein, hier war sie nie aktiv.

Nun hört man ja von China oftmals, dass es seine Landsleute im Ausland stark überwacht und sie gelegentlich auch unter Druck setzt. Sie sind Auslandsrusse, hat sie der russische Staat auch schon einzuschüchtern versucht?

(Lacht) Nein, ich glaube, ich bin eine zu kleine Nummer für den russischen Staat. Es gibt vielleicht schon Leute im Ausland, bei denen der Kreml genauer hinschaut, was die treiben. Aber um Leute wie mich permanent zu überwachen, da fehlen dem Staat wahrscheinlich die Ressourcen.

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