Forschung - 11.04.2025 - 08:30
Das Internet kann die Wirtschaft ankurbeln, indem es Unternehmen beim Wachstum unterstützt, die Kommunikation beschleunigt und die Effizienz staatlicher Dienstleistungen erhöht. Deshalb wollen es viele autoritäre Regime ausbauen. Das Internet gibt den Menschen aber auch mehr Freiheit, sich zu vernetzen, Ideen auszutauschen und Proteste zu organisieren – was für nicht-demokratische Machthaber:innen eine Bedrohung darstellen kann. Dies stellt Autokrat:innen vor ein Dilemma: Wie können sie modernisieren, ohne die Kontrolle zu verlieren?
In ihrer Studie «Authoritarian collaboration and repression in the digital age: balancing foreign direct investment and control in internet infrastructure» zeigen Prof. Dr. Tina Freyburg und ihre Co-Autor:innen, dass autoritäre Regime dieses Dilemma durch strategische Zusammenarbeit mit anderen Autokratien lösen. Die Forscherinnen stellen fest, dass ausländische Direktinvestitionen (ADI) in die Bereitstellung von Internetdiensten in der Regel aus anderen autoritären Ländern stammen.
Insbesondere wenn eine Regierung ihr Volk unterdrückt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass andere ähnliche autoritäre Länder in die Internetversorgung dieses Landes investieren. Diese Investoren verfolgen ähnliche Ziele: Sie wollen, dass sich die Technologie ausbreitet, und sie wollen sicherstellen, dass sie die Technologie so nutzen können, dass sie an der Macht bleiben und ihr Volk kontrollieren können.
Diese Art von Investitionen ist also nicht neutral, sondern verspricht einen doppelten Nutzen für die Empfängerregime. Sie ermöglicht es ihnen, die digitale Infrastruktur auszubauen und gleichzeitig die Kontrolle darüber zu behalten. Insbesondere wenn ein Internetanbieter mehrheitlich im Besitz eines autoritären Investors ist, wird es für das Gastregime viel einfacher, Online-Aktivitäten zu überwachen, zu zensieren und zu kontrollieren. Wie Freyburg es ausdrückt: «Autoritäre Zusammenarbeit ist kein Zufall. Sie spiegelt strategische Interessen wider: Regime investieren in die Digitalisierung – aber nur auf eine Weise, die die Kontrolle bewahrt und Repression ermöglicht.»
Die Studie ist Teil eines mehrjährigen Forschungsprojekts zu den politischen Implikationen der Internet-Expansion in Autokratien, das am Institut für Politikwissenschaft (IPW-HSG) der Universität St.Gallen durchgeführt wird. Im Fokus steht das Zusammenspiel zwischen Herkunft der Investoren, Eigentumsstrukturen von Internetanbietern und staatlicher Repression. Die Ergebnisse sind eindeutig: In Ländern, in denen ausländische autoritäre Investoren beteiligt sind, wird das Internet deutlich häufiger zur Unterdrückung von Opposition und zur Manipulation des digitalen Informationsflusses eingesetzt.
Weitere Untersuchungen von Prof. Freyburg und ihrem Team zeigen, wie Internet-Abschaltungen gezielt eingesetzt werden – beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik oder in Äthiopien, insbesondere bei Wahlen oder Protesten. Dieses globale Muster zeigt sich auch in Russland, wo Kommunikationskanäle zunehmend eingeschränkt oder manipuliert werden. Wie Ulrich Schmid, Professor für russische Kultur und Gesellschaft an der Universität St.Gallen, in einem Gastbeitrag für die NZZ feststellt: «Ein modernes Äquivalent zur sowjetischen Störung ist die Blockierung ausländischer Websites wie Facebook und Instagram. Inzwischen wird auch YouTube in Russland so stark künstlich verlangsamt, dass es kaum mehr zugänglich ist. Die postmoderne Stabilisierung des Putin-Systems wird nun von einem aufdringlichen Patriotismus überlagert, in dem absurderweise die lateinischen Buchstaben Z und V die ikonische Funktion von Hammer und Sichel übernehmen.»
Die Studie von Prof. Freyburg unterstreicht die dringende Notwendigkeit, Mechanismen zum Schutz der Informationsfreiheit im Internet zu stärken. In einer zunehmend vernetzten Welt ist der ungehinderte Zugang zu Informationen eine Grundvoraussetzung für funktionierende Demokratien und die politische Selbstbestimmung der Bürger:innen.
Gleichzeitig wirft die Forschung drängende Fragen zur Verantwortung internationaler Technologieunternehmen auf. Viele dieser Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle beim Ausbau der digitalen Infrastruktur in Schwellenländern. Doch was passiert, wenn ihr wirtschaftliches Engagement mit politischer Unterdrückung einhergeht? Die Studie macht eines deutlich: Wenn autoritäre Regime mit Investoren zusammenarbeiten, die die Unterdrückung nicht behindern oder sogar ermöglichen, entsteht eine gefährliche Allianz. Diese Art der autoritären Zusammenarbeit ist subtil, transnational und technisch komplex – aber politisch mächtig.
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Bild: Adobe Stock / Christian
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