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Hintergrund - 17.03.2022 - 00:00 

Cyber-Security und der Krieg in der Ukraine

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 haben auch die von Russland ausgehenden Cyberangriffe auf die Region zugenommen. Um das Thema besser zu verstehen, haben wir mit Professorin Aikaterini Mitrokotsa gesprochen. Sie ist Ordinaria für Cybersicherheit an der Universität St.Gallen.

17. März 2022.

Aikaterini Mitrokotsa, wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, wie Panzer und Soldaten in der Ukraine Krieg führen. Experten sagen, dass dieser Krieg ebenso stark virtuell geführt wird. Können Sie das erläutern?

Wir sind alle bestürzt über den physischen Einmarsch Russlands in die Ukraine. Neben dem militärischen Konflikt haben wir aber in der Tat auch eine Zunahme von Cyberangriffen und Hackerangriffen beobachtet, die nicht nur ein wichtiger Aspekt dieses Konflikts sind, sondern höchstwahrscheinlich auch in künftigen Kriegen und Konflikten eine wichtige Rolle spielen werden.

Haben die russischen und ukrainischen Cyberangriffe erst mit der Invasion am 24. Februar 2022 begonnen?

Der Cyberkrieg Russlands gegen die Ukraine ist schon seit langem aktiv. Es gab eine Vielzahl von digitalen Angriffen, die schon mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begannen und sich nach der russischen Invasion auf der Krim im Jahr 2014 intensivierten. Zu diesen Cyberangriffen gehören: der Hack des ukrainischen Stromnetzes zu Weihnachten 2015 und erneut 2016, die Lähmung des ukrainischen Finanzministeriums im Dezember 2016, ein massiver Hackerangriff auf die Lieferketten im Juni 2017 und Angriffe auf ukrainische Regierungswebsites im Januar 2022.

Die ukrainische Regierung war in letzter Zeit auch von zahlreichen weiteren digitalen Angriffen betroffen, die von Hacks, bei denen Daten von Computern gelöscht wurden, bis hin zu solchen reichten, bei denen Computernetzwerke mit digitalem Datenverkehr überlastet wurden (Denial-of-Service-Angriffe).

Gibt es eine Möglichkeit, die Gründe für diese Angriffe zu verstehen? Gibt es eine Möglichkeit, sie zu kategorisieren?

Die wichtigsten Cyberangriffe im Krieg gegen die Ukraine können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden: Angriffe, die darauf abzielen, Informationen zu sammeln; Angriffe, die möglicherweise versuchen, die ukrainischen Militäroperationen zu untergraben; und Angriffe, die darauf abzielen, die ukrainische Öffentlichkeit im Allgemeinen psychologisch zu beeinflussen. Letzteres ist die grösste Sorge, da sich die Cyberangriffe gegen die Ukraine derzeit auf Fehlinformationen und die Verbreitung von Angst konzentrieren.

Wie können Cyberangriffe auf die allgemeine Bevölkerung der Ukraine abzielen?

Grosse Social-Media-Unternehmen (z. B. Facebook, Twitter usw.) haben beispielsweise entdeckt, dass Hacker die Konten von ukrainischen Militärs und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens übernommen haben. Die Hacker versuchen, diese Konten zu instrumentalisieren, um Desinformationen zu verbreiten und Videos zu posten, die zum Beispiel die angebliche Kapitulation des ukrainischen Militärs zeigen.

Auf der anderen Seite haben Sympathisanten der Ukraine, das heisst Hacktivisten, die unter dem Namen Anonymous bekannt sind, russische Fernsehsender gehackt, um pro-ukrainische Inhalte zu verbreiten, und sogar russische Ladestationen für Elektrofahrzeuge mit Anti-Putin-Botschaften infiltriert und ausser Betrieb gesetzt.

Die Cyberangriffe auf die Ukraine sind bisher relativ glimpflich verlaufen, besteht die Sorge, dass sich dies ändern könnte?

Ja. Eine grosse Sorge nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die Weltgemeinschaft ist derzeit, dass Russland schwerwiegendere Cyberangriffe startet und in der Lage sein könnte, massiv Viren in die digitalen Systeme einzuschleusen. Sollte dies gelingen, könnte dies einen Kaskadeneffekt haben, der sich auf andere Länder auswirkt und möglicherweise die digitale Kommunikation auf der ganzen Welt lahmlegt. Dies ist in nicht allzu ferner Vergangenheit bereits einmal geschehen. Der NotPetya-Bug im Jahr 2017 zielte auf eine beliebte ukrainische Buchhaltungssoftware ab und verbreitete sich rasch aber über die Ukraine hinaus. Etwas Ähnliches ist im laufenden Konflikt ebenfalls zu befürchten.

Prof. Dr. Aikaterini Mitrokotsa ist ordentliche Professorin für Cybersicherheit am der School für Computer Science der Universität St.Gallen.

Bild: Adobe Stock / Oleksii

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