Öffentliche Vorlesungen
Datum Mo. 23.10.2023 | Uhrzeit 18:15 - 19:45 Uhr | ReferentIn Prof. Dr. Michael I. Allen |
Ort Musiksaal im Dekanatsflügel des Konventsgebäudes | Kosten Semesterpass für 20 Franken | Kalender |
In der Stiftsbibliothek St.Gallen ist eine Büchersammlung von Weltrang erhalten geblieben, die nicht nur die Leistungen des Klosters St.Gallen dokumentiert, sondern auch eine Reihe von Werken der europäischen Kulturgeschichte überliefert, die wir sonst nicht kennen würden, sogenannte Einzigüberlieferungen. Begleitend zur Winterausstellung im Barocksaal der Bibliothek stellen ausgewiesene Fachleute drei bedeutende, nur in St.Gallen erhaltene Werke vor.
Den Anfang macht Michael I. Allen mit der Weltchronik Frechulfs, Bischof von Lisieux um 820/850. Frechulf widmete diese erste karolingische Weltgeschichte der Frau Ludwigs des Frommen, Kaiserin Judith. Vermutlich ist die Handschrift der Stiftsbibliothek sein Autograph.
Etwa zwei Jahrzehnte vor Frechulf, um 800, verfasste ein unbekannter Dichter – einige identifizieren ihn mit Einhard, dem Biographen Karls des Grossen – das sogenannte Paderborner Karlsepos. Es ist allein in einer St.Galler Handschrift überliefert, die im Rahmen des Kultur güterstreits zwischen St.Gallen und Zürich 2006 der Stiftsbibliothek als Depositum zurückgegeben wurde. Das Epos schildert in hoher literarischer Qualität die Begegnung zwischen Leo III. und Karl dem Grossen 799 in Paderborn. Diese bildet die Vorgeschichte zu einem der wichtigsten Ereignisse der europäischen Geschichte, der Kaiserkrönung Karls des Grossen an Weihnachten 800. Darüber wird Matthias Becher berichten.
In der abschliessenden dritten Vorlesung wendet sich Franziska Schnoor zwei einzigartigen Musikhandschriften zu, mit denen Fürstabt Diethelm Blarer 1562/64 die musikalische Tradition des Klosters in vierstimmiger Form erneuern wollte. Dafür nahm er die Dienste des italienischen Komponisten Manfred Barbarini Lupus in Anspruch, der in der Schweiz und Süddeutschland tätig war. Dieser Ausflug in die Mehrstimmigkeit blieb zwar ohne Nachhall im Kloster St.Gallen, aber der erste der beiden grossformatigen Bände ist mit seinen ganzseitigen Illustrationen zu den Hochfesten und Darstellungen von zeitgenössischen Instrumenten eine der prächtigsten Musikhandschriften der Stiftsbibliothek.
Ergänzend zur Vorlesungsreihe wird Cornelia Herberichs (Universität Freiburg) in der Festansprache zur Ausstellungseröffnung am Dienstag, 14. November im Pfalzkeller das ebenfalls nur in der Stiftsbibliothek erhaltene, sogenannte St.Galler Weihnachtsspiel vorstellen.
Montag, 18.15 bis 19.45 Uhr, Musiksaal im Dekanatsflügel des Konventsgebäudes, Klosterhof 6b, 9000 St.Gallen
23. Oktober
Menschheit, Gesellschaft und Berufung in der Weltchronik des Frechulf von Lisieux (822/829)
Prof. Dr. Michael I. Allen, Ausserordentlicher Professor für Klassische Philologie, Universität Chicago / US
30. Oktober
«Sie sprachen über mancherlei Dinge». Das sogenannte Paderborner Epos und die Verhandlungen Karls des Großen mit Papst Leo III. im Jahr 799
Prof. Dr. Matthias Becher, Professor für die Geschichte des Mittelalters, Universität Bonn / DE
6. November
Die vierstimmigen Choralbearbeitungen von Manfred Barbarini Lupus (1562/64)
Dr. Franziska Schnoor, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Stiftsbibliothek St.Gallen
Leitung | Dr. Cornel Dora, Stiftsbibliothekar, Stiftsbibliothek St.Gallen