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Forschung - 10.09.2020 - 00:00 

Studie zu Diversity in Schweizer Firmen: Gläserne Decke hält sich hartnäckig

Um Karriere zu machen, müssen Frauen in der Schweiz immer noch hohe Hürden überwinden. Dies zeigt der jüngste Gender Intelligence Report 2020, eine gemeinsame Studie der Organisation Advance und des Kompetenzzentrums für Diversität und Inklusion (CCDI-HSG) an der Universität St.Gallen.

10. September 2020. Ausgewertet wurden Daten von 302’000 Mitarbeitenden aus 75 Organisationen. Der Bericht erscheint 2020 zum vierten Mal und liefert Zahlen und Fakten zur Entwicklung der Diversität in Schweizer Unternehmen. Gemäss der Studie sind in den untersuchten Firmen erst 18 Prozent der Stellen im Topmanagement von Frauen besetzt. Die meisten der partizipierenden Firmen haben sich zwar zur Förderung von Diversity bekannt und erste Massnahmen eingeleitet. Der Prozess schreitet aber langsam voran. Prof Dr. Gudrun Sander, Leiterin des Kompetenzzentrums für Diversity & Inclusion der HSG, und Alkistis Petropaki, General Manager von Advance, erläutern im Video die Hintergründe.

Barometer für Diversität im Schweizer Arbeitsmarkt

Neu liefert der Gender Intelligence Report den Gender Maturity Compass (GMC). Ein Modell, welches Unternehmen auf dem Weg zu Geschlechterdiversity & Inklusion (D&I) in vier verschiedene Stadien einstuft. So lassen sich einerseits Fortschritte im D&I-Reifegrad von Organisationen messen. Anderseits gibt der Gender Maturity Compass Orientierung und hilft gezielt, eine ausgeglichene Geschlechterverteilung zu erreichen. Unternehmen auf der niedrigsten Stufe I weisen eine klare Absichtserklärung aus, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, wobei Unternehmen der obersten Stufe IV den höchsten D&I-Reifegrad ausweisen. In diesen Unternehmen ist eine Geschlechterverteilung über alle hierarchischen Ebenen ausgeglichen.

Geschlechtervielfalt im Anfangsstadium

Die Mehrheit der teilnehmenden Unternehmen erreicht Stufe I. 20% bzw. 11% erreichen die Stufen II bzw. III. Zudem gibt es viele Unternehmen, welche diese beiden Stufen fast erreichen. Nur 5% hingegen erreichen den höchsten Reifegrad. Die Verteilung der Unternehmen auf die vier Stufen zeigt deutlich: Geschlechtervielfalt in Schweizer Unternehmen befindet sich oft noch im Anfangsstadium. Alle Unternehmen, welche die Stufen III und IV des Gender Maturity Compass erreicht haben, sind Advance-Mitglieder. Dasselbe gilt für mehr als 90% der Unternehmen, welche die Stufe II erreicht haben.

«Gläserne Decke» bei drei Firmen durchbrochen

Unter den teilnehmenden Unternehmen weisen drei einen sehr hohen D&I-Reifegrad auf. In diesen Unternehmen ist die Geschlechterverteilung auf allen Hierarchiestufen ähnlich. Anders gesagt: Auf dem Weg nach oben gehen kaum Frauen verloren. Diesen Unternehmen gelingt es, Frauen mindestens proportional zu den Männern einzustellen, zu befördern und sie dank einer inklusiven Unternehmenskultur auch zu halten. Best Practices im Bericht geben Einblick, welche konkreten Massnahmen Firmen auf diesem Weg ergriffen haben.

Flaute an der Spitze

Über alle Unternehmen hinweg sehen die Ergebnisse anders aus: Während im Durchschnitt fast die Hälfte der Mitarbeitenden im Nicht-Kader Frauen sind (49%), sinkt ihr Anteil um 20 Prozentpunkte, betrachtet man alle Kaderpositionen (29%). Im obersten und oberen Kader sinkt der Frauenanteil sogar noch weiter auf 18%, ein Unterschied von über 30 Prozentpunkten gegenüber der Basis (49%). Dies lässt den Schluss zu: Frauen sehen sich beim Erreichen von höheren Kaderpositionen immer noch mit grossen Hürden konfrontiert. Es geht auch anders: Unternehmen, die seit mehreren Jahren am Gender Intelligence Report teilnehmen, verzeichnen einen Anstieg des Frauenanteils im oberen und mittleren Kader: Während 2018 durchschnittlich 20% Frauen dieser Firmen vertreten waren, stieg diese Zahl bis 2020 um 3 Prozentpunkte auf 23%. Betrachtet man nur das obere und oberste Kader, liegt der Anstieg sogar bei 6 Prozentpunkten von 15% im Jahr 2018 auf 21% im Jahr 2020.

Beförderungen in der «Rush Hour» des Lebens

Die meisten Beförderungen finden zwischen 31 und 40 Jahren statt. Das ist auch die Zeit, in der viele Menschen eine Familie gründen. Betrachtet man die Beschäftigungsgrade in dieser Altersgruppe, so sinkt er bei den Frauen stark, während er bei Männern gleichbleibt. Das hängt sehr wahrscheinlich mit der Familien- und Betreuungsarbeit zusammen, die in der Schweiz immer noch weitestgehend von Frauen übernommen wird. Mit Vollzeit als Norm in der Führung zum einen und ungleichmässig verteilter Familien- und Betreuungsarbeit zum anderen sind Frauenkarrieren nach wie vor mit strukturellen und kulturellen Hürden konfrontiert.

Klare Beförderungsziele und neue Zusammensetzung von Teams

Im Durchschnitt werden Frauen im Vergleich zu ihrem Gesamtanteil an Mitarbeitenden (40%) unterproportional befördert (37%). Um die Vertretung von Frauen auf höheren Hierarchiestufen zu steigern, ist es sinnvoll Ziele so zu definieren, dass der Frauenanteil an Beförderungen dem Frauenanteil auf der jeweils darunter liegenden Stufe entspricht. Zudem sind bei der Nachfolgeplanung idealerweise Frauen auf allen Auswahllisten gleich stark vertreten wie Männer.

Zudem ergibt sich eine neue Chance durch die Pensionierungswelle der «Generation Babyboom»: Ein Drittel der männlichen Führungskräfte ist heute über 50 Jahre alt. Damit besteht historisch die einzigartige Gelegenheit, die Geschlechtervielfalt in Führungsteams zu erhöhen.

Fallstudien von führenden Schweizer Unternehmen

Im zweiten Teil der Studie sind 18 D&I Best Practices von Advance-Mitgliederfirmen publiziert. Anschaulich dokumentieren sie wirkungsvolle Massnahmen und deren Resultate. Alle Best Practices finden Sie auch hier. Die Studie wurde am 10. September 2020 im Rahmen der Diversity and Inclusion Week vorgestellt. Alkistis Petropaki, Geschäftsführerin Advance, und Prof. Dr. Gudrun Sander, Direktorin des Kompetenzzentrums für Diversity und Inklusion (CCDI-HSG), präsentierten die Ergebnisse. Den Gender Intelligence Report finden Sie zum Download nach Online-Registrierung hier.

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