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Hintergrund - 12.10.2022 - 00:00 

Politisches Engagement statt Pinkwashing: St.Gallen soll inklusiver werden

Pride Month und Stadt St.Gallen luden am 10. Oktober gemeinsam zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema «Wie können wir St.Gallen in Zukunft inklusiver gestalten?». Lokale Politiker:innen und Aktivist:innen tauschten sich darüber aus, was notwendig ist, damit sich St.Gallen zu einer modernen und inklusiven Stadt entwickelt.

12. Oktober 2022. An der öffentlichen Podiumsdiskussion im Katharinensaal in St.Gallen nahmen Andrea Scheck, Präsidentin der SP des Kantons St.Gallen, Andi Giger vom Verein St.Gallen Pride, Andreas Bisig, Kantonsrat und glp-Präsident Linth & Rapperswil-Jona, Miriam Rizzi, Juso-Stadtparlamentarierin und Klimaaktivistin, und Jürg Brunner, St.Galler Parlamentspräsident und SVP-Mitglied, teil. Die Politiker:innen und Aktivist:innen diskutierten darüber, wie sich die Gallusstadt weiterentwickeln soll, damit sich jede Person – unabhängig von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Herkunft oder Religion – in der Stadt willkommen fühlt. Einstimmig betonten die Gesprächsteilnehmenden, dass sich eine inklusive Stadt nicht nur für die Rechte von LGBTQ+-Personen einsetzen soll, sondern alle Randgruppen vertreten muss. 

Pride Demo in St.Gallen geplant 

Seit kurzem gibt es in St.Gallen den Verein St.Gallen Pride, mitgegründet von Andi Giger: «Queere Menschen sollen nicht nur akzeptiert, sondern willkommen sein.» Der Verein möchte ab 2023 jährlich eine Pride Demo durch die Gallusstadt organisieren. Die queere Szene soll so sichtbar werden, Forderungen stellen und sich vernetzen können. St.Gallen inklusiver zu gestalten und für LGBTQ+-Themen zu sensibilisieren, gehe alle etwas an – auch wenn es sich bei der LGBTQ+-Community um eine Minderheit handle, so Giger. Jürg Brunner stellt fest, dass die Sichtbarkeit auch aus Sicherheitsgründen leide. Dem widerspricht Andrea Scheck: Nicht nur sogenannte Hater seien das Problem, sondern auch politische Prozesse und Entscheide, die viel zu lange dauern würden oder noch gar nicht Realität sind: So wurde der Diskriminierungsschutz erst 2020 auf homosexuelle Menschen ausgeweitet und gleichgeschlechtliche Paare können erst seit Juli 2022 heiraten. «Gesetzesänderungen wie die Ehe für alle werden als vermeintliche Fortschritte gefeiert, sollten aber selbstverständlich sein», so die Präsidentin der kantonalen SP. 

«Regenbogenfahnen stellen noch keine Sicherheit her»

Miriam Rizzi verurteilt das Pinkwashing, also das Solidarisieren mit LGBTQ+-Themen aus Marketinggründen: «Beim Pinkwashing geht es nur um Marketing und Profit, nicht um Rechte und Sichtbarkeit. Mit Regenbogenfahnen stellt man noch keine Sicherheit her.» Die Teilnehmer:innen der Podiums sind sich einig, dass Pinkwashing alleine nicht für Inklusion sorgt. Doch wo liegt die Grenze zwischen Pinkwashing und Sichtbarkeit, zwischen Heuchelei und Engagement? Andi Giger vom Verein St.Gallen Pride sieht Pinkwashing zwar ebenfalls kritisch, nimmt die Situation in St.Gallen aber anders wahr: «Hier ist das Problem die fehlende Sichtbarkeit. Manchmal wünsche ich mir, dass zum Beispiel der FCSG Pinkwashing betreibt, um auf LGBTQ+-Themen aufmerksam zu machen.» Auch Andreas Bisig sieht einen positiven Effekt, wenn sich Unternehmen öffentlich zu ihrem Engagement bekennen und die LGBTQ+-Bewegung so für alle öffnen: «Wichtig ist, dass Unternehmen ehrlich kommunizieren und bei Problemen hinschauen», betont Bisig. Dazu gehöre zu prüfen, welche Richtlinien man umsetzt – mit welchen Ländern arbeitet man beispielsweise zusammen? «Awareness entsteht nur durch Sichtbarkeit», so Jürg Brunner. Er schlägt die Einführung eines LGBTQ+-Labels vor, um Prozesse zu definieren, die Unternehmen einhalten müssen, damit sie sich LGBTQ+-freundlich nennen dürfen. 

LGBTQ+-Community politisch zu wenig vertreten
Wieso hat die LGBTQ+-Community keine grössere politische Lobby? Betroffene seien zu wenig an den politischen Prozessen beteiligt und Parlamente oft nicht divers. Diese fehlende Diversität sowie rassistische und sexistische Anfeindungen schrecke dann Frauen, Menschen aus der LGBTQ+-Community oder People of Color ab, so die Teilnehmenden. Zudem könne ein Viertel der Wählerschaft politisch gar nicht mitreden. Jürg Brunner stellt fest, dass sich viele Leute von der Politik verabschieden und nicht abstimmen, wenn sie persönlich nicht betroffen sind: «Doch es geht um die Menschen und nicht um das Geschlecht.» Andrea Scheck hält dagegen: «Menschen ziehen sich aus der Politik zurück, weil sie sich nicht vertreten fühlen. Solange Geschlechter diskriminiert werden, ist es nicht egal, welches Geschlecht jemand hat.» Andreas Bisig erlebt auf kantonaler Ebene eine Bereitschaft, LGBTQ+-Themen mitzutragen: Der Kanton St.Gallen will zum Beispiel – als Reaktion auf eine Interpellation – das Beratungsnetz für queere Jugendliche ausbauen. 

Pride Month wird zum dritten Mal gefeiert

HSG und OST führen im Oktober 2022 zum dritten Mal den Pride Month in St.Gallen durch. Auf dem Programm stehen Workshops, Podiumsdiskussionen und viele weitere Veranstaltungen. Eine studentische Initiative hat den Pride Month @HSG ins Leben gerufen. Das Team aus fünf Studierenden setzt sich für die Sichtbarkeit und Sensibilisierung von LGBTQ+-Themen an der HSG und in der Stadt St.Gallen ein. 

Der Pride Month wird üblicherweise im Juni gefeiert – da die Prüfungsphase an der HSG aber auf diesen Monat fällt und im September neue Studierende an der Universität starten, findet der Pride Month @HSG jeweils im Oktober statt. 

Informationen und Veranstaltungen zum Pride Month: 
www.pridemonth.ch

Text: Sabrina Rohner

Bilder: Michel Canonica

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