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Forschung - 25.03.2025 - 11:00 

Eine Revolution mit blinden Flecken

Quanten-Technologien versprechen revolutionäre Veränderungen in Wissenschaft und Wirtschaft. Doch eine neue Studie zeigt: Während Medien, Unternehmen und Regierungen vor allem die technischen und geopolitischen Aspekte betonen, bleiben gesellschaftliche Folgen oft unbeachtet.
Quelle: HSG Newsroom

Quanten-Technologien, insbesondere Quantencomputer, werden als Schlüsseltechnologien der Zukunft gehandelt. Sie könnten komplexe Probleme lösen, die für klassische Computer unzugänglich sind, etwa in der Medizin oder Kryptografie. Doch mit der Begeisterung für die technologischen Möglichkeiten gehen auch Bedenken einher: Datenschutz, Arbeitsplatzverlagerungen und geopolitische Machtverschiebungen. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St.Gallen (MCM-HSG) hat daher untersucht, welche Narrative in Medien, Wirtschaft und Politik vorherrschen und ob darin die gesellschaftlichen Folgen dieser Technologie beleuchtet werden.

Den Diskurs über 20 Jahre analysiert

Die Forschenden analysierten 2'331 Medienartikel, 165 Unternehmensberichte und 36 Regierungspapiere, die über einen Zeitraum von 20 Jahren erschienen sind. Mithilfe einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden identifizierten sie zentrale Themen und Narrative in der öffentlichen Debatte. Diese wurden in fünf Hauptkategorien eingeordnet:

  • Technische Aspekte & Anwendungen: Hier dreht sich alles um die Grundlagen der Quanten-Technologien, ihre Funktionsweise und mögliche Einsatzgebiete. Dazu gehören etwa Fortschritte in der Quantenkryptografie oder die Entwicklung neuer Medikamentenmodelle.
  • Geopolitik & globale Konflikte: Diese Kategorie beleuchtet, wie Quanten-Technologien in internationalen Machtspielen genutzt werden. Besonders das Wettrüsten zwischen den USA und China steht hier im Fokus.
  • Gesellschaft & soziale Auswirkungen: Hier geht es um die Frage, wie sich Quanten-Technologien auf die Gesellschaft auswirken, etwa durch neue Arbeitsmodelle, Bildungssysteme oder ethische Herausforderungen.
  • Nationale Technologie-Strategien: Regierungen weltweit entwickeln Strategien, um sich im Bereich Quanten-Technologie als Vorreiter zu positionieren. Dabei geht es oft um Forschungsgelder, wirtschaftliche Förderungen und politische Regulierung.
  • Wirtschaft & Marktentwicklung: Unternehmen und Investoren sehen in Quanten-Technologien eine Chance für bahnbrechende Innovationen. Diese Kategorie betrachtet Unternehmensstrategien, Finanzierungsrunden und Zukunftsprognosen.

Gesellschaftliche Folgen werden wenig thematisiert

Die Analyse zeigt, dass die Kategorien der technischen Entwicklungen und der wirtschaftlichen Potenziale dominieren: Unternehmen fokussieren sich stark auf kommerzielle Anwendungen (66,6 % der Berichte), während Regierungen sich vor allem mit nationalen Strategien (39,6 %) und technologischer Souveränität befassen. Medien bieten eine ausgewogenere Darstellung, doch auch hier liegt der Fokus auf technischen und politischen Aspekten. Gesellschaftliche Themen wie Bildung, Ethik und soziale Gerechtigkeit bleiben randständig. Auch die Implikationen für Arbeitsmärkte und Datenschutz sind unterrepräsentiert. Dazu Projektleiterin Prof. Dr. Miriam Meckel: «Es ist jetzt wichtig, Quantentechnologie verantwortlich zu entwickeln, sodass bei Marktreife alle gesellschaftlichen Gruppen davon profitieren können. Gerade beim Quantencomputing wird es ja nicht so sein, dass wir alle einen Quantencomputer auf dem Schreibtisch stehen haben, dafür ist die Technologie zu komplex und zu teuer. Wir werden aus der Cloud versorgt. Hier wäre es wünschenswert, wenn es nicht wieder nur eine Handvoll US-Unternehmen sind, die diesen Service anbieten.»

Ein Verständnis ist nötig, das über «Schrödingers Katze» hinausgeht

Die Studie macht deutlich: Die öffentliche Debatte um Quanten-Technologien braucht eine breitere Perspektive. Unternehmen sollten politische Entwicklungen besser im Blick behalten, um regulatorische Risiken zu minimieren. Regierungen wiederum müssen sicherstellen, dass nicht nur nationale Interessen, sondern auch soziale und ethische Fragen berücksichtigt werden. Für die Medien liegt die Herausforderung darin, das Themenspektrum auszuweiten und nicht nur technische Fortschritte, sondern auch deren gesellschaftliche Folgen zu beleuchten. Nur so kann eine verantwortungsvolle und inklusivere Gestaltung dieser bahnbrechenden Technologie gewährleistet werden. «Viele Menschen kennen Quantentechnologie nur über die Erzählung von Schrödingers Katze, die in einer Kiste gleichzeitig lebendig und tot sein kann, bis wir durch Öffnen der Box ihren tatsächlichen Zustand beobachten und entscheiden», so Miriam Meckel. «Das ist abstrakt und für viele auch unverständlich. Wir brauchen Narrative und Erklärungen, die die Chancen und Facetten der Technologie deutlich machen, denn die Kommunikation über eine neue Technologie bestimmt auch ihre Akzeptanz und Anwendung.»

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