Forschung - 14.04.2025 - 13:15
In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur galt bisher häufig: Wer ohne höhere Ausbildung einwandert, belastet den Staatshaushalt. Diese Sicht greift jedoch zu kurz, wie Dominik Sachs (Universität St.Gallen) und Mark Colas (University of Oregon) mit Blick auf die USA zeigen. Ihre im American Economic Journal: Economic Policy publizierte Studie nimmt eine andere Perspektive ein: Sie fragt nicht nur, wie viel Migranten selbst an Steuern zahlen und an Leistungen erhalten – sondern auch, wie sie das wirtschaftliche Verhalten und die Steuerzahlungen anderer beeinflussen.
Ein Beispiel: Ein mexikanischer Gärtner arbeitet für mehrere amerikanische Familien. Diese gewinnen dadurch Zeit, um selbst mehr zu arbeiten – und zahlen entsprechend mehr Steuern. Gleichzeitig erzielt auch der Eigentümer des Gartenbauunternehmens, das den Gärtner beschäftigt, höhere Gewinne – auch diese werden besteuert. Solche indirekten Effekte auf das Steueraufkommen wurden bisher in ökonomischen Studien nie berücksichtigt.
Die Studie basiert auf Daten und Institutionen der Vereinigten Staaten – dort zeigt sich: Selbst Migranten mit niedriger Bildung tragen in vielen Fällen positiv zum Staatshaushalt bei. In einem konservativen Szenario liegt der fiskalische Beitrag über indirekte Effekte bei rund 750 US-Dollar pro geringqualifziertem Einwanderer und Jahr – je nach Annahmen kann er jedoch auch bis zu 2000 Dollar betragen. Damit kann dieser Effekt die in anderen Studien oft genannten direkten fiskalischen Kosten mehr als ausgleichen – insbesondere bei geringqualifizierten Zuwandernden mit Schulabschluss.
Die Methodik der Studie verbindet ökonomische Theorie mit vorhandener empirischer Evidenz. Sie geht über eine rein buchhalterische Betrachtung hinaus und fragt, wie sich Migration auf das Verhalten anderer Marktteilnehmender auswirkt – etwa auf Löhne, Arbeitszeiten oder Gewinne. Diese Analyse werden in ein allgemeines Gleichgewichtsmodell integriert. Besonders hervorzuheben ist die Transparenz des Ansatzes: Statt auf komplexe Simulationsmodelle zu setzen, leiten die Autoren die Effekte nachvollziehbar aus bekannten statistischen Zusammenhängen ab.
Gerade vor dem Hintergrund von alternder Bevölkerung und zunehmendem Arbeitskräftemangel wirft die Studie ein neues Licht auf migrationspolitische Entscheidungen. Zwar lassen sich die Ergebnisse nicht 1:1 auf andere Länder wie die Schweiz übertragen – zu unterschiedlich sind Steuersysteme, Arbeitsmärkte und Zuwanderungsstrukturen. Dennoch liefert die Forschung wichtige Anstösse für eine differenzierte Debatte: Migration kann nicht nur gesellschaftlich, sondern auch fiskalisch wertvoll sein – wenn man die ganze Wirkungskette betrachtet.
Das Wall Street Journal griff die Studie auf und betonte, dass gerade die bislang wenig beachteten indirekten Effekte das Verständnis von Migration und Staatsfinanzen grundlegend erweitern können. The Economist zitierte die Studie jüngst in einem Beitrag, der gängige Argumente gegen Migration analysiert und ökonomisch einordnet.
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