Erfolg hat viele Gesichter. Hier schauen wir genauer hin und beleuchten, was die unterschiedlichen Menschen an der Universität St.Gallen antreibt. Hagr kam als Kind in die Schweiz. Sie hat viele verschiedene Interessen. Zum Beispiel gestaltet sie schon seit Beginn ihres Studiums den Healthcare Club sowie das Sicherheitspolitische Forum massgeblich mit. Im Interview verrät sie, wie sie ihren Weg erfolgreich gehen konnte.
Wer bist du, was machst du und wo stehst du derzeit?
Mein Name ist Hagr. Ich studiere Law and Economics an der Universität St.Gallen im Bachelor. Ursprünglich komme ich aus dem Irak. Als Kind bin ich in die Schweiz geflüchtet. Diese Erfahrungen haben mich stark geprägt. Ich bin mit verschiedenen Kulturen und Ansichten aufgewachsen und musste lernen, mit vielen unterschiedlichen Perspektiven umzugehen und Verständnis für andere zu entwickeln. Dies hat mich motiviert, in meiner Freizeit ehrenamtliche Arbeit zu leisten – beispielsweise in Form von der Durchführung öffentlicher Veranstaltungen über gesellschaftlich wichtige, auch polarisierende Themen beim Sicherheitspolitischen Forum (SPF).
Nebenbei bin ich noch beim Studentenparlament tätig. Ich vertrete dort die Studierenden der Law School. Zudem arbeite ich als Strategic Communication Advisor bei einem Start-up namens «Leading Nursing Homes», das von einem HSG-Alumnus gegründet wurde. Die Arbeit dort ist für mich wichtig, weil wir einen Qualitätsstandard für die Alters- und Pflegeheime in der Schweiz setzen wollen. In der irakischen Kultur ist der Respekt vor den Älteren sehr wichtig. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass dieser schöne Aspekt meines Heimatlandes auch in der Schweiz mehr Beachtung findet.
Was treibt dich an und was möchtest du im Leben erreichen?
Ich würde mich als Person beschreiben, die keine Angst vor Rückschlägen hat. Als wir in die Schweiz kamen, hatten wir praktisch nichts. Ich musste also lernen, aus dem Nichts etwas zu schaffen. Dies hat mich resilient gemacht. Schmunzeln muss ich, wenn mich andere Personen als erfolgreich beschreiben. Ich bin nicht die Beste im Erfolgreichsein, sondern eher die Beste, wenn es ums Nichtverlieren geht. Verlieren heisst für mich, nach einer Niederlage aufzugeben. Ich weiss deshalb von Anfang an, dass ich nicht verlieren werde – ganz einfach darum, weil ich nie aufgebe. Solange ich zumindest etwas aus einer Niederlage lerne, habe ich etwas gewonnen. Ich möchte in meinem Leben erreichen, dass auch andere ihren Wert nicht an den offensichtlichen Sieg oder die offensichtliche Niederlage knüpfen. Jede und jeder soll sich trauen, für die eigenen Wünsche einzustehen und auch weiterzumachen, wenn es schwer ist.
Was für Menschen mit welchen Perspektiven hast du an der HSG getroffen?
Ich habe hier sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven getroffen. Das zeigte sich auch in den Nebenfächern in Form des Kontextstudiums, das wir neben dem Hauptstudium absolvieren. Es gibt beispielsweise viele, die sich wie ich für Philosophie interessieren. Mit ihnen habe ich oft pausenfüllende Diskussionen über unterschiedlichste Themen. Manchmal selbstverständlich auch über banale, die uns zum Lachen bringen. Ich schätze das sehr. Es erweitert meinen Horizont. Wir sind so viele unterschiedliche Menschen hier, doch etwas verbindet uns alle: Wir möchten lernen, unser volles Potenzial zu nutzen und Innovationen herbeizuführen. Viele Menschen hier denken «Outside of the Box», das schätze ich sehr.
Inwiefern ist «From insight to impact» für dich erlebbar geworden?
Wir dürfen uns an der Universität entfalten und werden nicht in eine Box gesteckt, ganz im Gegenteil. Ich habe gelernt, zu meiner Meinung und zu mir selbst zu stehen, während ich gleichzeitig offener für die Perspektiven anderer geworden bin. Meinungsdifferenzen und Diskussionen habe ich hier schätzen gelernt. Wenn man verschiedene Perspektiven versteht, kann auch Neues entstehen. Das ist für Innovationen unabdingbar. Ich habe hier gelernt, warum es «Insight» benötigt, um «Impact» zu kreieren. Dies setze ich in meinen öffentlichen Veranstaltungen um.
Ich hole Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven auf die Bühne. Mit ihnen versuche ich Bereiche zu finden, in denen sie sich einig sind. Die letzte Veranstaltung beim Sicherheitspolitischen Forum haben wir in Kooperation mit dem St.Galler Tagblatt organisiert. Es war ein Panel über den Nahostkonflikt. Wir konnten einen sicheren Raum für verschiedenste Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu einem so kontroversen Thema kreieren. Dies war machbar, weil wir den Fokus auf «Insights» gesetzt haben – ins Thema, aber auch in die Sorgen des Gegenübers. Nur so ist «Impact» möglich, ohne selbst zur Polarisierung beizutragen. Ich bin froh, an einer Universität zu sein, die uns genügend Vertrauen schenkt, um unser Erlerntes auch auf diese Weise in die Praxis umzusetzen.
Warum hast du dich für die HSG entschieden?
Die Hauptgründe waren das Kontextstudium und der interdisziplinäre Ansatz, den die Universität verfolgt. Ich bin der Meinung, dass ich meinen Horizont nur durch die Kombination verschiedener Perspektiven erweitern kann und dass ich eines Tages Innovationen hervorbringen kann. Genau diese Chance wird mir hier geboten. Auch das Familiäre gefällt mir sehr. Die Lehrenden nehmen sich stets Zeit für unsere Anliegen. Und auch die Mitarbeitenden haben ein offenes Ohr, wenn man mal Rat von ihnen braucht. Viele meiner Freunde an anderen Universitäten überrascht dies, weil es bei ihnen anscheinend nicht so ist.
Inwiefern hat sich dein Blick auf die Universität und dein Studium verändert?
Dass ich an der Universität St.Gallen studiere, habe ich noch keinen Tag bereut. Im Gegenteil: Es gab keine bessere Entscheidung, die ich hätte treffen können. Ich bin endlich an einem Ort, an dem ich keine Angst davor habe, komplett ich selbst zu sein. Ich kann meinen Leidenschaften nachgehen und werde dazu sogar ermutigt und dabei unterstützt.
Viele denken, die Menschen hier seien alle 08/15 und erfüllten das Klischee eines «Finance Bros». Natürlich gibt es solche, wie an jeder Wirtschaftsuni auch. Aber hier habe ich gelernt, weshalb Klischees oft nicht der Wahrheit entsprechen. Manche Leute würden staunen, mit wie vielen Menschen man sich versteht, sobald man seine Vorurteile beiseitelegt. Davon abgesehen ist es ohnehin nicht fair, Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Interessen in eine Schublade zu stecken. Ein weiterer Vorteil der HSG ist: Dank den kleinen Klassen in den Übungsgruppen kann ich mit den verschiedensten Menschen in Kontakt kommen und Freundschaften schliessen, die an einem anderen Ort vielleicht nicht entstanden wären.
Wie hast du dich bei deiner Studienentscheidung gefühlt?
Als ich mich für ein Studium an der Universität St.Gallen entschied, war ich mir noch unsicher, was ich konkret studieren möchte. Meine Interessen sind sehr breit gefächert. Genau deshalb wählte ich die HSG. Der interdisziplinäre Ansatz ist hier wirklich besonders. Meine Mentorin, eine HSG-Alumna, sagte zu mir: «Wenn du an der Universität St.Gallen studierst, spielt es keine Rolle, was du genau studierst. Jeder weiss: Wer hier seinen Abschluss gemacht hat, kann sich dank den verschiedenen Fächern langfristig in den unterschiedlichsten Positionen behaupten.» Das hat mir meine Unsicherheit genommen.
Wem würdest du das Studium weiterempfehlen und warum?
Ich empfehle jedem das Studium an der Universität St.Gallen, der mit seinem Wissen in die Tiefe gehen möchte und lernen will, Probleme aus allen möglichen Winkeln zu betrachten. Besonders diejenigen werden hier geschätzt, die innovativ denken und keine Scheu davor haben, bestehende Systeme zu hinterfragen. Dank dem Kontextstudium ist das Studium auch für Menschen zu empfehlen, die Wert auf gesellschaftlich wichtige Debatten legen und die sich wie ich für Themen wie Geschichte und Philosophie interessieren. Hier wird jede Person Fächer finden, die die eigenen Interessen abdecken und mit der jeweiligen Studienrichtung kombinierbar sind.
Wie hast du als Frau dein bisheriges Studium erlebt?
Um ehrlich zu sein, erlebe ich mein Studium ganz normal. Dass ich eine Frau bin, spielt an der HSG für niemanden eine Rolle. Ich finde Beachtung für meine Leistungen, und das ist für mich das Wichtigste. Ich finde Anerkennung für meine Stärken und werde nicht auf mein Geschlecht reduziert. So, wie es bei jedem Menschen sein sollte. Wir sind hier alle Studierende – that’s it.
Wie erlebst du die Community für Frauen an der HSG?
Offen gestanden habe ich mir diese Frage noch nie gestellt. Ich fühlte mich an der Universität St.Gallen von Anfang an wohl und musste nie hinterfragen, ob ich wegen meiner Herkunft oder meines Geschlechts benachteiligt werde. Die Gruppen, die ich besonders schätze, sind zugänglich für alle: Es sind die über hundert studentischen und ehrenamtlichen Vereine. Selten konnte ich in meinem Leben so viele praktische Erfahrungen sammeln und wurde dabei von Expertinnen und Experten so toll unterstützt. Das ist wirklich etwas, das es – glaube ich zumindest – so in der Schweiz nicht gibt.
Welche Erkenntnisse hast du für dein Leben gewonnen?
Ich konnte mir hier eine «Macher»-Mentalität aneignen. Ich habe gelernt, Sachen auszuprobieren und Herausforderungen nicht zu scheuen. Wenn ich bei einem meiner Projekte in den Vereinen mal nicht weiterkomme, kann ich stets bei den Professorinnen und Professoren nachfragen. Auch die Mitarbeitenden, die in organisatorischen Angelegenheiten Expertinnen und Experten sind, unterstützen mich mit Rat und Tat. Ich habe auch gelernt, dass es keine Schande ist, um Hilfe zu fragen. Auf lange Sicht gesehen macht uns das selbstständiger und lehrt uns, dass man gemeinsam weiter kommt als alleine.
Wie hat dich dein Studium verändert?
Ich bin mutiger und offener geworden. Das ist etwas, das nun mal nicht nur durch theoretisches Wissen kommt. Es benötigt eine solche Community, wie wir sie hier haben. Wir Studierenden an der HSG sind keine anonymen Gesichter – jeder und jede von uns hat die Möglichkeit, den eigenen Interessen nachzugehen und sich individuell Unterstützung zu holen.
Inwieweit inspiriert dich dein Studium zum Unternehmertum?
Mein Studium hat mich dazu inspiriert, lieber etwas zu versuchen und aus den Niederlagen zu lernen, als nie etwas zu versuchen und gar nichts zu lernen. Wir sind hier, um zu studieren. Gleichzeitig bin ich an der HSG dazu inspiriert worden, dass Probieren manchmal über Studieren geht. Ich denke, nur so kann man Innovation herbeiführen. Denn Innovation heisst, etwas zu probieren, das andere noch nicht gemacht haben. Das benötigt viel Mut. Die Universität St.Gallen bietet mir einen sicheren Rahmen und die Unterstützung von Expertinnen und Experten, um Sachen auszuprobieren.
Wie siehst du die Zukunft und deine nächsten beruflichen Schritte?
Meine nächsten beruflichen Schritte beinhalten zum einen die Qualitätsförderung der Schweizer Alters- und Pflegeheime, die mir am Herzen liegt. Was danach kommt, kann ich noch nicht sagen. Ich möchte meinen Horizont offenhalten und meinen eigenen Weg finden. Und ich möchte einen Beitrag dazu leisten, das gegenseitige Verständnis in der Welt zu fördern und die Lebensumstände derjenigen Menschen zu verbessern, die nicht so viel Glück haben wie ich. Dabei denke ich besonders an die Menschen im Irak. Solange man seine eigenen Werte kennt und weiss, was einem wichtig ist, wird man dorthin finden, wo man hingehört.
Welchen Tipp möchtest du Studieninteressierten geben?
Man muss nicht immer alles zu hundert Prozent wissen. Falls ihr wie ich viele verschiedene Interessen habt, ist die Universität St.Gallen der perfekte Ort für euch. Hier werden euch die verschiedensten Türen geöffnet. Dank den zahlreichen Angeboten könnt ihr während des Studiums lernen, wo sich eure Leidenschaft befindet, und euch langfristig darauf spezialisieren. Ich kam mit dem Ziel hierhin, International Affairs zu studieren. Letztlich bin ich bei Law and Economics gelandet. An einer anderen Universität hätte ich meine Leidenschaft für Wirtschaft und Recht vermutlich nie entdeckt.
Zum Zeitpunkt des Interviews ist Hagr Arobei