Leute - 14.05.2024 - 14:00
Als Hagr Arobei als 5-jährige in die Schweiz kam, dachte sie, das müsse das Paradies sein. «Die Menschen hier verstehen nicht, wie sehr man eine Toilette schätzen muss», sagt sie. Denn auf der Flucht über das Mittelmeer lebten Arobei und ihre Familie immer wieder unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie kann sich jedoch auch an ihr Zuhause vor der Flucht erinnern. Damals fehlte es ihnen an nichts, wie sie sagt.
Mit dem Kriegsausbruch wurde die Situation jedoch zu gefährlich und so flüchtete Hagr Arobei gemeinsam mit der Mutter und der Schwester in die Schweiz. Ihr Vater blieb zurück. Bis heute arbeitet er als Arzt im Irak, worauf sie stolz ist. «Mein Vater ist einer der wenigen Ärzte, die geblieben sind», sagt sie. Zwei Mal im Jahr kommt der Vater die Familie besuchen. Arobei selbst war im Jahr 2022 zum ersten Mal wieder zurück im Irak.
Auch wenn Sie ihr Heimatland verlassen musste und ihren Vater selten sieht, ist sie dankbar, welche Chancen sich dadurch aufgetan haben. Denn dass viele andere in ihrem Heimatland diese Chancen nicht erhielten, weiss sie nur zu gut. Das wollte sie nutzen und der Schweiz gleichzeitig etwas zurückgeben. Dazu musste sie jedoch erstmal die Sprache erlernen. «Meinen ersten Roman habe ich mit neun gelesen», sagt Arobei. «Ich konnte zwar noch nicht gut Deutsch, aber ich war motiviert, wollte unbedingt Bücher lesen und die Sprache beherrschen.»
Heute studiert sie im Assessment Jahr, hat einen Job als Financial Analyst und engagiert sich zudem als Head of Events für den Healthcare Club der HSG. Für diesen Verein organisiert sie eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema «Kostenexplosion im Gesundheitswesen». Dafür konnte sie einige prominente Gäste gewinnen. Zu den Referierenden gehören unter anderem Sabine Bruckner, Geschäftsführerin von Pfizer Schweiz, Fridolin Marty, Leiter Gesundheitspolitik bei economiesuisse oder Regine Sauter, Nationalrätin und Präsidentin von «H+» der nationale Spitzenverband der öffentlichen und privaten Schweizer Spitäler.
Entscheidend ist für die Studentin vor allem, dass die Podiumsdiskussion für jeden und jede zugänglich ist. «Ich will, dass die Leute kommen und Fragen stellen können», sagt sie. «Es ist schliesslich die Bevölkerung, welche am 9. Juni über drei Vorlagen zum Gesundheitswesen abstimmen wird.» Man spürt, dass ihr das Thema am Herzen liegt. Die Gründe für Arobeis Interesse am Gesundheitswesen sind vielfältig. Zum einen kommt sie aus einem Land, wo die medizinische Versorgung schlecht ist und es zu wenig Ärzte gibt, und zum anderen musste sie selbst eine schwere Krankheit überstehen.
Bereits im Jahr 2021 studierte die gebürtige Irakerin nämlich im Assessmentjahr an der HSG. Damals erkrankte sie jedoch am pfeiffer’schen Drüsenfieber und hatte eine Milz – und Leberentzündung. «Es hat mich ziemlich heftig erwischt», so Arobei. «Mir ging es etwa ein halbes Jahr richtig schlecht.» Obwohl sie fast keine Zeit zum Lernen aufbringen konnte, schrieb sie die Prüfungen. Rückblickend ist sie froh, dass sie es versucht hat und Erfahrungen sammeln konnte.
Jetzt studiert sie zum zweiten Mal an der HSG, arbeitet nebenbei und führt das Ehrenamt beim Healthcare Club aus. Das Assessment Jahr ist auch ohne Nebentätigkeiten ein harter Brocken. Wie schafft es Hagr Arobei alles unter einen Hut zu bringen? «Der Trick ist gutes Zeitmanagement. Ich versuche immer möglichst effizient zu sein, weil ich es mir nicht erlauben kann, mich im Kreis zu drehen. Deshalb erstelle ich mir einen Arbeitsplan, bevor ich zu lernen beginne», sagt sie.
So schaffe sie es jeden Tag produktiv zu sein und am Wochenende ihre Freunde zu sehen. Dies sei wichtig, um einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit zu schaffen. Sie betont jedoch auch: «Die Arbeit macht mir wirklich Freude und zeigt mir, dass ich am richtigen Ort bin.» Und wo wird dieser Ort in Zukunft sein? «Neben dem Gesundheitswesen interessieren mich zum Beispiel auch Menschrechte. Ich lese viele Artikel darüber.» Dies liesse sich auch gut kombinieren, da Menschrechte viele Gesundheitsaspekte beinhalte. Eines weiss Hagr Arobei ganz sicher: «Ich möchte auf jeden Fall etwas machen, wo ich anderen Menschen helfen kann.»
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