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Hintergrund - 02.07.2024 - 15:00 

Tessin und Wallis: Tourismusaussichten für diesen Sommer

Die starken Regenfälle, Unwetter, Überschwemmungen, Erdrutsche und Murgänge im Tessin und im Wallis haben Brücken zum Einsturz gebracht und wichtige Verkehrsachsen beschädigt. Wie wirkt sich die Lage in den beiden Regionen auf die diesjährige Sommersaison aus? HSG-Tourismusexperte Pietro Beritelli ordnet ein.

Der Monat Juli ist Hauptferienzeit. Tessin und Wallis sind zusammen mit Graubünden die grossen Bergkantone der Schweiz. Aufgrund der dramatischen Naturereignisse rechnet HSG-Professor Pietro Beritelli mit einem Rückgang von Kurzaufenthalten und Tagesausflügen in den betroffenen Regionen. Wegen der aktuellen Schlechtwetterlage und Verkehrsbehinderungen werden Besucher:innen Kurzferien verschieben oder absagen. Die Sommersaison sieht der Tourismusexperte davon aber nicht betroffen. «Die lokal zerstörte Nord-Süd-Achse A13 wird voraussichtlich bereits ab 5. Juli wieder einspurig befahrbar sein. Wer nach Italien oder an die Adria will, kann die A13 auch grossräumig via Österreich oder via Alpenpässe umfahren.» Aktuell handle es sich um lokale Ereignisse, ganze Talschaften oder Regionen seien nicht betroffen.

Über Umwege ans Ziel 

Ausgehend vom «Besucherstrom-Ansatz» müsse man zwischen verschiedenen Gruppen unterscheiden, erklärt Pietro Beritelli. «Es gibt Reisende, deren Ziel das Tessin oder das Wallis ist. Diejenigen, die einen längeren Aufenthalt planen, und die Durchreisenden.» Bei Gegenden wie dem Valle Maggia oder kleinen Bergtälern, die nicht stark frequentiert sind, müssen Tourist:innen situativ entscheiden, so Beritelli. Wer einen längeren Aufenthalt gebucht hat, werde seine Ferien wie gewohnt machen können und sich vor Ort entsprechend anpassen. Durchreisende auf der Nord-Süd-Achse in Richtung Italien und Adriaküste werden mehr Anreisezeit einplanen. Wie auch eine Studie zu Zeiten der Pandemie gezeigt hat, so Beritelli: «Der Mensch ist getrieben, Neues zu entdecken oder an gewohnte Orte zu reisen – trotz der Gefahr, sich neu anpassen zu müssen und mit einem gewissen Risikoverständnis eine Lösung zu finden.» 

Keine Panik, aber Respekt

«Reisen ist immer ein Risiko», sagt Pietro Beritelli. Wetterrisiken müssten einkalkuliert werden. Ebenso müsse man bei Flügen zunehmend mit Turbulenzen rechnen. Wichtig sei eine gute Vorausplanung: «Nicht nur die Hinreise ist für einen gelungenen Urlaub wichtig, sondern auch die Frage, wie ich wieder nach Hause komme.» So hat etwa die offizielle Tourismusorganisation des Wallis auf der Webseite valais.ch auf mögliche Routen und den Zustand der Strassen hingewiesen. «Tourismusorganisationen sind Informationsträger», führt Beritelli aus. Sie informieren sachlich und neben den Unterkünften auch über die Situation in der gesamten Region. Bei Bedarf stellen sie beispielsweise in Zusammenarbeit mit den Hotels die Versorgung sicher. Die Krisenkommunikation in akuten Notsituationen liege aber eher in den Händen der Gemeinden, erklärt Beritelli. Wer Warnungen und Prognosen für ein Land sucht, findet diese in den Empfehlungen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). 

Laut Pietro Beritelli ist das Image der Schweiz als Reiseland gut. «Das zeigen auch die Übernachtungszahlen, obwohl die Preise im internationalen Vergleich hoch sind.» Der Alpenkamm zwischen dem Tessin und dem Wallis bietet herrliche Landschaften zum Wandern. Die Täler sind in der Regel gut erreichbar und die sauberen Seen laden zum Baden ein. «Viele Leute, die wandern gehen, haben schlechte Schuhe auf relativ leichten Strecken. Vor 100 und 200 Jahren, waren Menschen den Wettergefahren viel mehr ausgeliefert und hatten ein besseres Gefühl für die Natur und das Gelände», betont Pietro Beritelli. Im hochalpinen Gelände sei es beim Wandern, Biken oder Skifahren besonders wichtig, gut vorbereitet und ausgerüstet zu sein. 

Festivalzeit: OpenAir-Events sind besonders gefährdet 

Sommerzeit ist Festivalzeit. Das «OpenAir St.Gallen» im Sittertobel ging dieses Wochenende trotz Regen und Gewittern erfolgreich über die Bühne. Grossveranstalter in Regionen mit Sicherheitsrisiken stehen jedoch vor logistischen Herausforderungen. OpenAir- und Festivalbesucher sind gemäss des Besucherstrom-Ansatzes die grösste Risikogruppe, sagt Pietro Beritelli. «Wenn Veranstalter von der Wetterdynamik überrascht werden, kommt es zu Unfällen und Infrastrukturen brechen zusammen.» Sturmböen, Windhosen und Orkane werden in Zukunft zunehmen. «Das OpenAir in St.Gallen ist oft verregnet, aber das Sittertobel liegt bei Gewitter geschützter als flaches Gelände, wie wir es beispielsweise aus Deutschland, Dänemark und Holland kennen.» Freiflächen seien stärkeren meteorologischen Ereignissen ausgesetzt. «Der diesjährige Sommer ist speziell. Anlässe mussten abgesagt oder verschoben werden. Aus Image- und wirtschaftlichen Gründen versuchen die Veranstalter aber immer, die Veranstaltungen durchzuführen.» So wurden zum Beispiel die St.Galler Festspiele aufgrund der Wetterlage auf den Flumserberg verlegt. 

Tipps für Schlechtwettertage unter: ticino.ch und valais.ch


Bild: Nufenenpass zwischen den Kantonen Wallis und Tessin (Adobe Stock / matho)

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