Forschung - 04.11.2025 - 10:00
Die Geschehnisse rund um die Aktie des US-Computerspielhändlers Gamestop Anfang 2021 waren ein finanzielles Beben, das die Machtverhältnisse an der Wall Street kurzzeitig auf den Kopf stellte und weltweit Schlagzeilen machte. Eine Armee von Kleinanleger:innen trieb damals, über soziale Medien koordiniert, den Wert der Gamestop-Aktie in die Höhe und agierte damit erfolgreich gegen einige der größten Hedgefonds, welche auf einen fallenden Kurs gewettet hatten.
Das Beispiel Gamestop zeigt, dass Kurse an den Finanzmärkten nicht nur wegen wirtschaftlichen Kennzahlen oder politischen Ereignissen stark schwanken können. Privatinvestorinnen und -investoren teilen Nachrichten, Gerüchte und Meinungen über Aktien oder Kryptowährungen zunehmend über soziale Plattformen und passen ihre Erwartungen basierend auf diesen Informationen laufend an. Diese kollektive Kommunikation beeinflusst, wie sich Informationen verbreiten und letztlich, wie sie in Marktpreise einfließen.
«Leider wurde in der bisherigen Literatur der Einfluss solcher sozialer Interaktionen auf die Marktdynamik noch nicht im Detail analysiert», sagt Prof. Dr. Francesco Audrino vom Fachbereich für Statistik und Mathematik an der Universität St.Gallen (HSG). Unter seiner Leitung sollen deshalb in einem neuen vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) mit CHF 601'810 geförderten Forschungsprojekt diese «Financial Social Networks» vermessen und analysiert werden. Ziel ist es, die Struktur dieser Netzwerke und ihre zeitliche Dynamik zu erfassen.
Mithilfe dieser Daten wollen die Forschenden neue Verfahren zur Vorhersage von Schwankungen an Finanzmärkten und der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Vermögenswerten entwickeln. Das ermöglicht genauere Prognosen über Risikoentwicklungen und kann sowohl professionellen Risikomanager:innen als auch privaten Investor:innen helfen, ihre Portfolios stabiler zu gestalten. Darüber hinaus wollen die Forschenden untersuchen, ob und wie sich diese Finanznetzwerke auf die volkswirtschaftliche Stabilität auswirken. Wenn sich dabei Muster zeigen, könnten sie als Frühwarnsignale für Marktstress oder drohende Finanzkrisen dienen. Langfristig sollen die Erkenntnisse dann in ein webbasiertes Analysetool einfließen, das Finanzinstitutionen und Aufsichtsbehörden helfen soll, systemische Risiken früher zu erkennen.
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