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Campus - 15.10.2025 - 10:00 

HSG-Absolvent Baris Erdal: «Dank Holokratie arbeiten wir schneller»

In der Holokratie organisieren sich Teams weitgehend selbst. HSG-Absolvent Baris Erdal setzt in seiner Agentur Tincan seit Jahren auf dieses Organisationsmodell. Und auch HSG-Forschende untersuchen, was es für das Gelingen der Holokratie braucht.
HSG-Absolvent Baris Erdal bei einem Videodreh für seine Agentur Tincan.

«Wenn ich in einem Meeting meinen Punkt eingebracht habe, klinke ich mich nach zehn Minuten aus, falls ich zu anderen Themen nichts beitragen kann. Wir wollen unnötige Zeit in Sitzungen vermeiden», sagt Erdal. Der 32-Jährige ist Partner und einer der ersten Mitarbeitenden der Kreativ- und Digitalagentur Tincan. Heute arbeiten 34 Personen in Zug und Zürich für die Agentur. Diese ist nach den Prinzipien der Holokratie aufgestellt. Das Ziel dieser Organisationsform: Agilität statt starrer Hierarchien, Effizienz statt Meetingmarathons.

Tincan ist dafür in vier sogenannte «Kreise» gegliedert, die jeweils einem Fachgebiet wie beispielsweise digitalem Marketing oder Film und Foto entsprechen. Jeder Kreis verfügt über ein eigenes Budget und soll möglichst selbständig arbeiten. Klare Rollen und definierte Kompetenzen für alle Mitarbeitenden erleichtern diese Autonomie. Geplante bereichsübergreifende Meetings finden nur alle zwei Monate statt; die laufende Abstimmung erfolgt meist über die Projektmanagement-Software Asana.

«Holokratie ermöglicht jeder einzelnen Person im Team eine grosse Entscheidungsfreiheit und klare Zuständigkeiten», sagt Erdal. «Ich denke, unsere Kunden schätzen die kurzen Wege und schnellen Umsetzungen, welche durch die hohe Selbständigkeit der Mitarbeitenden möglich sind.» 

Weniger Bürokratie, kurze Entscheidungswege

Die Holokratie wurde ursprünglich von einem US-amerikanischen Unternehmer entwickelt, der daraus ein Schulungs- und Softwaregeschäft machte. Sie soll Hierarchien abbauen, Bürokratie reduzieren und Entscheidungswege verkürzen. «Wir arbeiten mehrheitlich seit 2020 mit diesem Ansatz. Natürlich kann es auch hier zu Konflikten kommen und je nach Projekt gibt auch mehr Abstimmungsbedarf – aber grundsätzlich passt Holokratie zu unserem jungen Team», sagt Erdal.

Tincan entstand ursprünglich als Filmproduktionsfirma, gegründet von Raphael Willi und Peter Niederberger, zwei Studienkollegen von Baris Erdal. Heute betreut das Unternehmen Kunden wie SRF, den Kanton Zürich, Siemens oder Zuger Kantonalbank und bietet verschiedenste Marketing- und Kommunikationsleistungen an.

HSG-Studium: Praxiserfahrung, Netzwerk und Unternehmerwissen

Erdal schloss 2018 seinen Master an der HSG ab. Zwei Jahre später verliess er mitten in der Pandemie eine sichere Stelle bei der Schweizerischen Post, um wieder bei Tincan einzusteigen – damals mit acht Mitarbeitenden. «Meine Eltern waren etwas besorgt», erinnert er sich lachend. «Aber ich wollte mit Freunden etwas Eigenes in einem beweglichen Team aufbauen.»

Nach seinem Bachelor in Medien- und Filmwissenschaft an der Universität Zürich sei der HSG-Master die ideale Ergänzung gewesen. «Ich habe an der HSG ein breites Wissen in Unternehmensführung erworben, praktische Erfahrungen in Projekten gesammelt und mir ein wertvolles Netzwerk aufgebaut.»

Seit 2020 wächst Tincan kontinuierlich. 2025 kamen auch zwei Mitarbeitende in Genf hinzu. «Unser Ziel ist, künftig nationale Kampagnen in allen Sprachregionen umzusetzen und in verschiedenen Regionen präsent zu sein.», sagt Erdal. 

Mit zunehmender Grösse werde die Holokratie zwar anspruchsvoller, doch das Prinzip bleibe zentral: «Tincan wurde von Freunden gegründet, ist organisch gewachsen und in unserer Heimatstadt Zug verwurzelt. Mitsprache und Beteiligung aller Mitarbeitenden sowie kurze Entscheidungswege gehören seit jeher zur DNA der Agentur.» Auch finanziell: Alle Mitarbeitenden können nach zwei Jahren Aktien erwerben. Erdal: «Wir glauben, dass dieses Modell auch hilft, Talente langfristig zu gewinnen.»

 


Die HSG-Forschenden Lena Rudolf und Jonas Friedrich forschen intensiv zum Thema Shared Leadership, Holokratie und Demokratie am Arbeitsplatz. Mehr zu ihrer Forschungsarbeit finden Sie hier.
 

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