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Hintergrund - 15.08.2025 - 09:30 

Der Pharmastandort Schweiz könnte sogar von Trumps Politik profitieren

Die von Donald Trump angedrohten Zölle auf Medikamente liegen der Schweizer Pharmabranche schwer auf dem Magen. Die politischen Tendenzen in den USA bergen aber neben Gefahren auch Chancen für den Schweizer Pharmastandort, wie eine Analyse unter Mitwirkung der HSG zeigt.

Lange Zeit konnten sich internationale forschungsbasierte Pharmaunternehmen auf die USA verlassen: als Innovationsmotor, Talentschmiede und lukrativer Absatzmarkt. Das Modell war klar: Die USA lieferten Spitzenforschung und hochpreisige Märkte, während global agierende Konzerne, darunter viele mit Hauptsitz in der Schweiz, diese Strukturen nutzten, um ihre eigene Forschung und Entwicklung (F&E) voranzutreiben.

Doch diese Grundlage bröckelt. Die US-Regierung unter Donald Trump hat ein Bündel an Massnahmen beschlossen oder angekündigt, welche starke Auswirkungen auf die internationalen Pharmaunternehmen haben dürften. Dazu zählen etwa Kürzungen der staatlichen Forschungsförderung im biomedizinischen Bereich, was den Innovationsmotor USA lähmen könnte. Auch die vorgenommenen Budgetstreichungen bei der amerikanischen Medikamenten-Zulassungsbehörde, der Food and Drug Administration (FDA), könnten sich negativ auf die schnelle Testung und Einführung von neuen Verfahren und Medikamenten auswirken. Die Trump-Regierung will ausserdem die Zulassung von ausländischen Studierenden beschränken, was den Talentpool für den Forschungsstandort USA schmälern könnte. Hinzu kommt der politische Druck auf die derzeit hohen Medikamentenpreise in den USA, der die Einnahmen von internationalen Pharma- und Biotechfirmen erheblich gefährden könnte.

Die Folgen für die Schweizer Pharmaindustrie

Schweizer Pharmariesen wie Novartis oder Roche betreiben zwar auch hierzulande eigene F&E, sind dabei aber stark auf US-basierte Forschung, Wissenschaftler:innen und klinische Studiennetzwerke angewiesen. «Nehmen wir ein bekanntes Beispiel: Vas Narasimhan, derzeitiger CEO von Novartis, hat in den USA an der University of Chicago, der Harvard Kennedy School und der Harvard Medical School studiert», sagt Prof. Dr. Oliver Gassmann. Er hat zusammen mit Dr. Alexander Schuhmacher für die HSG an der Analyse mitgearbeitet, die im wissenschaftlichen Journal «Drug Discovery Today» erschienen ist. Weniger US-Forschung bedeutet zudem weniger Grundlagenwissen und weniger öffentlich geförderte Entdeckungen, von denen auch Schweizer Unternehmen bislang profitierten. Die US-amerikanische Universitäten spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie im biomedizinischen Bereich weltweit führend sind.

Strategische Antworten auf unsichere Zeiten

Die Autoren empfehlen Pharmaunternehmen, jetzt in strategische Resilienz zu investieren. Dazu gehört, F&E-Standorte stärker zu diversifizieren – also den Anteil ausserhalb der USA auszubauen, insbesondere in Europa und Asien. Ebenso wichtig ist es, eigene Innovationskapazitäten zu stärken, anstatt sich primär auf US-Biotech-Zulieferungen zu verlassen. Ein weiteres zentrales Element ist die Zusammenarbeit mit internationalen Forschungseinrichtungen ausserhalb der USA. Digitale, dezentrale klinische Studien könnten die Abhängigkeit von US-Infrastrukturen mindern. Organisationsmodelle sollten so flexibel sein, dass Forschungsaktivitäten je nach geopolitischer Lage verlagert werden können – ein Ansatz, den die Autoren der Analyse als «atmende Organisation» bezeichnen.

Schweiz als strategischer Ankerpunkt

Für die Schweiz ergibt sich aus den derzeitigen Umbrüchen auch eine Chance: «Mit ihren international renommierten Universitäten im biomedizinischen Bereich – allen voran der ETH –, einer starken inländischen Pharmaindustrie und dem führenden Biotech-Hub in Basel verfügt die Schweiz über ideale Voraussetzungen, um die sich abzeichnenden geopolitischen Veränderungen in der pharmazeutischen Industrie als Chance zu nutzen», so Dr. Alexander Schuhmacher. Damit diese Chance ergriffen werden kann, seien nun verstärkte Investitionen in Schweizer Spitzenforschung, eine bessere Förderung innovativer Biotech-Start-ups und mehr Risikokapital nötig, sowie «ein politisches Verständnis dafür, dass medizinische Innovation ihren Preis hat.» So könne künftig ein wesentlicher Teil der Pharma-Wertschöpfung, insbesondere die Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe, aus der Schweiz heraus vorangetrieben werden.

Bild: Adobe Stock

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