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Hintergrund - 25.10.2021 - 00:00 

KMU-Tag: Die Mehrheit wünscht sich eine neue Ära

Wie sieht der Alltag der KMU nach der Pandemie aus? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt erreicht, um die Weichen neu zu stellen? Oder zeigt der Weg eher wieder Richtung alter Normalität? Diese Fragen eröterte der Schweizer KMU-Tag 2021. Rund 1000 Teilnehmende aus Wirtschaft, Politik und Kultur trafen sich nach einem Jahr Unterbruch in der OLMA-Halle 9.

25. Oktober 2021. «KMU und Überraschungen – Knall auf Fall» lautete der Titel des Schweizer KMU-Tages. Tobi Wolf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am KMU-HSG, eröffnete als Gastgeber den Reigen der Referate mit der Vorstellung der KMU-Tag-Studie. Sie wird jeweils im Vorfeld der Tagung unter KMU-Führungskräften durchgeführt. Unsicherheit wird heute in allen Branchen als sehr hoch wahrgenommen, lautete eine Erkenntnis der Befragung. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zunahme nicht nur leicht, sondern deutlich ausgefallen. «In welchen Bereichen erwarten Sie mittel- bis langfristig die grössten Quellen von Unsicherheit für Ihr Unternehmen?», war eine der Fragen in der KMU-Studie. Fachkräftemangel, Cybervorfälle und Probleme bei Lieferketten und Materialbeschaffung wurden am häufigsten genannt.

Die Welt verändert sich rasant

Tobi Wolf nannte in seinem Referat drei Bereiche, die sich durch die Pandemie besonders auffällig verändert haben: Die Arbeitswelt mit der Umstellung auf Home Office und digitale Meetings, das Konsumverhalten mit der Zunahme von kontaktlosem Bezahlen und digitalem Einkaufen sowie die Entstehung von Solidaritätsaktionen wie Einkaufshilfe in der Nachbarschaft oder verstärkter Trend zu Regionalität. In diesem Umfeld seien neue Chancen für Geschäftsmodelle und Innovation entstanden.

Die grosse Frage sei nun, wohin sich die KMU-Welt entwickle, erklärte Tobi Wolf weiter. Die KMU-Studie zeige, dass sich die Mehrheit den Aufbruch in eine neue Ära wünschten. Knapp 60 Prozent seien der Meinung, dass nun der richtige Zeitpunkt für eine Wende sei. Rund 26 Prozent gaben an, sie nähmen es so, wie es kommt, rund 15 Prozent wünschten sich eine Rückkehr zur alten Normalität. Um sich kontinuierlich an eine komplexe, turbulente und unsichere Umwelt anzupassen, brauche es Agilität, Neugier und die Lust an Neuem, zeigte sich der wissenschaftliche Mitarbeiter am KMU-HSG überzeugt.

Genügend Liquidität, Eigenkapital und Reserven

Das Referat von Konrad Hummler, ehemaliger Privatbankier, trug den Titel «Neue Robustheit – Wirklichkeit oder nur Wunsch?» Bei unvorhergesehenen Ereignissen spiele das sogenannte Titanic-Problem oft eine unrühmliche Rolle, erklärte er. Sorglosigkeit und Überheblichkeit, mangelnde Intelligenz, zu wenige Rettungsboote und Eindämmungsversuche ohne Wirkung hätten die Katastrophe damals begünstigt. Als Schutzmassnahmen gegen Katastrophen empfahl er genügend Liquidität, Eigenkapital und Reserven. Mit der Kurzarbeit verfüge die Schweiz zudem über ein sehr gutes Instrument, um schwierige Zeiten zu überbrücken.

Gut beraten seien Unternehmer, wenn ihnen bewusst sei, dass es im Leben auch Freunde und Familie brauche. Auf die ehemaligen Turbulenzen bei seiner Privatbank Wegelin angesprochen, erklärte er, in jener Zeit hätten sich ernsthafte gesundheitliche Probleme bemerkbar gemacht, welche die geschäftliche Krise relativiert hätten. «Damals wurde mir sehr stark bewusst, was Freunde und Familie im Leben bedeuten.»

Unverhofft zum Gemeindepräsident gewählt

Schauspieler, Musiker und Kulturvermittler Christian Jott Jenny erzählte mit Humor, wie er per Januar 2019 unverhofft als Gemeindepräsident von St.Moritz gewählt wurde. Nach dem Vorbild von Glarus setzt er sich für eine Gemeindefusion mit den Nachbarorten Silvaplana und Sils ein. Dies werde ihn höchstwahrscheinlich die Wiederwahl kosten, da er mit dieser Idee wenig Ruhm einfange, betonte er. Trotzdem sei er überzeugt, dass eine Fusion vielfältige Vorteile für das Tal und die einzelnen Orte bringen würde.

Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich, warf die Frage auf, ob unser Gehirn vernünftig sei. Auf unterhaltsame Weise erklärte er, wie das Hirn unser Denken, Handeln und Fühlen beeinflusst und dies manchmal nur am Rande mit Vernunft zu tun hat. Dennoch sei es ein unglaublich beeindruckendes Denkorgan. Im Dezember 2019 überquerte Gabi Schenkel alleine in einem Ruderboot den Atlantik. In ihrem Referat «Den Horizont immer vor Augen» berichtete sie von den Höhen und Tiefen, die sie während der über zwei Monate auf Hoher See erlebte.

Angeboten und durchgeführt wurde der KMU-Tag vom Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St.Gallen (KMU-HSG) und von der Agentur alea iacta ag. Dem Patronatskomitee, das von Urs Fueglistaller, Direktor KMU-HSG, präsidiert wird, gehören Mitglieder des Schweizerischen Gewerbeverbands, von economiesuisse, der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell und des Kantonalen Gewerbeverbands St.Gallen an. Moderiert hat die Tagung Steffi Buchli, Sportchefin beim «Blick».

Weitere Informationen: www.kmu-tag.ch

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