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Hintergrund - 14.10.2019 - 00:00 

SHSS-Konferenz: Die religiöse Seite des Geldes

Kreatives Lernen, Geld und Religion sowie die Neuorientierung der Managementausbildung: Über diese und weitere Themen diskutierten Geistes- und Sozialwissenschaftler der Universität St.Gallen (HSG) während zwei Tagen. An der Wirtschaftsuniversität St.Gallen gehört der Einbezug scheinbar fachfremder Gebiete wie Psychologie, Philosophie und Geschichte zum festen Programm aller Studierenden.

14. Oktober 2019. «Unsere Kultur-, Geistes- und immer stärker auch Sozialwissenschaftliche Fakultät ist an der Wirtschaftsuniversität HSG ein Spezialfall», sagte Yvette Sanchez, Dekanin der School of Humanities and Social Sciences (SHSS-HSG). Sie eröffnete damit am Freitag die zweitägige SHSS-Konferenz mit dem Titel «Was war, was ist, was wird?». Doch die SHSS sei kein Aussenseiter im St.Galler Universitätsbetrieb, sagte Sanchez. «Sie ist vielmehr ein Faktor, der die HSG als Ganzes diverser und damit stärker macht.»

An der HSG lehrt und forscht die SHSS in Fachgebieten wie etwa Philosophie, Psychologie, Soziologie, Wirtschaftsethik sowie Kultur- und Medienwissenschaften. Zur Konferenz hatte die School eingeladen, um aktuelle Projekte und Entwicklungen vorzustellen und zu diskutieren. Zudem präsentierten SHSS-Forschende am zweiten Tag der öffentlichen Konferenz neue Lehrformate, kreative Unterrichtsformen sowie das Kontextstudium an der Universität St.Gallen (HSG).

Dieses wird von der SHSS verantwortet und alle HSG-Studierenden müssen gut einen Viertel ihrer Studieninhalte aus dessen Kursangebot wählen. «Die Vielfalt des Kontextstudiums spiegelt das Facettenreichtum der SHSS wider», sagte Sanchez, die in ihrer Rede aufgrund der Internationalität der Zuhörenden im Co-Working-Space «The Co» der HSG zwischen Englisch und Deutsch abwechselte.

Die Theologie des Geldes

Als Forscherin, Autorin und Filmemacherin, die für interdisziplinäres Arbeiten in den Geisteswissenschaften steht, kündigte Yvette Sanchez Christina von Braun an. Die emeritierte Professorin für Kulturtheorie an der Berliner Humboldt-Universität hielt einen Vortrag mit dem Titel «Der menschliche Körper als moderner Goldstandard». Darin überraschte sie die Zuhörenden mit der These, dass Geld seit der Antike durch menschliche Opfer beglaubigt sei. «Das zirkulierende Geld ist abstrakt und hat heute einen grösseren Wert als vorhandene Sachwerte. Es braucht darum einen immer wieder neu begründeten Glauben der Gesellschaft an das Geld», so von Braun.

Begonnen habe diese theologische Begründung des Geldes durch eine Art Tauschhandel zwischen den Menschen und ihren Gottheiten: «Die Menschen brachten in den Tempeln Opfergaben dar und erhofften sich im Gegenzug dafür wirtschaftliche und gesellschaftliche Fruchtbarkeit.» Die Opfergaben waren stellvertretend Tiere, die teils Medaillen mit menschlichen Bildern trugen. Später entwickelten sich daraus Münzen, die Abbilder von geopferten Tieren zeigten.

Geld ist auch demokratisierend

«Im heutigen Wirtschaftssystem werden oft die Schwächsten Opfer des Geldsystems», sagte von Braun. Als Beispiel führte sie die Spekulation mit Nahrungsmitteln auf, die arme Menschen im globalen Süden betreffe. Gleichzeitig betonte von Braun, sie wolle das Geld nicht verteufeln: «Es hat auch eine stark demokratisierende Wirkung. Grundsätzlich kann es sich jeder aneignen und damit umgehen.»

Die Rolle des Geldes sei inzwischen so zentral, dass es sogar Kinder zeugen könne, sagte von Braun weiter. Sie erwähnte die moderne Reproduktionsmedizin und Gentechnik, in der unter Einsatz hoher finanzieller Summen Menschen gezeugt und gentechnisch verändert werden können. «Der oberste Gerichtshof in den USA hat entschieden, dass nicht eine Leihmutter die rechtmässige Eigentümerin ihres Kindes ist, sondern die zahlende Auftraggeberin.» Geld könne also Kinder reproduzieren und werde wiederum durch deren Existenz beglaubigt. Von Brauns Thesen wurden nach dem spannenden Vortrag im Publikum kontrovers diskutiert.

Wissen für die Manager der Zukunft

Im Anschluss stellte der HSG-Kulturwissenschaftler Jörg Metelmann eine von ihm und Ulrike Landfester kürzlich veröffentlichte Studie vor, die die Rolle von Geistes- und Sozialwissenschaften an mehreren Wirtschaftshochschulen untersuchte. Dabei führten die Forschenden Interviews mit 84 Vertretern von acht europäischen und asiatischen Business Schools, welche Geistes- und Sozialwissenschaften in ihre Managementausbildung einbinden. «Die Erkenntnisse weisen darauf hin, dass Geistes- und Sozialwissenschaften Wissen beinhalten, das den zukünftigen Managern hilft, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern», sagte Metelmann. Die HSG wende dieses integrierte Denken seit Jahren an und das sei eines ihrer Alleinstellungsmerkmale.

Text: Urs-Peter Zwingli

Bild: Andoni Lopez

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