Öffentliche Vorlesungen
Der 1778 in Frankfurt geborene Clemens Brentano, der heute als einer der berühmtesten Dichter der Romantik gilt, schwor 1816 seiner sinnlich-sündigen Jugendpoesie ab; stattdessen protokollierte er fortan die Visionen der stigmatisierten Nonne Anna Katharina Emmerick, aus denen er später die Lebensgeschichten Christi und seiner Mutter zusammenstellte. Als er aber 1833 nach München übersiedelte und kurz darauf die Baslerin Emilie Linder kennenlernte, die dort Malerei studierte, brach sich sein lyrisches Genie noch einmal mit vulkanischer Macht Bahn.
Aus den folgenden neun Jahren bis zu seinem Tod 1842 sind hunderte von Liebesgedichten an und über Emilie Linder überliefert, von denen einige zu den vielleicht schönsten der Weltliteratur zählen. Glühend erotisch oder voll tränenreicher Verzweiflung, elegisch resigniert oder von geradezu mephistophelischem Humor – und manchmal auch alles zusammen –, erzählen sie die Geschichte einer ebenso leidenschaftlichen wie komplizierten Beziehung: Zwar wurde und blieb die vermögende Protestantin Brentanos engste Vertraute, weigerte sich aber ebenso, ihn zu heiraten, wie zu seinem katholischen Glauben zu konvertieren. Der mehr als zwei Jahrzehnte ältere Brentano seinerseits hörte gleichwohl bis an sein Lebensende nicht auf, um ihre Liebe zu werben, während er gleichzeitig stets auch um seine eigene Glaubenssicherheit rang.
Die Vorlesung führt an ausgewählten Beispielen in dieses lyrische Spätwerk ein und versucht dabei, einige der Rätsel zu lösen, die manche dieser Gedichte bis heute aufgeben.
Dienstag, 18.15 bis 19.45 Uhr, Festsaal St.Katharinen, Katharinengasse 11, 9000 St.Gallen
20.2., 27.2., 5.3., 12.3., 19.3. und 26.3.2024
Dozentin | Prof. Dr. Ulrike Landfester, Ordentliche Professorin für Deutsche Sprache und Literatur, Universität St.Gallen