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Forschung - 19.01.2023 - 09:00 

Krieg in der Ukraine: Viele Unternehmen weiterhin in Russland tätig

Umfangreiche Daten zeigen, dass eine grosse Anzahl von Unternehmen mit Hauptsitz in der Europäischen Union (EU) und den G7-Staaten weiterhin in Russland tätig ist und dort investiert.
Umfangreiche Daten zeigen, dass eine grosse Anzahl von Unternehmen mit Hauptsitz in der Europäischen Union (EU) und den G7-Staaten weiterhin in Russland tätig ist und dort investiert.

Neue Forschungsergebnisse des HSG-Professors Simon Evenett (SIAW-HSG), Gründer des St.Gallen Endowment for Prosperity through Trade (SGEPT) und Koordinator des Global Trade Alert (GTA), und des IMD-Professors Niccolò Pisani zeigen, dass sich westliche Unternehmen nur in sehr begrenztem Umfang aus Russland zurückziehen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen widerlegen die oft in den Medien geäusserte Behauptung, dass westliche Unternehmen den russischen Markt in grossem Umfang verlassen. Tatsächlich haben viele westliche Unternehmen dem Druck von Regierungen, Medien und Nichtregierungsorganisationen widerstanden, Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine zu verlassen. 

EU- und G7-Unternehmen

Als Russland in die Ukraine einmarschierte, waren insgesamt 2405 Tochtergesellschaften von 1404 EU- und G7-Unternehmen in Russland aktiv. Bis Ende November 2022 hatten weniger als 9 Prozent dieser Unternehmen mindestens eine Tochtergesellschaft in Russland veräussert, stellte das Forschungsteam fest. Diese Veräusserungsraten haben sich im vierten Quartal 2022 kaum verändert. 

Die bestätigten Veräusserungen durch EU- und G7-Firmen mit Kapitalbeteiligungen in Russland umfassen 6.5 Prozent des gesamten Gewinns vor Steuern aller EU- und G7-Firmen mit aktiver Geschäftstätigkeit in Russland, 8.6 Prozent des Sachanlagevermögens, 8.6 Prozent der gesamten Aktiva, 10.4 Prozent der Betriebseinnahmen und 15.3 Prozent der gesamten Beschäftigten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die sich zurückziehenden westlichen Unternehmen im Durchschnitt eine geringere Rentabilität aufwiesen und über eine grössere Belegschaft verfügten, was wiederum dazu beigetragen haben könnte, dass sie in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wurden. 

Mehr US-Firmen verliessen Russland

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine haben sich mehr ausländische Unternehmen mit Hauptsitz in den Vereinigten Staaten zurückgezogen als solche mit Sitz in der EU oder Japan. Dennoch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass weniger als 18 Prozent der US-Tochtergesellschaften tatsächlich veräussert wurden. 15 Prozent der japanischen Firmen haben sich von russischen Tochterfirmen getrennt und nur 8.3 Prozent der EU-Firmen haben sich aus Russland zurückgezogen. 

Von den in Russland verbliebenen westlichen Unternehmen sind 19.5 Prozent deutsche, 12.4 Prozent amerikanische und 7 Prozent japanische multinationale Unternehmen. Diese Ergebnisse stellen die Bereitschaft westlicher Unternehmen in Frage, sich von Volkswirtschaften abzukoppeln, die von den Regierungen ihrer Heimatländer inzwischen als geopolitische Rivalen eingestuft werden. 

Die Studienergebnisse sind ein Realitätscheck für die Behauptung, dass nationale Sicherheitsbedenken und geopolitische Erwägungen zu einer grundlegenden Rückabwicklung der Globalisierung führen. 

Die Studie ist als Download verfügbar. Folgen Sie Simon Evenett auf Twitter

Bild: Unsplash / Mihail Tregubov 

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