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Meinungen - 27.04.2017 - 00:00 

100 Tage Donald Trump im Amt: «1360 Tage des Widerstands»

Donald Trumps Präsidentschaft ist ungewöhnlich. Seine ersten einhundert Tage im Amt waren gekennzeichnet von Zerstörung, Zerstreuung, Intoleranz und schlechter Staatsführung. Aber sie waren auch eine Zeit der Inspiration, des Protests und des Widerstands. HSG-Wirtschaftsethik-Professor Florian Wettstein über erste Eindrücke der aktuellen US-Regierung.

28. April 2017. Wenn die ersten hundert Tage eines neu ins Amt gekommenen Präsidenten vorüber sind, melden sich normalerweise Politikwissenschaftler oder Ökonomen zu Wort, nicht Wirtschaftsethiker. Aber Trumps Präsidentschaft ist keine gewöhnliche, und ihre Auswirkungen sind nicht nur politisch oder ökonomisch, sondern grundlegend moralischer Art.

100 Tage der Zerstörung...

Für einen Mann, der sich während des grössten Teils seiner beruflichen Laufbahn selbst als «Bauherrn» bezeichnet hat, erscheint es paradox, dass seine präsidiale Agenda eine der Zerstörung war. Seine Politik folgt einer Logik der Eskalation, sie ist impulsiv und setzt sich über Belege und Fakten hinweg, und sie ist sich des bleibenden Schadens, den sie anrichten könnte, nicht bewusst.

Während seiner ersten hundert Tage im Amt hat Donald Trump einen erfolglosen Angriff auf die Gesundheitsversorgung gestartet; er hat angefangen, die grundlegende Finanzmarktregulierung zu demontieren, die dazu gedacht ist, Finanzkrisen, wie man sie in jüngster Vergangenheit weltweit erlebt hat, zu bekämpfen; er ist dabei, Massnahmen für Transparenz, gegen Korruption und gegen Bestechung abzuschaffen und er hat einen wechselhaften, streitlustigen und gefährlichen Weg der Aussenpolitik beschritten.

Am folgenreichsten jedoch ist wahrscheinlich Trumps Zurücknahme der Klimaschutzpolitik und die Wiederbelebung der Kohlenindustrie. Dieser Rückschlag kommt zu einer ungünstigen Zeit, in der rasches Handeln für den Schutz der Erde erforderlich ist; und in der sich endlich auf der ganzen Welt eine schwache Dynamik für ein solches Handeln etabliert hat. Trumps hemmende Klimapolitik schwächt nicht nur die unweltfreundliche Dynamik, sondern liefert einen gefährlichen Präzedenzfall für andere wichtige Länder auf der ganzen Welt, die diesem Beispiel folgen könnten.

100 Tage der Intoleranz...

Es gab die leise Hoffnung, dass Trump nach einem polarisierenden Wahlkampf einen versöhnlicheren Ton anstimmen würde, wenn er erst einmal im Amt wäre. Aber diese Hoffnung wurde rasch erstickt. Engstirnigkeit und Uneinigkeit kennzeichneten auf erschreckende Weise seine ersten hundert Tage im Amt. Sie haben sich in seinen Ernennungen gezeigt (siehe Steve Bannon oder Jeff Sessions).

Sie haben sich auch in seiner Kommunikation gezeigt, das heisst, in dem was er sagt (oder twittert) oder was er nicht sagt. Sie haben sich in seinem Schweigen gezeigt und in seiner Unfähigkeit, den Anstieg rassistisch motivierter verbaler und körperlicher Gewalt in ganz Amerika zu verurteilen. Sie zeigten sich in seiner Politik, wie dem infamen aber erfolglosen Reiseverbot oder der noch zu bauenden Mauer an der Grenze zu Mexiko. Keine dieser Massnahmen sind effektive Mittel um die Einwanderung zu regulieren oder für Sicherheit im Land zu sorgen. Dazu waren sie auch nie gedacht. Sie sind nicht dazu gemacht, das Land von aussen zu schützen, sondern um Stereotypen zu verfestigen, Spaltungen zu schüren und Ausgrenzung im Inneren zu fördern.

Trotz alledem ist Politik vielleicht nicht das Hauptproblem. Trumps Engstirnigkeit, sein Spott über Menschen mit Behinderung, seine Frauenfeindlichkeit und sein zur Schau getragener Rassismus ermutigen jene, die solche Ansichten teilen, offen und schamlos zu diskriminieren, auszugrenzen und zu hassen. Anzeichen dieser Entwicklung sind erkennbar und sie belasten auf furchteinflössende Weise die Grundfesten und das soziale Gefüge, auf dem die amerikanische Gesellschaft fusst.

100 Tage schlechte Staatsführung...

Donald Trumps Präsidentschaft wird ein wichtiger Test für die Belastbarkeit der institutionellen Gewaltenteilung in den USA sein, und bisher können wir nicht sicher sein, dass sie ihn bestehen wird. Diese Institutionen sind zwar schon zuvor geprüft worden, aber Trumps offene Konfrontation hat eine neue Qualität. Er hat die Trennung von Macht und Unabhängigkeit der Judikative in Frage gestellt, die freie Presse angegriffen und entlegitimiert, sich der demokratischen Ordnung widersetzt und eine neue Form des Autoritarismus’ begrüsst.

Trumps Präsidentschaft ist ein Projekt nicht nur des Verwischens sondern des Auflösens der Grenzen zwischen Wirtschaft und Regierung, verkörpert zum Beispiel durch Rex Tillerson und Trumps Tochter Ivanka und veranschaulicht durch seine eigenen unzähligen Interessenkonflikte und die zahlreichen Rechtsstreits, mit denen er von allen Seiten konfrontiert wird. Und dann gibt es natürlich das unausgesprochene Thema: die Verbindungen zu Russland bei Trumps Wahlkampf.

Schlechte Staatsführung, Desorganisation und undichte Stellen in seiner eigenen Regierung sind die wahre Achillesferse von Trumps Präsidentschaft. Die Wahrheit über Trumps Verbindungen zu Russland und seine zahllosen, manchmal eklatanten Interessenskonflikte kommt nur langsam ans Licht, aber sie kommt ans Licht. Paradoxerweise könnte das die grösste Gefahr für eine Präsidentschaft darstellen, die sich selbst als postfaktisch wahrgenommen hat.

Make America great again: 1360 Tage des Widerstands...

Wenn aus all dem etwas wirklich Gutes entstehen kann, dann könnte das ein neues Bewusstsein für die charakteristische Fragilität unserer grundlegenden Bürger- und Menschenrechte und die Institutionen, die sie schützen, sein, ein neues Gefühl für die Gefahren der Apathie und der Selbstverständlichkeit, die sich unter den Priviligierteren von uns breit gemacht haben, und ein Gefühl für die Notwendigkeit der aktiven Beteiligung aller an dem Projekt, diese Rechte und Institutionen zu erhalten und zu stärken. Aber es besteht auch die Gefahr der Normalisierung, und das ist vielleicht die grösste Gefahr von allen. Im Laufe der Zeit werden wir vielleicht nachlassende Empörung und wachsende Duldung im Bezug auf seine kontroverse Politik erleben. Es könnte zu dem neuen Normalzustand werden, der die Wahrnehmungen und Erwartungen dessen formt, was hinnehmbar ist.

Deshalb werden Widerstandsbewegungen während Trumps Amtszeit eine entscheidende Rolle spielen. Und darin liegt die Hoffnung: Diese Bewegungen war bisher wirkungsvoll. Women’s Marches (Märsche für Frauenrechte) und zuletzt Marches for Science (Märsche für die Wissenschaft) haben Millionen Menschen auf der ganzen Welt auf die Strasse geholt. Gleichermassen haben Dutzende der grössten und bekanntesten Firmen – Google, Microsoft, Apple, um nur einige zu nennen – entschieden Stellung gegen Trumps Reiseverbot, seine Klimapolitik und die Aufhebung der Anti-Korruptionsgesetze bezogen. Trump ist jetzt seit hundert Tagen Präsident. 1360 Tage des Widerstands bleiben noch – und wenn der Widerstand erfolgreich ist, muss er vielleicht doch nicht so lang sein.

Bild: Photocase / margie

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