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Meinungen - 10.07.2016 - 00:00 

Drei Herausforderungen für die NATO

James Davis über die sich verändernde Rolle der NATO und die Herausforderungen, die damit einhergehen.

11. Juli 2016. Nach dem Ende des Kalten Krieges war die NATO für ein Jahrzehnt eine Allianz auf der Suche nach einer Aufgabe. Der 11. September 2011 lieferte genau das, und seitdem engagiert sich die NATO militärisch im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan, sowie gegen radikal-islamistische Bewegungen von Pakistan bis Nordafrika. Dennoch wird es auf dem bevorstehenden Treffen der NATO Staats- und Regierungschefs in Warschau keinen Mangel an Themen geben. Der Einsatz in Afghanistan und der Kampf gegen den Terrorismus dauern weiter an, genauso wie die Stationierung von NATO-Einheiten im Kosovo, die Bekämpfung von Piraterie vor dem Horn von Afrika und die Bemühungen der Allianz im Ägäischen Meer das Geschäft mit dem Schmuggel von Flüchtlingen zu unterbinden. Dass für die meisten dieser Missionen kein Ende in Sicht scheint, ist eine unliebsame Tatsache für eine Allianz, die sich nun drei grossen Herausforderungen gleichzeitig stellen muss.

Putins Russland.

Die russische Aggression in Europa und die militärische Intervention im Syrischen Bürgerkrieg sind ein Weckruf für die NATO. Im Streben nach einer Sicherheitspartnerschaft mit Russland und der Vision eines vereinten und freien Europas ist die NATO unachtsam geworden. Die Anzahl der in Europa stationierten NATO-Truppen wurde drastisch reduziert. Die angespannte Haushaltslage vieler Mitgliedsstaaten und der fortdauernde Afghanistan-Einsatz führten zu einer Kürzung der Mittel für jene militärischen Kapazitäten, die für eine wirkungsvolle Politik der Abschreckung eines konventionellen Angriffs auf Europa und der entsprechenden militärischen Reaktionen im Falle ihres Scheiterns nötig wären.

Brexit.

Nach der Entscheidung des Vereinigten Königreichs aus der EU auszutreten, ist die NATO de facto die einzige Organisation, die in der Lage ist eine gemeinsame Europäische Aussen- und Sicherheitspolitik zu formulieren. Es wird für die europäischen NATO Mitglieder eine grosse Herausforderung sein, die vom Brexit verursachten Turbulenzen mit einer Übergangsregierung zu meistern, gerade vor dem Hintergrund, dass Grossbritannien die Führung eines der neuen Kampfbataillone übernehmen soll. Es ist deshalb im Interesse aller, die NATO soweit wie möglich von der unsicheren Zukunft der EU abzuschirmen. Präsident Putin sollte kein Grund gegeben werden am politischen Zusammenhalt und der Entschlossenheit der NATO oder ihrer Bereitschaft jedes ihrer Mitglieder zu verteidigen, zu zweifeln.

Demokratische Prinzipien.

Die NATO ist eine Allianz der gemeinsamen Verteidigung. Artikel 5 des Nordatlantikvertrages versichert den Mitgliedern, dass ein Angriff auf eines von ihnen als ein Angriff auf alle verstanden wird. Die NATO verpflichtet ihre Mitglieder jedoch auch dazu Demokratie, individuelle Freiheit und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit im jeweils eigenen Land zu schützen. Bedauerlicherweise stehen einige dieser fundamentalen demokratischen Prinzipien selbst in wichtigen NATO-Staaten, darunter die Türkei, Ungarn und Polen, unter Druck. Und obwohl in der internationalen Politik eine gemeinsam wahrgenommene Bedrohung Unterschiede zwischen Verbündeten zu überdecken vermag, so ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass die Amerikaner ihre Bereitschaft zur Verteidigung Europas aufrechterhalten, wenn sie zu dem Schluss kommen sollten, dass einige europäische Verbündete den Einsatz für demokratische Werte nicht länger teilen. Und am Ende hängt der Erfolg der NATO, ja selbst der Erfolg Europas, immer noch von der Führungsrolle der USA ab.

James W. Davis ist Professor für Internationale Politik und Dekan der School of Economics and Political Science.

Bild: www.photocase.com / NickdaVinci 

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