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Meinungen - 28.07.2016 - 00:00 

US-Wahl 2016: Hillary Clintons Etappensieg

In Philadelphia, dem Geburtsort der amerikanischen Verfassung, wählten die Demokraten Hillary Clinton zur offiziellen Präsidentschaftskandidatin. Allen unerfreulichen Nebengeräuschen zum Trotz: ein Sieg für die Geschichtsbücher. Ein Meinungsbeitrag von Dr. Claudia Franziska Brühwiler.

29. Juli 2016. Im März 1776 schrieb Abigail Adams an ihren Mann John, der an der Unabhängigkeitserklärung mitschrieb und der zweite Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte, dass sie sich von den Revolutionären vor allem eines erhoffe: «…und übrigens wünsche ich mir, dass Ihr in den Gesetzen, die Ihr sicher verabschieden müsst, auch an die Frauen denkt und mit Ihnen grosszügiger und entgegenkommender seid als Eure Vorfahren.» Bekanntlich mussten sich die amerikanischen Frauen bis 1919 gedulden, bis ihnen ein Verfassungszusatz das Stimmrecht gewährte. Und nun, mehr als dreihundert Jahre nachdem Mrs. Adams jene Zeilen verfasst hatte, durfte eine Frau just in jener Stadt, in der die berühmte Freiheitsglocke – die «Liberty Bell» – erschallte, verkünden: «When there are no ceilings, the sky is the limit.» In diesem Geiste steigt sie, Hillary Rodham Clinton, als erste Frau für eine der beiden grossen Parteien ins Rennen um die US-Präsidentschaft.

Unerfreuliche Nebengeräusche

Natürlich liesse sich vieles thematisieren und breit treten, was am und vor dem Parteitag der Demokraten geschehen ist: der unrühmliche Abgang der Vorsitzenden Debbie Wasserman Schultz und deren Versuche, Bernie Sanders’ Kampagne zu torpedieren; die Unversöhnlichkeit von dessen Anhängern und die Grösse des Mannes selbst, sich hinter seine einstige Widersacherin zu stellen; die prominente Unterstützung und die scharfen verbalen Geschosse des amtierenden Präsidenten in Richtung Donald Trump. Die Geschichtsbücher wird letztlich nur eines interessieren, und das ist die Nomination der ehemaligen First Lady, Ex-Senatorin, Ex-Aussenministerin, zweifachen Grossmutter und – wie es selbstironisch auf ihrem Twitter-Profil heisst – Liebhaberin von Hosenanzügen.

Erfolg für die Geschichtsbücher

Hillary Clinton ist nicht die erste, die es wagt, die sogenannt höchste gläserne Decke zu durchbrechen. So versuchte bereits 1872, bevor Frauen überhaupt das Wahlrecht hatten, Victoria C. Woodhull ihr Glück. Im Gegensatz zu Clinton kandidierte die erste Börsenmaklerin indessen für eine Kleinstpartei, die «Equal Rights Party», und hatte damit keine Siegeschancen. Aussichtsreicher war die Position von Margaret Chase Smith, die sich 1964 als republikanische Senatorin von Maine um die Parteinominierung bewarb und nur von Barry Goldwater geschlagen geben musste. Für sie waren damals die gesellschaftlich-kulturellen Hürden noch zu hoch: Im Jahr ihrer Kandidatur sahen die Amerikaner im Film «Kisses for My President» erstmals die Vorstellung einer Madam President auf der Kinoleinwand. Allerdings gibt die fiktive Präsidentin ihr Amt auf, als sie schwanger wird und einsieht, ansonsten ihre Familie zu vernachlässigen.

Etappensieg für Clinton

In der heutigen Populärkultur hat man sich ein wenig an die Vorstellung einer Frau im Weissen Haus gewöhnt, so in den TV-Serien «24» oder «Commander in Chief». Doch laut einer Umfrage sind es nach wie vor in erster Linie Demokratinnen, die sich eine Madam President wünschen, während selbst in Clintons Partei weniger als 50% der Männer dies tun. Philadelphia ist daher nur ein Etappensieg für Clinton, die sich in diesem ausgesprochen hitzigen Wahlkampf einem unberechenbaren Gegner stellt. Vordergründig wird ihr Geschlecht weniger eine Rolle spielen denn ihr fahrlässiger Umgang mit E-Mails, der Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi oder die gescheiterte Reform des Gesundheitswesens während der Präsidentschaft ihres Mannes. Angesichts vergangener Äusserungen Trumps zu Frauen darf aber nicht nur mit Attacken ad personam, sondern auch ad feminam gerechnet werden. Frau darf gespannt sein, wie Hillary Clinton diese parieren wird, auf dass es am 8. November womöglich heisst: «Yes, she can!»

Dr. rer. publ. Claudia Franziska Brühwiler ist Staatswissenschaftlerin mit Schwerpunkt American Studies.

Bild: Family Business / Fotolia.com

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