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Meinungen - 18.08.2016 - 00:00 

Neue Regeln für zivile Drohnen

Mit der Aussicht auf neue Märkte werden die Bestimmungen für zivile Drohnen in Europa und den USA derzeit angepasst. Was bringen die neuen Regeln mit sich? Und wie gut schützen sie Menschen und Umwelt? Ein Beitrag von Silvio Hänsenberger und Isabelle Wildhaber.

19. August 2016. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) schätzt, dass in der Schweiz über 20‘000 zivile Drohnen in Betrieb sind – mit steigender Tendenz. Das verspricht grosses wirtschaftliches Potential. Die Europäische Kommission erwartet im Bereich der Drohnentechnologie in den nächsten zehn Jahren einen Umsatz von rund  15 Milliarden Euro pro Jahr sowie bis zu 150‘000 neue Arbeitsplätze. In den USA rechnet eine Branchenstudie bis zum Jahr 2025 mit einem Umsatzwachstum von 82,1 Milliarden US Dollar und geht zudem von rund 104‘000 neuen Jobs aus.

Solche Wachstumszahlen waren in den USA bisher aufgrund strikter Zulassungsbestimmungen ausser Reichweite. Die US-Regulierung unterscheidet zwischen Freizeitdrohnen und kommerziell genutzten Drohnen. Zum Beispiel waren kommerzielle Drohnenflüge nur mit einer Ausnahmebewilligung erlaubt. Per 29. August 2016 treten nun gelockerte Bestimmungen in Kraft. Danach ist der kommerzielle Betrieb von Drohnen bis 55 Pfund (ca. 25 kg) ohne spezielle Bewilligung möglich, sofern der Pilot einen «Drohnen-Pilotenschein» erworben hat. Die neuen US-Regelungen beinhalten zudem weitere Einschränkungen wie die Pflicht des Piloten, direkten Sichtkontakt zur Drohne zu halten (visual-line-of-sight, VLOS), ein Nachtflugverbot, ein Verbot, über Menschen zu fliegen, sowie die Pflicht, eine maximale Flughöhe von 400 Fuss (121,92 m) einzuhalten.

Standortwettbewerb zwischen den USA und Europa

Die US-Drohnenindustrie kritisiert, dass aufgrund des VLOS-Erfordernisses kommerzielle Anwendungen wie Paketlieferdienste nicht möglich seien. Daneben verunmögliche das Überflugverbot von Menschen Flüge in urbanen Gebieten. Weiter wird befürchtet, dass die USA mit dieser nach wie vor strikten Drohnenregulierung gegenüber Europa wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten könnte.

In der EU sind für unbemannte Luftfahrzeugsysteme bis 150 kg die Mitgliedstaaten zuständig. Deshalb existieren grosse Regulierungsunterschiede. Das behindert eine Verbreitung der kommerziellen Nutzung ziviler Drohnen. Mit dem Ziel eines harmonisierten EU-Binnenmarktes werden die EU-Bestimmungen für zivile Drohnen derzeit überarbeitet. Erste Pläne sehen vor, dass Kleindrohnen (bis 25 kg) auch ausserhalb der Sichtweite des Piloten fliegen dürfen (bis zu einer Flughöhe von 150 m). Dafür wird allerdings ein «sense and avoid»-System vorausgesetzt. Dieses erkennt andere Luftverkehrsteilnehmer und weicht ihnen aus.

Entsprechende Regelungen sollen ab dem Jahr 2018 in Kraft treten. Das verspricht einen Wettbewerbsvorteil bei der Ansiedlung von Technologie-Unternehmen. Denn in den USA ist eine solche Anpassung momentan nicht absehbar. Im Rahmen des Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der EU sind europäische Erlasse auch für die Schweiz von Bedeutung. Deshalb sind Vertreter des BAZL aktiv bei der Ausarbeitung neuer EU-Regelungen beteiligt.

In der Schweiz können Drohnen bis 30 kg ohne Bewilligung betrieben werden. Dabei wird nicht zwischen Freizeitdrohnen und kommerziell genutzten Drohnen unterschieden. Zwar gelten auch hier Einschränkungen wie die VLOS-Pflicht und ein Verbot von Flügen über Menschenansammlungen. Jedoch erteilt das BAZL Ausnahmenbewilligungen. Dafür muss unter anderem eine umfassende Risikoanalyse einen genügenden Schutz von Bevölkerung und Umwelt feststellen. Somit sind – wie in den USA – Drohnen-Paketlieferdienste nur mit einer Ausnahmebewilligung möglich.

Zukünftige Regulierungspflicht für Drohnen in der Schweiz

Aktuell wird beim BAZL nach Lösungen gesucht, wie illegal fliegende Drohnen ihrem Piloten zugeordnet werden können. Voraussichtlich müssen Drohnen künftig registriert und mit einer Kennzeichnung oder einem Chip versehen werden. Für Freizeitdrohnenpiloten in den USA ist eine Registrierungspflicht bereits Realität. Sie sind seit anfangs 2016 verpflichtet, ihre Drohne in einem nationalen Register einzutragen. Ein solches Register kann ein erster Schritt für die Zulassung von Flügen ausserhalb der Sichtweite des Piloten sein. Allerdings sind dazu weitere technische Entwicklungen notwendig, wie z.B. marktreife «sense and avoid»-Systeme.

Um neue Drohnentechnologien heute und in Zukunft zu entwickeln, sind Regulierungen notwendig, die Tests unter realen Bedingungen ermöglichen. Die Schweiz verfügt in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich über liberale Drohnen-Bestimmungen. Diese sind mit dafür verantwortlich, dass sich um Technologie-Zentren wie EPFL oder ETH Zürich ein wichtiger Forschungsstandort für Drohnen entwickelt hat.

Künftige Regulierungen dürfen aber nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt im Blick haben. Unabhängig vom Standortwettbewerb müssen sie Mensch und Umwelt schützen. Ansonsten wird in Zukunft die Akzeptanz für Drohneneinsätze fehlen.

Silvio Hänsenberger, M.A. HSG in law and economics, arbeitet am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten (FAA-HSG) und schreibt eine Dissertation zum Thema «Zivile autonome Drohnen».

Isabelle Wildhaber ist ordentliche Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität St.Gallen.

Bild: Photocase / Chettythomas

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