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Leute - 08.12.2016 - 00:00 

HSG ehrt Strafreformer und Kunstfreund Eduard Naegeli

Die HSG hat Prof. Dr. Eduard Naegeli in einer Gedenkfeier geehrt. Der Kunstkenner und Rechtswissenschaftler wäre am 8. Dezember 110 Jahre alt geworden. Er hat sich für einen modernen Strafvollzug und Kunst auf dem Campus eingesetzt.

9. Dezember 2016. Zur Gedenkfeier hatten Regierungsrat Fredy Fässler und Prorektor Prof. Dr. Lukas Gschwend eingeladen. Auf dem Programm standen vier Referate, die das Wirken des 1977 im Alter von 71 Jahren verstorbenen HSG-Professors aus unterschiedlicher Sicht würdigten.

Vielseitig begabte Persönlichkeit

Fredy Fässler überbrachte Grussworte der St.Galler Regierung. Er habe Eduard Naegeli zwar nicht persönlich gekannt, doch hätten ihn als junger Jurastudent seine Ideen zu einer modernen Strafreform fasziniert, betonte er. Er bezeichnete den in St.Gallen geborenen Naegeli als «eine überaus vielseitig begabte und engagierte Persönlichkeit». Nach Studien der Rechte in München, Berlin und Zürich habe er 1941 an der damaligen Handelshochschule St.Gallen habilitiert und von 1944 bis 1976 den Lehrstuhl für Obligationen- und Handelsrecht versehen.

«Seine Interessen und Aktivitäten sprengten bald die Grenzen seines angestammten Fachgebiets», betonte der Regierungsrat. So habe er von 1950 bis 1952 an der HSG den weit über die Landesgrenzen hinaus beachteten Vortragszyklus «Neue Weltschau» gestaltet, an dem sich Nobelpreisträger und andere internationale Grössen aus Wissenschaft und Kultur ausgetäuscht hätten.

Vorkämpfer der Strafreform

Prof. Dr. Peter Nobel hatte den Professor als Dozenten an der HSG erlebt. Er sei ein sehr verständnisvoller und feinsinniger Lehrer gewesen, erzählte er. In seinen Ausführungen beleuchtete der Referent das Engagement von Eduard Naegeli für die Strafreform. Seit den 1960er Jahren konzentrierten sich seine Interessen zunehmend auf das damals avantgardistische Thema der Strafreform, die ihm bald zu einer Herzensangelegenheit wurde. Ihm gelang es, junge Menschen für die Anliegen eines modernen Strafvollzugs und eines zukunftsweisenden Jugendstrafrechts zu begeistern. Die von ihm initiierte Arbeitsgruppe für Strafreform, die Stiftung für Internationale Strafreform und das Zentrum für Rehabilitationsplanung organisierten zahlreiche Veranstaltungen und veröffentlichten international beachtete Publikationen zum Thema.

Eduard Naegeli habe das Strafrecht radikal in Frage gestellt, betonte Prof. Dr. Martin Kilias. «In einer Zeit, als das Strafrecht in Europa weitgehend in Routine erstarrt war, wirkte ein solcher Ansatz erfrischend.» Er habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass jede Gesellschaft Sündenböcke brauche. Mit dem Wegsperren der Verbrecher stärke die Gesellschaft ihren Zusammenhalt. Ziel seiner Theorie war die Resozialisierung, die mittels Sozialpädagogik und Gruppentherapie hätte erreicht werden sollen. In seinem Buch «Das Böse und das Strafrecht» plädierte er dafür, sich statt auf Strafen auf Massnahmen zur Sicherung der Gesellschaft, Wiedereingliederung und Wiedergutmachung der Folgen der kriminellen Tat zu konzentrieren.

Förderer der Künste

Kunsthistorikerin Elisabeth Keller-Schweizer bekannte sich als Verehrerin Eduard Naegelis, der ihr Verständnis für die Kunst beeinflusst habe. Sie erinnerte daran, dass es seiner sachverständigen Sammeltätigkeit zu verdanken ist, dass die Universität St.Gallen den Neubau auf dem Rosenberg 1963 mit einer auserlesenen Sammlung moderner Kunst ausstatten konnte. Die grosse Vision der Integration von Kunst und Architektur verwirklichte er zusammen mit dem Architekten Walter Förderer. Die Ideen stiessen nicht überall auf Gegenliebe: Einige empörte Bürger forderten, das Volk sei vor diesen Kunstvorhaben zu schützen. Jean Arps Schalenbaum wurde beispielsweise als «obszönes Machwerk» bezeichnet, und der St.Galler Regierungsrat wurde aufgefordert, die Eingliederung solcher Werke in die Hochschulanlagen zu verbieten. Heute schätzt sich die Universität glücklich, Arbeiten von Künstlern wie Miró, Giacometti, Calder, Richter oder Tàpies zu besitzen.

Kulturell und künstlerisch sehr interessiert, engagierte sich Eduard Naegeli auch ausserhalb der Hochschule: von 1954 bis 1970 war er Präsident des Kunstvereins St.Gallen und von 1965 bis zu seinem Tod 1977 Präsident des Schweizerischen Kunstvereins. In den 1950er-Jahren gründete er die Vereinigung «Neue Musik St.Gallen» und amtete über Jahre im örtlichen Cineclub als Programmleiter.

Universalgelehrter und Humanist

Jochi Weil-Goldstein arbeitete während fünf Jahren in der Arbeitsgruppe für Strafreform mit. Er habe seinen Chef einmal gefragt, was für ihn als Jurist das Schwierigste sei, erzählte er. «Die Spanne zwischen der eigentlichen Rechtssprechung und der menschlicher Gerechtigkeit», habe er geantwortet. Eduard Naegeli sei ihm als Universalgelehrter ein grosses Vorbild geworden. «Er konnte grosses Entstehen lassen.» Auch Lukas Gschwend, Professor für Rechtsgeschichte, Rechtssoziologie und Strafrecht, würdigte Eduard Nageli in seinem Schlusswort als Persönlichkeit mit Vorbildcharakter. Der Humanist habe über seine Disziplin hinaus integrativ gearbeitet. Diese Art des Schaffens sei nachahmenswert.

Bild: Prof. Dr. Eduard Naegeli, Briefwechsel mit Alberto Giacometti

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