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Meinungen - 05.10.2015 - 00:00 

Flüchtlingskrise und Wahlkampf

Das Thema Migration und Asyl wird den Ausgang der Schweizer Parlamentswahlen bestimmen – aber in welche Richtung? Ein Blick auf den Wahlkampf und den möglichen Wahlausgang von Silvano Moeckli.

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5. Oktober 2015. In einem Wahlkampf werben die politischen Parteien im Wesentlichen mit drei «Produkten»: Partei-Image, Personen und Sachthemen. Eine Partei sollte nach aussen ein Bild der Geschlossenheit vermitteln. Kandidierende preisen nicht nur ihre politischen Qualitäten an, sondern auch ihre persönlichen. Bei den Themen gibt es Kompetenzfragen und Positionsfragen. Parteien werden in bestimmten Themen als kompetent angesehen, und sie sollten zu den kontroversen politischen Fragen klare Positionen einnehmen.

Die drei politischen Produkte versuchen die Parteien über traditionelle und neue Kommunikationskanäle möglichst gut zu «verkaufen». Natürlich müssen die Parteien heutzutage auch die neuen Medien nutzen, und das wird auch eifrig getan, wie die SVP mit ihren unterhaltsamen Videoclips auf Youtube illustriert. Matchendscheidend sind aber immer noch die traditionellen Kanäle: Massenmedien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen sowie Werbung mit Plakaten, Flyer und Giveaways. Trotz aller sozialen Medien: die unmittelbare Kommunikation durch Versammlungen und Begegnungen auf der Strasse bleibt wichtig.

Politischer Kontext ist prägend

Ihre Verkaufsstrategie können die politischen Parteien – freilich ausgestattet mit unterschiedlichen Ressourcen – selbst bestimmen, und sie versuchen auch, die politische Kommunikation durch ihre Kernthemen und Köpfe zu dominieren.

Was sie sich nicht aussuchen können, ist der grössere politische Kontext, in dem der Wahlkampf und die Wahl stattfindet. Und dieser ist gerade 2015 dergestalt, dass die Auswirkungen auf den Wahlausgang unberechenbar sind. Zwar war schon 2003 und 2007 das Thema Ausländer/Migration/Asyl an der Spitze. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingsströme und der Bilder und Nachrichten, welche die Wählerschaft täglich aufrütteln oder auch aufregen, ist es gemäss dem SRG-Wahlbarometer vom August 2015 für fast zwei Drittel der Befragten das drängendste politische Problem. Das zweitwichtigste Problem ist mit weitem Abstand (14 Prozent) EU/Europa/Bilaterale. So dominant war das Thema bei den vorausgegangenen fünf Parlamentswahlen nie. Die Frage ist nun, wem dies hinsichtlich des Wahlergebnisses nützt und wem dies schadet.

Prognosen sind mit Vorsicht zu geniessen

Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Gewiss, wir haben wie stets die Wahlprognosen, die durch unterschiedliche Methoden zustande gekommen sind, etwa das SRG-Wahlbarometer, die Online-Umfragen von 20 Minuten, die Wahlbörse des Tages-Anzeigers, und es werden Vorhersagen aufgrund der Ergebnisse der kantonalen Wahlen gemacht. Diese Prognosen sagen in der Tendenz leichte Gewinne für die SVP und die FDP voraus. BDP, CVP, GPS und GLP werden leicht verlieren, die SP wird eher stagnieren. Weil aber die Macher solcher Prognosen natürlich auf die Ergebnisse der anderen Experten schauen, kann es durchaus zu einem Herdenverhalten kommen, und der Wahlausgang kann dann ein ganz anderer sein, wie wir bei den Wahlen in Grossbritannien im Mai dieses Jahres erlebt haben.

Das Schwierige bei Wahlprognosen in der Schweiz ist die Voraussage der Mobilisierung. Bei einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent gewinnen jene politischen Kräfte, die ihre Anhänger am besten zur Urne locken können. Ein hochemotionales Thema wie die Flüchtlingsströme mobilisiert natürlich – aber wen? Das «Sommermärchen» und die «Willkommenskultur» können durchaus Wähler im links-grünen Spektrum mobilisieren, die finden, auch die Schweiz müsste in der Flüchtlingsfrage generöser sein. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch jene, die eine eher abwehrende Haltung haben und vor allem die Wirtschaftsflüchtlinge und die unerwünschten Nebenfolgen der Zuwanderung sehen. Dies kommt wohl im medialen Mainstream zu wenig zum Ausdruck.

Die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen könnte gerade in der Endphase des Wahlkampfes umschlagen. Dazu würden einige negative Schlagzeilen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, die nach Westeuropa drängen, genügen. Tritt dies ein, dann würde vor allem jene Partei profitieren, die bis jetzt im Vergleich zu 2007 und 2011 eher auf Spass als auf Dramatisierung gesetzt hat: Die SVP.

Kein Erdrutsch-Sieg zu erwarten

Die Mehrzahl der Auguren erwartet als wahrscheinlichstes Wahlergebnis einen «Rechtsrutsch», nämlich wie erwähnt Wahlerfolge von SVP und FDP. Allerdings darf dies nicht mit einem «Erdrutsch» verwechselt werden. Vor vier Jahren gewannen die Mitteparteien. Gäbe es nun eine leichte Verschiebung nach rechts, so gehörte dies zu den üblichen politischen Zyklen in der Schweiz. Auch nach dem 18. Oktober 2015 wird die Schweiz zu den politisch stabilsten Staaten der Erde gehören. Und wie schon 2011 dürfte sich der SMI kaum vom Wahlergebnis beindrucken lassen.

Bild: bauzaun. / photocase.de

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