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Meinungen - 14.03.2013 - 00:00 

Die Zukunft der Wissensarbeit

Der Kreativanteil der Wissensarbeit nimmt zu. 50 Prozent aller Schweizer Erwerbstätigen sind als Wissensarbeiter tätig. Wer weiss, wo neues Wissen entsteht, ist im Vorteil. Oliver Gassmann über innovative Arbeitsformen.

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15. März 2013. Bereits heute sind 50 Prozent aller Schweizer Erwerbstätigen als Wissensarbeiter tätig.

Sie schaffen mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung einen Mehrwert für Unternehmen und ihre Kunden. Die Informationstechnologie hat unser Arbeitsleben stark verändert. Was heute zum Alltagsgeschäft gehört, galt noch vor 20 Jahren als realitätsfremde Illusion. 70 Prozent aller Arbeitnehmer in der Schweiz arbeiten heute mit Hilfe von IT. Dank Skype, Dropbox, Computer Conferencing  und Chatforen entwickeln virtuelle Innovationsteams über mehrere Standorte verteilt neue Produkte und Ideen.

Flexible Arbeitseinteilung
Arbeit, Freizeit und Reisen verschmelzen: Auf Reisen und in der Freizeit wird – Smartphone sei Dank oder Fluch – intensiv kommuniziert und gearbeitet. Dies ist alles andere als erfreulich, wenn man die Ruhe in der Natur geniessen oder im Zug eine Lektüre vertieft studieren möchte. Ständige Erreichbarkeit schränkt uns ein, erweitert jedoch auch unsere Möglichkeiten. Die allgegenwärtige Verfügbarkeit der Wissensarbeiter bietet Chancen für mehr individuelle Freiheit: Wir schätzen, dass 20 Prozent aller Wissensarbeiter die Möglichkeit hätten, einen Tag pro Woche im Homeoffice zu arbeiten.

Eine solche Flexibilisierung kann die Lebensqualität steigern. Familie und Beruf lassen sich besser vereinbaren, wenn drei Voraussetzungen stimmen: Erstens, Mitarbeiter müssen an ihren Ergebnissen gemessen werden, nicht an ihrer Anwesenheitszeit im Unternehmen. Zahlreiche Führungskräfte müssen von ihrer Kontrollillusion geheilt werden: Im Zeitalter der Wissensarbeit, die übrigens auch in den meisten Industriebetrieben einen recht hohen Anteil erzielt hat, zählen Ergebnisse, nicht Stempelkarten. Zweitens müssen aber auch viele Menschen erst einmal lernen, mit mehr Freiheit und Verantwortung umzugehen. Selbstdisziplin zur Arbeit, aber auch zur Regeneration wird wichtig. Drittens muss die Unternehmenskultur stark genug sein, um das Wir-Gefühl nicht zu verlieren. Vor wenigen Tagen hat Yahoo-Chefin Marissa Mayer ihre Mitarbeiter mit einem Homeoffice-Verbot überrascht. Yahoo strebt eine stärkere Unternehmenskultur an. Das grenzt die virtuelle Arbeit ein.

Kreativarbeitsplätze für Freelancer
Wissensarbeiter werden immer stärker zu Portfolioarbeitern, die gleichzeitig in zahlreichen Rollen für unterschiedliche Unternehmen und Organisationen tätig sind. Der Anteil der Freelancer, welche in keinem festen Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, wird weiter zunehmen. Vorreiter sind kreative Berufe wie Werber, Programmierer oder Journalisten. Andere Berufsgruppen der Wissensarbeiter werden folgen – zum Beispiel professionelle Denker für Crowdsourcer.

Dies hat nicht nur Vorteile: In grossstädtischen Zentren  beginnen immer mehr Freelancer und virtualisierte Ich-Unternehmer, sich wieder gemeinsame Arbeitsräume zu teilen. Beliebt sind Modelle wie das Betahaus in Berlin, das wöchentlich zu mietende Schreibtische in Grossraumbüros anbietet. Diese unternehmensübergreifenden Kreativarbeitsplätze sind so populär, dass inzwischen etablierte Grossunternehmen wie TUI oder die Telekom Plätze mieten, um ausgewählten Mitarbeitern die «Gründerluft» von Start-ups anzubieten.

Arbeitsleben im Inkubator
Jungunternehmer träumen davon, ein grosses Unternehmen aufzubauen. Die Etablierten möchten wieder lernen, wie die Kleinen, Innovativen zu arbeiten. Der Berliner Inkubator «The Factory» will nicht nur eine Brutstätte für Start-ups sein. Neben geteiltem Arbeitsraum wird auch noch eine WG-ähnliche Residenz angeboten; Leben und Arbeiten gehört bei diesem Modell unmittelbar zusammen.

Eine Flexibilisierung der Arbeit bedeutet auch eine Zunahme an Verantwortung für den Einzelnen. Alle wollen mehr Freiheit, aber nicht jeder ist mit der gestiegenen Verantwortung bezüglich Ergebnissen und Selbstorganisation auch glücklicher. Arbeiten und nachhaltige Balance zwischen Arbeit und Privatleben wird immer stärker davon abhängig, wie der Einzelne damit umgeht. Es gibt heute schon immer mehr Menschen, welche nicht mehr «abschalten» können und damit mittelfristig ausbrennen. Die Verantwortung für eine bessere Lebensqualität und eine nachhaltige Produktivitätssteigerung liegt somit auch bei jedem von uns.

Bild: HUB Zürich / Collaborative Working Place and Incubator for Social Entrepreneurship

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