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Veranstaltungen - 27.11.2014 - 00:00 

Hans lernt anders als Hänschen

Die letzte Ausgabe des Wissenschaftscafés von Science et Cité im St.Galler Textilmuseum widmete sich dem Thema «Frühe, frühere, früheste Kindheit». Expertinnen der PHSG, der FHS St.Gallen und der HSG diskutierten mit den Gästen darüber, wie, wann und wo Bildung bei Kindern beginnen soll.

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27. November 2014. In der Diskussion, geleitet von Sibylle Minder Hochreutener von der FHS St.Gallen, zeigte sich rasch, dass Bildung in einem weiter gefassten Begriff sehr früh beginnt. «Bildung fängt bei null an», bemerkte etwa Bettina Grubenmann, Fachbereich Soziale Arbeit der FHS St.Gallen. Bei der Bildung bis zum Alter von vier Jahren gehe es nicht um Verschulung, sondern um Selbstbildung, sagte Doris Edelmann, Leiterin des Instituts Bildung und Gesellschaft der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG). Diese beinhalte die aktive Teilnahme am Alltag, «das geht nicht ohne Anregung», stellte sie klar.

Lernen mit Familie und Freunden
Die Rolle der Familie und anderer Akteure wurde rege diskutiert. Als solche wurden bei-spielsweise Krippen und Horte sowie Mütter- und Väterberatungsstellen und Anbieter im Förderbereich benannt. Kontinuität, Qualität und Professionalität erzeugten Wirkung, erklärte Bettina Grubenmann mit Blick auf die verschiedenen Akteure. Dazu trage auch eine Vernetzung zwischen den Angeboten bei.

Doris Edelmann wies auf Ergebnisse aus der Forschung hin, die belegen, dass pädagogische Grundvoraussetzungen in der Familie wie regelmässiges Vorlesen oder Basteln einen Einfluss haben auf den Erfolg der Kinder im späteren Leben. Sabine Seufert vom Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St.Gallen, regte – auch aus der Perspektive als Mutter und Pflegemutter – dazu an, den Begriff Familie nicht zu begrenzt zu sehen. Dazu könne auch ein Netzwerk ausserhalb zählen. Zudem solle der Blick auf die ersten drei Lebensjahre nicht zu einer zu pessimistischen Sichtweise führen: «Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans anders.» Diesem Votum stimmten auch die anderen Expertinnen zu.

Nicht zu viel, nicht zu wenig

«Ist Bildung noch privat? Wenn nein, wer ist dafür verantwortlich?», fragte Moderatorin Sibylle Minder Hochreutener in die Runde. «War sie es je?», stellte Bettina Grubenmann eine Gegenfrage und fügte an: «Bei uns ist die Familienprivatheit unglaublich stark. Wenn die Familie der Ort ist, wo Schlechtes passiert, ist dies ein Fluch.» Doris Edelmann fokussierte hingegen auf einen anderen Aspekt: «Die Privatheit der Familie ist bedroht. Dies übt auch auf Familien, die alles richtig machen, Druck aus, und kann zu Förderwahn führen.»

Sabine Seufert, Professorin für Bildungsmanagement an der HSG, warf einen Blick auf die spätere Berufslaufbahn. Kinder sollten dabei unterstützt werden, früh Strategien für Selbstwirksamkeit zu erlernen. Die Gesellschaft sei risiko-avers, Scheitern und Fehler zu machen sei negativ behaftet. «Dabei ist es wichtig, Fehler zu machen», so Sabine Seufert. Auch die Formen von Unterstützung für Eltern wurden diskutiert. Bettina Grubenmann regte an, von bewährten Kinderschutzprogrammen zu lernen, bei welchen Kontinuität ein ganz wichtiger Faktor zum Erfolg sei. Doris Edelmann zeigte sich überzeugt, dass innovative Modelle und aufsuchende Angebote erfolgversprechend sind. «Wenn aber jemand im falschen Quartier wohnt, wird er oder sie vielleicht nie aufgesucht und hat Pech gehabt. Das kann sich unsere Gesellschaft nicht leisten.»

Science et Cité

Die national tätige Stiftung Science et Cité ist Initiatorin der Veranstaltungsreihe. Sie fördert den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Neben Wissenschaftscafés an Hochschulstandorten organisiert sie zum Beispiel auch Ausstellungen, Festivals und Tagungen.

Fotos: Photocase / adina80xx

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