close

Veranstaltungen - 01.05.2012 - 00:00 

«Aiatollah Europas» für Eurozone

Der französische Finanzexperte Jean-Claude Trichet war von 2003 bis 2011 Präsident der Europäischen Zentralbank. Während des 42. St. Gallen Symposiums sprach er sich vehement für die Eurozone aus.

$alt

3. Mai 2012. Nachdem Bundesrat Ueli Maurer vor Überregulierung gewarnt hatte, warb Griechenlands ehemaliger Ministerpräsident George Papandreou für mehr Vertrauen in Europa. Diesem Votum schloss sich auch Jean-Claude Trichet in einer Podiumsdiskussion während des 42. St. Gallen Symposiums an.

Verteidigung der Eurozone
Das Gespräch zwischen dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank und BBC-Moderator Stephen Sackur geriet zum Schlagabtausch, als sie auf die Zukunft der Eurozone zu sprechen kamen. Unbeeindruckt von der pessimistischen Einschätzung des Publikums im Live-Voting, verteidigte Trichet Griechenlands Verbleib in der Währungsunion. Angelehnt an jüngste Medienberichte bezeichnete Sackur seinen Gesprächspartner als «Aiatollah von Frankfurt», der auch nach seinem Präsidium in der EZB-Zentrale am Main nach wie vor für die gemeinsame Währungsunion kämpfe.

Befragt, ob er in seiner Funktion als EZB-Chef die Situation während der Wirtschaftskrise nicht unterschätzt habe und nach wie vor zu optimistisch sehe, sagte Trichet: «Tatsächlich schien die Eurozone nach der grossen Erschütterung der Finanzmärkte 2008 sehr zerbrechlich zu sein – de facto ist sie es aber nicht.» Er könne die EU auch nicht als Epizentrum des Bebens ausmachen. Alle Länder seien schliesslich betroffen von der globalen Finanzmarktkrise.

Chinas Währung macht das Rennen 
Der Erfolg der aufstrebenden Märkte stelle eine grosse Herausforderung für die etablierten Volkswirtschaften dar. Chinas Währung, der Yuan, könne Euro und Dollar künftig übertrumpfen, sagte Trichet. Wann dies eintrete, könne er nicht genau abschätzen. In jedem Fall habe Europa die Mittel, dem Druck standzuhalten und sich finanziell zu behaupten, wenn es seinen Haushalt und die Institutionen entsprechend ordne.

Sackur wollte von Trichet auch wissen, ob die EZB in ihrer Geldpolitik jüngst die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Die Notenbank habe eine Trillion Euro in die Union gepumpt, trotzdem seien die Märkte Südeuropas nicht stabiler geworden. «Ohne die Regulierungsbemühungen der Zentralbank wäre die Eurozone noch viel stärker ins Wanken geraten», verteidigte der Finanzexperte die Strategie der EZB.

Zentralbanken müssen für Stabilität sorgen
Es sei nun Aufgabe aller Zentralbanken weltweit, ihre Stabilitätsfunktion gekonnt auszuüben. «Europa ist nicht am Abgrund, es wird weitergehen», betonte der ehemalige EZB-Präsident. Eine Renationalisierung der europäischen Währungszone sei nicht das adäquate Mittel zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise. «Wir müssen zusammenhalten und mehr Transparenz in den europäischen Institutionen schaffen», sagte Trichet.

Letztlich müssten sich alle Ökonomien, auch die der aufstrebenden BRIC-Länder, gut auf Risiken vorbereiten und ihre Institutionen entsprechend ausgestalten. Risiken seien auf einem globalen Finanzmarkt unvermeidbar, Staaten müssten lernen, damit umzugehen. Nur gemeinsam könne man für Stabilität in Europa und weltweit sorgen, schloss der überzeugte «citoyen européen» sein Plädoyer für mehr Vertrauen in Krisenzeiten.

Bild: Hannes Thalmann

Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte

north