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Meinungen - 25.07.2018 - 00:00 

Altersvorsorge: Erhöhung des Renteneintrittsalters?

Substantielle Anpassungen in der Schweizer Altersvorsorge sind notwendig, um das Drei-Säulen-Modell nachhaltig auf eine solide Basis zu bringen. Mit Blick auf unsere Nachbarländer zeigt sich, dass eine dieser Anpassungen in der Erhöhung des Renteneintrittsalters liegen könnte. Von Martin Eling.

25. Juli 2018. Nach der Niederlage zur Altersvorsorge 2020 im vergangenen Jahr waren die Signale der Politik zunächst wenig ermutigend. Es war zwar nicht überraschend, dass nach der Ablehnung des umfassenden Reformpakets die Altersvorsorge in Teilpakete aufgebrochen wurde. Doch dass dann gerade die AHV als erstes problematisiert und die berufliche Vorsorge auf die lange Bank geschoben wird, ist angesichts der dortigen Umverteilungen im Milliardenumfang eine völlig falsche Priorisierung. Dass der Politik zudem nichts Besseres einfällt als die sich abzeichnenden Milliardenlöcher in der AHV mit Steuergeldern zuzuschütten, ist schon ein wenig ernüchternd. Der negative Höhepunkt dieser Entwicklung war dann sicherlich der Ausstieg der AXA aus dem Vollversicherungsmodell der beruflichen Vorsorge, ein Donnerschlag, der hoffentlich auch die letzten Politiker in Bern von der Dringlichkeit einer Reform überzeugt hat. Denn es zeigt ganz klar auf, dass zeitnah substantielle Anpassungen notwendig sind, wenn wir unsere international hoch gelobtes Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge nachhaltig auf soliden Füssen stellen wollen.

Positive Signale für ein höheres Renteneintrittsalter

Nachdem nun aber fast ein Jahr vergangen ist, mehren sich die positiven Signale. Das Ergebnis der jüngsten Befragung der IHK Thurgau, dass ein Frauenrentenalter von 65 Jahre für die Mehrheit der Bevölkerung akzeptabel ist, deutet einen gewissen Meinungsumschwung in der Bevölkerung an. Denn bis anhin war das Rentenalter ein grosses Tabuthema. Nun spricht sich sogar eine Mehrheit der Bevölkerung in der repräsentativen Befragung für eine stufenweise Erhöhung des Rentenalters bis 66 Jahre aus. Dies sind ganz wichtige Signale für die Weiterentwicklung der Diskussion. Denn die deutliche Mehrheit unserer Nachbarländer hat bereits ein Rentenalter von 67 Jahre oder mehr auf den Weg gebracht. So wird in Deutschland das Rentenalter stufenweise bis 2027 auf 67 Jahre angehoben. Und die Diskussion zum Rentenalter von 70 Jahre ist längst am Laufen. In Italien wird das Rentenalter mit 67 Jahre bereits im Jahr 2021 erreicht. Weitergehende Massnahmen in Richtung eines noch höheren Rentenalters sind bereits beschlossen. In Dänemark wird das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt, so dass ein Rentenalter von 70 Jahre für das Jahr 2040 und von 72 Jahre für das Jahr 2050 prognostiziert wird. Und kaum jemand protestiert.

Dringende Massnahmen sind jetzt erforderlich

Man erkennt an diesen Beispielen, wie anders die Ausgangslagen und Diskussionen in unseren Nachbarländern sind. Denn trotz der intensiven Reformdebatte der vergangenen Jahre darf nicht übersehen werden, dass die Schweiz weiterhin eine Ausgangslage hat, um die uns sämtliche Nachbarländer beneiden. Ein prall gefüllter AHV Fonds, dessen Erträge im ausserordentlich guten Börsenjahr 2017 sogar ein negatives Umlageergebnis im Milliardenhöhe ausgleichen kann. Eine berufliche Vorsorge, welche Vermögenswerte grösser als das BIP der Schweiz angesammelt hat. Und eine dritte Säule, deren Umfang nicht mal bekannt ist, aber ebenfalls auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzt wird. Insofern steht unsere Altersvorsorge gut dar. Damit wir dies aber auch im Jahr 2025 oder 2030 noch sagen können, sind nun dringend Massnahmen erforderlich. Und zu diesen Massnahmen gehört mehr als mit Steuermitteln eine weitere grosse Umverteilungsmühle anzustellen. Bis anhin bevorzugen die Schweizer mehr einzuzahlen, sei es in der Form höherer Lohnbeiträge oder über höhere Steuern. Ein Fokus auf das Rentenalter ist auch deswegen interessant, da die Schweiz mit einer enorm hohen Erwerbsquote bei älteren Arbeitnehmern viel Potential für längeres Arbeiten hätte. Und zugleich auch das Potential mögliche soziale Härtefälle, die nicht länger arbeiten können, effektiv aufzufangen. Die jetzt laufende Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter ist daher sehr zu begrüssen.

Prof. Dr. Martin Eling ist Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft an der Universität St.Gallen.

Foto: photocase/nerek

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