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Meinungen - 16.11.2016 - 00:00 

Neue Szenarien für die Klimapolitik

Gefährdet der neu gewählte US-Präsident die internationale Klimazusammenarbeit? Regierungen sollten die Verhandlungen in Marrakesch nutzen, um sich schnell auf die neue Realität der Klimapolitik einzustellen. Ein Kommentar von HSG-Politikwissenschaftler Klaus Dingwerth.

17. November 2016. Wenige Tage nach seinem Inkrafttreten steht das Übereinkommen von Paris vor dem Aus in der ersten Runde. Die amerikanischen Wähler könnten ihm den Knock-out versetzt haben, als sie Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählten. Ob sie dies willentlich getan haben, bleibt unklar, denn die Ansichten der Kandidaten hinsichtlich der Zukunft unseres Planeten spielten im US-Wahlkampf keine entscheidende Rolle.

Ein Schwindel?

Dennoch hat Trump sich eindeutig geäussert: der Klimawandel, so hat er behauptet, sei ein Schwindel, der «von den und für die Chinesen erfunden wurde, um die Wirtschaft der USA zu schwächen.» Für die Regierung sei es das einzig Richtige, das Übereinkommen von Paris so schnell wie möglich abzulehnen. Es spricht wenig dafür, dass er sein Wort nicht halten wird.

Einige scheinen zu glauben, dass das für das Pariser Übereinkommen nur wenig Unterschied machen wird. Da das Abkommen jetzt in Kraft ist, wird es die USA ebenso rechtlich binden wie die anderen 102 Länder, die es bisher ratifiziert haben. Zudem dürfen sich die Unterzeichner erst in drei Jahren aus dem Abkommen zurückziehen, und dieser Austritt würde erst ein weiteres Jahr später rechtskräftig. Bis dahin könnten die nächsten Präsidentschaftswahlen das Blatt schon wieder wenden. Und schliesslich: Könnten die anderen Nationen nicht auch ohne Amerika an ihren Verpflichtungen festhalten und sich trotzdem bemühen, die globale Erwärmung auf Basis des Übereinkommens, zu dem man in Paris gekommen ist, zu bekämpfen?

Diese Ansicht ist problematisch. Rechtlich könnten sich die USA sofort aus der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von 1992 zurückziehen, deren Umsetzung das Übereinkommen von Paris gewährleisten soll. Ein solcher Rückzug würde innerhalb eines Jahres in Kraft treten. Bis Anfang 2018 könnten die USA so von allen internationalen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ausgenommen sein. Zwar wäre Amerika dann das einzige Land auf der Welt, das die Konvention nicht anerkennt. Aber das hat vielleicht wenig Bedeutung für einen Präsidenten, der einen Wahlkampf gegen das politische Establishment geführt hat und glaubt, dass die globale Erwärmung eine Verschwörung ist.

Trump beim Wort genommen

Darüber hinaus ist die Ansicht, dass das Pariser Übereinkommen die Wahl Donald Trumps überleben wird, politisch naiv. Im Rahmen des Pariser Abkommens haben die Länder ihre eigenen «national festgelegten Beiträge» (NDCs) bestimmt. Die USA haben versprochen, ihre CO2-Emissionen bis 2025 um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu reduzieren. Wenn die USA es jedoch nicht schaffen, ihre Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, folgen keine Sanktionen daraus. Mit seinem Bottom-up-Ansatz ist das Übereinkommen von Paris so weit entfernt von einer «Weltregierung», wie man sich es nur vorstellen kann.

Aber gerade weil ihm ein Durchsetzungsmechanismus fehlt, folgt das Abkommen dem Motto «Wie du mir, so ich dir». Die Logik ist simpel: ich kooperiere, wenn du kooperierst. Somit erfüllt das Abkommen vor allem zwei Funktionen: es erlaubt Staaten, Versprechen zu machen, unter Berücksichtigung der Versprechen, die die anderen Staaten machen; und es erlaubt Staaten, zu überprüfen, ob Andere die gemachten Versprechen halten. Die einzige Sanktion, mit der das Übereinkommen rechnet, liegt in der Erwartung, dass, wenn ein grosser Emittent schummelt, die Kooperation zusammenbricht und alle Beteiligten schlechter dastehen lässt. Einfach gesagt: wenn die USA einen Wettbewerbsvorteil daraus ziehen wollen, die Auflagen nicht zu erfüllen, warum sollte China dann einen Beitrag leisten?

Mögliche Szenarien

Was könnte jetzt passieren? Das erste Szenario ist jenes, das wir vermeiden wollen: unkontrollierte globale Erwärmung ohne globale Zusammenarbeit. Es würde unseren Kindern und Enkeln einen anderen und weniger bewohnbaren Planeten hinterlassen. Die Wahl eines Klimaskeptikers als neuen US-Präsidenten bringt uns diesem Szenario einen Schritt näher. Zweitens können wir uns einen technologischen Durchbruch vorstellen, der uns vor der globalen Erwärmung rettet. Aber da solche Durchbrüche nicht geplant werden können, würde es bedeuten, auf Glück zu setzen, wenn wir uns auf einen solchen Deus ex Machina verlassen. Drittens gibt es Geo-Engineering: eine Reihe von Möglichkeiten von grossangelegter Aufforstung bis hin zu Kohlendioxidrückhaltung und –speicherung, der Düngung der Meere und der Beeinflussung der Sonneneinstrahlung. Momentan wissen wir wenig über die meisten dieser Optionen. Aber was wir wissen, ist, dass sie viele Risiken bergen.

Und schliesslich könnten die Länder die Klimazusammenarbeit ohne Amerika wiederbeleben. Die Erfahrung von Kyoto deutet darauf hin, dass das eine grosse Herausforderung wäre. Aber weil inzwischen viele Länder ihre Wirtschaft auf den Weg zu saubererer Energie gebracht haben, hat sich die Weltwirtschaft seit Kyoto verändert. Wenn sich eine starke, engagierte und vielfältige Koalition von Ländern entwickelt, könnte sie daher versuchen, Kernelemente des Übereinkommens von Paris zu retten und sie möglicherweise mit einem Plan zum Grenzsteuerausgleich für Produkte aus Ländern ausserhalb des Systems zu kombinieren.

Diese Möglichkeit ist schlechter als das ursprüngliche Pariser Übereinkommen, aber sie ist besser als eines der alternativen Szenarien, denen wir gegenüberstehen. Regierungen sollten die jährliche Klimaverhandlung in Marrakesch diese Woche nutzen, um sich schnell auf die neue Realität der Klimapolitik einzustellen. Es ist eine Realität, in der die USA – zumindest in den nächsten vier Jahren – nicht dabei sein werden.

Bild: Fotolia / firewings

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