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Meinungen - 14.04.2016 - 00:00 

Nachfolge am U.S. Supreme Court

Daniel M. Häusermann diskutiert mögliche Strategien der Republikaner in Bezug auf die Nachfolge des verstorbenen Richters am U.S. Supreme Court, Antonin Scalia.

15 April 2016. Am 16. Mai 2016 nominierte Präsident Obama den Berufungsrichter Merrick Garland als Nachfolger von Antonin Scalia am U.S. Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der USA. Scalia war der Doyen des konservativen Flügels unter den Supreme-Court-Richtern. Der vom Präsidenten nominierte Kandidat muss vom republikanisch beherrschten Senat bestätigt werden. Indes machten die Republikaner gleich nach Garlands Nomination deutlich, dass sie nicht bereit sind, vor der Präsidentschaftswahl im Herbst im Senat über die Bestätigung abstimmen zu lassen. Die Frage stellt sich, ob das ein kluger Schachzug war.

Einen Kandidaten für den Supreme Court zu nominieren, ist eine der fol-genreichsten Entscheidungen, die ein Präsident zu fällen hat. Die neun Richter am Supreme Court können Erlasse auf Bundesebene und der Gliedstaaten für verfassungswidrig erklären. Die einzige Möglichkeit, einen Entscheid des Supreme Court umzustossen, wäre, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu ändern, was bei politisch umstrittenen Fragen prak-tisch unmöglich ist.

Die lange Hand des Präsidenten

Eine Berufung an den Supreme Court gilt in den USA als höchste Aus-zeichnung, die einem Juristen zuteilwerden kann. Da die Richter auf Lebenszeit ernannt sind (obschon viele mit ca. 75 Jahren zurücktreten), kann der Präsident durch eine Nomination seinen Einfluss weit über das Ende seiner Amtszeit ausdehnen. Beispielsweise wurden vier der acht amtieren-den Richter am Supreme Court (wie Scalia) von Präsident Reagan, Bush Senior bzw. Clinton ernannt.

Die Entscheidung Obamas stellt die Republikaner vor ein Dilemma. Wenn sie Merrick Garland bestätigen, würde die bisherige 5:4-Mehrheit der Konservativen in eine 5:4-Mehrheit der Linksliberalen umschlagen. Die Mehrheit erneut zu kippen, wäre schwierig, da die Richter typischerweise nur zurücktreten, wenn der amtierende Präsident einen Nachfolger nominieren würde, der die politische Einstellung des zurückgetretenen Richters teilt.

Wann, wenn nicht jetzt?

Im Fall, dass die Republikaner Garland nicht bestätigen, sieht ihre Lage kaum besser aus: Beim jetzigen Stand der republikanischen Vorwahlen ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Kandidat nominiert wird, der im Herbst nur geringe Wahlchancen hat. Sollte deshalb Hillary Clinton zur Präsidentin gewählt werden, so wird sie kaum einen konservativen Kandidaten für den Supreme Court nominieren. Die Republikaner werden sich auch nicht während der ganzen Amtszeit Clintons weigern können, einen linksliberalen Kandidaten zu bestätigen.

Hinzu kommt, dass das Weisse Haus bereits eine PR-Kampagne lanciert hat, um die öffentliche Meinung auf die Seite Obamas zu ziehen. Beispielsweise wurde auf der Webseite des Weissen Hauses ein eigener Bereich aufgeschaltet, der über Garlands Nomination informiert. Die Seite stellt Garland als Familienmenschen und als hartgesottenen ehemaligen Strafverfolger in spektakulären Terrorfällen dar und gibt den Republikanern prophylaktisch die Schuld an möglichen Verzögerungen im Bestätigungsverfahren.

Angesichts des offenbar tadellosen Leistungsausweises Garlands riskieren die Republikaner, gemässigte Wähler zu vergraulen, wenn sie sich im Senat weiter gegen eine Bestätigung Garlands sperren.

Das geringere Übel

Die republikanischen Parteistrategen sollten ihre Optionen sorgfältig ab-wägen. Sie werden wohl abwarten, wen ihre Partei zum Präsidentschaftskandidaten kürt. Sollte Donald Trump oder Ted Cruz nominiert werden, von denen keiner gute Wahlchancen hat, könnte eine Bestätigung Garlands der konservativen Sache langfristig weniger schaden als die Alternative: Hillary Clinton könnte nämlich als Präsidentin einen Kandidaten nominieren, der weiter links steht und jünger ist als der 63jährige Garland. In diesem Fall könnte der Supreme Court während der kommenden Jahrzehnte über eine linksliberale Mehrheit verfügen.

Dr. Daniel Häusermann, LL.M. (Harv.), ist Privatdozent für Privat- und Wirtschaftsrecht an der HSG. Er lebte und forschte während zweier Jahre in den USA.

Bild: doganmesut / fotolia.de

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