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Meinungen - 12.11.2015 - 00:00 

Ein anderer Weg für Afrika

Im Rahmen der Partnerschaft zwischen der Universität St.Gallen und der Strathmore University in Nairobi, Kenia, besuchten kenianische Studierende zusammen mit 30 HSG-Studierenden ein fünftätiges Seminar an der HSG zum Thema «Doing Business in Africa». Ein Kommentar zu den Ergebnissen des Programms von Mumbi Maria Wachira.

Seminarteilnehmende Doing Business in Africa

12. November 2015. Keine Region der Welt wird dermassen von Kontroversen geschüttelt wie Subsahara-Afrika, eine Region, wo 47% der Bevölkerung von 800 Millionen Menschen mit weniger als USD 1.25 pro Tag auskommen müssen. Allerdings hat der Kontinent dank einer Zunahme ausländischer Investitionen, des einheimischen Wirtschaftswachstums, Verbesserungen im Hochschulwesen und technologischer Entwicklungen gewaltige Fortschritte erzielt. Mit dem zunehmenden Wachstum des Kontinents wird es für Organisationen dabei zusehends dringlicher, in den afrikanischen Markt vorzustossen. Die Aussicht auf grosse Erfolge erscheint fraglos, doch das Tätigen von Investitionen auf dem afrikanischen Markt ist so vielversprechend wie heikel.

Mit Geduld und Standhaftigkeit zum Erfolg

Afrika ist keine zusammenhängende Wirtschaft, sondern ein bunt zusammengewürfeltes Flickwerk voneinander abgesonderter ökonomischer Gefüge, die zusammengesetzt eine einzige Region ausmachen. Darüber hinaus wird der Kontinent nach wie vor von zahlreichen Herausforderungen geplagt wie z.B. von einem hohen Korruptionsniveau, weitverbreiteter Armut, mangelhaften Infrastrukturen, kulturellen Unterschieden und politischer Unsicherheit. Zum wirtschaftlichen Erfolg in Afrika benötigt man ein gehöriges Mass an Geduld und eine Portion Standhaftigkeit.

Zu einem Zeitpunkt, da mehr Unternehmen den Kontinent anvisieren, ist es für die Universitäten der Industrieländer unabdingbar geworden, ihre Studierenden mit den Komplexitäten geschäftlichen Wirkens in Afrika vertraut zu machen. Die IESE Business School in Spanien beispielsweise hat ein Modul in ihrem MBA-Programm, das den Studierenden das geschäftliche Umfeld Afrikas näherbringt. Die Universität St.Gallen bietet ebenfalls Kurse an, die den Studierenden einen Überblick über die kritischen Aspekte der Geschäftstätigkeit in der Region vermitteln, wobei u.a. Chancen und Risiken herausgeschält, die politischen und makroökonomischen Umfelder afrikanischer Länder sowie regionale Dynamiken analysiert werden. Obgleich solche Fortschritte im Bildungswesen positiv sind, stellt sich weiterhin die Frage, ob dies zum echten Verständnis der Region tatsächlich auch ausreicht. Und wenn dies nicht der Fall ist: Wie kann man sich dieses Verständnis am besten erarbeiten?

Wachstumsfragen sind bei diesem Problem beispielhaft. Der Fortschritt in Afrika folgt nicht den traditionellen Schemata wirtschaftlicher Entwicklung wie sie z.B. vom Modell der Kuznets-Kurve beschrieben werden. Der Knackpunkt besteht darin, dass sich Afrika auf einer Gratwanderung zwischen Fort- und Rückschritt befindet. Rund 5-6% der afrikanischen Bevölkerung sind an Hochschulen eingeschrieben. Dies bedeutet, dass die Zukunft Afrikas in den Händen weniger Menschen liegt. Es ist nicht klar, ob diese Gruppe von Menschen den Weg in Richtung positiven Wandels wählen und für Afrika ein neues Zeitalter herbeiführen wird oder ob dieselbe Gruppe auf dem alten Trampelpfad der Korruption und Untauglichkeit verharren wird.

Die Dynamiken zwischen diesen einander entgegengesetzten «Wegen» verändern sich mit jedem neuen Jahr. In einigen Fällen scheinen gewisse Länder in Afrika auf beiden Pfaden gleichzeitig zu wandeln. Beispielsweise haben viele afrikanische Regierungen politische Massnahmen zur Förderung des offenen Handels ergriffen, ehemals staatseigene Unternehmen privatisiert und die Körperschaftssteuern gesenkt. Gleichzeitig sind dieselben Regierungen der Veruntreuung öffentlicher Mittel, der Annahme von Bestechungsgeldern und schwerwiegender Verfehlungen bezichtigt worden.

Bestehende Widersprüche
Die innerhalb der Region weiterbestehenden kulturellen Unterschiede sind noch schwieriger zu verstehen. Erstens unterscheidet sich die Kultur sowohl zwischen den Ländern als auch in den Ländern selbst. Kenia z.B. ist das Heimatland von mehr als 40 verschiedenen Stämmen. Auch wenn sich die Kluft zwischen den Menschen in Afrika und den alten afrikanischen Traditionen vergrössert, halten viele Menschen noch immer an ihrer kulturellen Identität fest und nehmen sich als verschieden von Menschen anderer Stämme wahr. Ob dies der künftigen Entwicklung abträglich oder hinderlich ist, ist eine strittige Frage. Man findet durchaus hochgebildete Afrikaner, die nach wie vor rückständigen kulturellen Praktiken huldigen. Weshalb gibt es Widersprüche dieser Art? Ein Verständnis der zugrunde liegenden Faktoren, die diese Ungereimtheiten in staatlichen Handlungen bewirken , oder des Einflusses, den die afrikanische Kultur auf die Menschen ausübt, erfordert vermutlich mehr als eine in der Ferne angebotene Lehrveranstaltung.

Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das besagt: «Dein Haus verlassen heisst lernen». Dies impliziert, dass Studierende, die Afrika verstehen wollen, den Kontinent an der Quelle kennenlernen sollten. Vielleicht braucht es dazu weitere Kooperationen mit afrikanischen Universitäten, Institutionen und Unternehmen, um sicherzustellen, dass sich Studierende ein besseres Verständnis der in der Region vorherrschenden sich wandelnden Dynamiken erarbeiten können. Auf jeden Fall führen alle Wege nach Afrika.

Über die Autorin

Mumbi Wachira ist Doktorandin an der Universität St.Gallen. Sie ist gegenwärtig als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Law & Economics an der Universität St.Gallen tätig. Ihre Doktorarbeit befasst sich mit den Reporting-Praktiken börsennotierter Unternehmen in Subsahara-Afrika im Bereich der Nachhaltigkeit.

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