close

Meinungen - 23.09.2014 - 00:00 

Fortschritte im Klimaschutz

Wie findet Klimapolitik Unterstützung in der Bevölkerung? Dieser Frage sind die Politikwissenschaftler Michael M. Bechtel und Kenneth Scheve nachgegangen. Fazit der Studie: Kosten, faire Aufteilung unter den Ländern und Vertragsinhalte entscheiden über die Popularität des Klimaschutzes bei der Bevölkerung.

$alt

23. September 2014. Der Klimagipfel der Vereinten Nationen soll es Regierungschefs erleichtern, sich im Jahr 2015 auf ein effektives Klimaabkommen zu einigen. Wie lässt sich Klimaschutz mit Hilfe von Politik erwirken? Und wie findet Klimapolitik überhaupt die Unterstützung der Bevölkerung? Dies haben die Politikwissenschaftler Michael M. Bechtel und Kenneth Scheve im Rahmen einer Umfrage mit 8500 Personen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten untersucht. Fazit: Die Unterstützung für Klimapolitik hängt stark von deren Kosten und dem Inhalt der Klimaverträge ab.

Michael M. Bechtel forscht an der Universität St.Gallen, Kenneth Scheve an der University of Stanford. Die Umfrage führten sie im Rahmen eines Forschungsprojektes durch, das das Swiss Network for International Studies fördert. Die Vollversion der Studie wurde in der Publikation Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht. Ein animierter Kurzfilm fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Kreiert wurde das Video von der Zürcher Filmproduktionsfirma Zense, geleitet von HSG-Absolvent Andri Hinnen. Das Video «Fortschritte im internationalen Klimaschutz - aber wie?» ist auf Youtube in Deutsch und Englisch verfügbar. Im Folgenden fassen die Autoren Ihre Ideen in einem Meinungsbeitrag zusammen:

Klimaschutz mit der Bevölkerung

«Die Regierungen demokratischer Staaten werden kein Klimaabkommen unterzeichnen, das in ihrem Land von der Bevölkerung nicht unterstützt wird. Und selbst wenn dies geschähe, so hätte ein solches Abkommen kaum eine Chance, gegen den Willen der Bevölkerung wirksam umgesetzt zu werden. Diese zunächst triviale Erkenntnis ist vor allem für jene Länder wie die Vereinigten Staaten wichtig, die für einen grossen Teil des weltweiten Ausstosses an Treibhausgasen verantwortlich sind. Umso überraschender ist in diesem Zusammenhang die immer wieder aufkeimende Debatte, ob Klimaschutz bei der Bevölkerung populär ist oder eher nicht.

Diese Frage verfehlt jedoch den Kern der Sache. Es geht nicht darum, ob Bürger Klimapolitik grundsätzlich befürworten, ebenso wenig wie es darum geht, ob sie in der Vorweihnachtszeit Glühwein im Allgemeinen mögen. Allgemein gefragt, findet fast jeder beides gut. Aber: Für Klimapolitik wie auch für Glühwein gilt, dass die Nachfrage nach diesen Gütern von deren Preis und ihren Qualitätseigenschaften abhängen. Dies belegen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage mit insgesamt 8.500 Personen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten durchgeführt haben (veröffentlicht in Proceedings of the National Academy of Sciences).

Klimapolitik muss für fairen Ausgleich sorgen

Mit Hilfe eines Umfrageexperiments haben wir ermittelt, wie die Unterstützung für ein Klimaabkommen von dessen genauer Ausgestaltung abhängt. Spielt es zum Beispiel eine Rolle, wie hoch die Umsetzungskosten eines Klimavertrags ausfallen? Finden Abkommen mit mehr Teilnehmerländern bei der Bevölkerung mehr Unterstützung? Wie wichtig sind aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger Überwachungs- und Sanktionsinstrumente, mit denen die Wirksamkeit des Vertrags erhöht werden sollen?

Die Unterstützung für Klimapolitik hängt stark von deren Kosten ab. Erhöhen sich die Kosten des Klimaschutzes von 0,5 auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung, sinkt die Popularität eines Abkommens um 10 Prozentpunkte. Wie auch beim Glühwein hat der Preis einen wichtigen Einfluss auf die Nachfrage nach Klimapolitik. Aber der Preis ist nicht alles. Für ein gutes Glas Glühwein ist man vielleicht bereit, ein bisschen mehr zu zahlen. Und so verhält es sich auch mit der Unterstützung für Klimaverträge: Auf den Inhalt kommt es an.

Regierungen können nämlich internationale Klimaverträge durch deren spezifische Ausgestaltung attraktiver machen. Zum Beispiel zeigen unsere Ergebnisse, dass die Bevölkerung jene Abkommen deutlich stärker unterstützt, bei denen sich mehr Länder beteiligen. Auch die Verteilung der Kosten spielt für die öffentliche Unterstützung eine Rolle. Selbst ein sehr teures Abkommen wird populärer, wenn die Kosten zwischen den Ländern nach Fairnessprinzipien wie dem Verursacherprinzip verteilt werden. Die Bevölkerung befürwortet auch jene Abkommen mehr, die unabhängige Überwachungselement beinhalten und geringe Strafzahlungen vorsehen, falls ein Land seine Klimaschutzziele nicht erreichen sollte.

Populäre Charakteristika

Warum finden Bürger diese Charakteristika attraktiv? Zu einem gewissen Teil ist dies wohl darauf zurückzuführen, dass solchen Abkommen eine höhere Wirksamkeit gegen den Klimawandel versprechen. Einige der populären Charakteristika tragen jedoch auch weit verbreiteten Reziprozitätsnormen (ich kooperiere, wenn auch Du kooperierst) Rechnung. Solche Normen sind in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens weit verbreitet. Klimaverträge, die sich an diesen sozialen Normen orientieren, werden von der Bevölkerung deshalb stärker befürwortet.

Die allgemeine Unterstützung für Klimapolitik ist in den Vereinigten Staaten deutlich niedriger als in europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien. Erstaunlicherweise sind sich die Bürger dieser Länder aber weitgehend einig darüber, welche Klimaverträge mehr oder weniger erstrebenswert sind. Dies sollte Klimaverhandlungen deutlich erleichtern, da die Regierungen einer ähnlichen politischen Nachfrage gegenüberstehen.

Preis und Qualität müssen stimmen

Ob die richtige Kombination der Ausgestaltung von Klimaabkommen tatsächlich mehrheitsentscheidend ist, hängt auch davon ab, wie hoch die Zustimmung zu Klimaverträgen in einem Land im Allgemeinen ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die richtige Ausgestaltung eines Klimavertrags in Deutschland, Frankreich und auch in Grossbritannien dazu führt, dass ein zuvor von der Mehrheit der Bürger abgelehnter Klimavertrag nun von mehr als die Hälfte aller Bürger befürwortet wird.

Nur in den Vereinigten Staaten ist dies nicht der Fall. Aber auch im Land der SUVs und Klimaanlagen treibt der populärste Klimavertrag die öffentliche Unterstützung von 29 auf beachtliche 47%. Dies zeigt, dass der Weg aus der Sklerosis internationaler Klimapolitik über die richtige Kombination der Eigenschaften von Klimaverträgen führt. Wie die Anbieter von Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt müssen Regierungen ein Abkommen so ausgestalten, dass es die Bevölkerung hinsichtlich Preis und Qualität überzeugt.»

Autoren: Michael M. Bechtel, Kenneth Scheve.

Bild: Zense / Fortschritte im internationalen Klimaschutz

Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte

north