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Meinungen - 25.02.2014 - 00:00 

«Verschrotter der alten Eliten»

Italien hat einen neuen Ministerpräsidenten und hofft, dass damit ein Wendepunkt erreicht ist. Renato Martinoni, Professor für italienische Sprache und Literatur, über den jüngsten Machtwechsel in Rom.

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28. Februar 2014. In Italien ist seit einiger Zeit das Wort «rottamare», das heisst «verschrotten», in Mode gekommen. Die «Verschrotter», diejenigen, die mit allem aufräumen, sind jedermanns Liebling geworden.

Man weiss ja, das Neue ist faszinierend und es fördert wieder das Vertrauen in die Politik. Der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, hat zusammen mit einer Mehrheit seiner gemässigt linken Partito Democratico (PD) den Parteikollegen Enrico Letta auf unsanfte Weise aus dem Amt gedrängt und ist somit der neue Ministerpräsident Italiens geworden. Renzi, der keine parlamentarische Erfahrung hat, verkauft sich gut; er ist sympathisch, hat Charisma und grosses Talent, sich selbst in Szene zu setzen. Seine Reden sind nicht losgelöst von populistischen Tönen, aber die Italiener sind, seit Berlusconi das «Spielfeld» betrat, daran gewöhnt.

Kraftloses System reformieren

Das grösste Problem Italiens ist die Wirtschaftskrise, die einhergeht mit einer hohen Quote an Jugendarbeitslosigkeit, sowie die Notwendigkeit, ein festgefahrenes, kraftloses System zu reformieren. Doch das Motto ist immer dasselbe: «Familie, Arbeit, Wirtschaft», das nun von zwei Schlagwörtern umrundet wird: «Einfachheit und Mut».

Es mag hart erscheinen, ist jedoch nicht überraschend, dass Berlusconi, obwohl er wegen seiner vielen Justizangelegenheiten rechtskräftig verurteilt worden ist und deswegen seinen Sitz im Senat verloren hat, immer noch politisch aktiv ist, im Fernsehen erscheint und über eine «verantwortungsvolle Opposition» spricht. Ausgerechnet Renzi, der selbst ernannte «Verschrotter der alten Eliten», hofiert das älteste, was die alte politische Kaste zu bieten hat und möchte vielleicht sogar mit ihm zusammenarbeiten.

Alte Rivalitäten beseitigen
Natürlich muss das Land neue Kompromisse eingehen und die alten Rivalitäten beseitigen. Renzi ist ein Mann der klaren Worte, er spricht im Namen «der Italiener», und nicht im Namen «derer, die seiner Meinung sind», als ob ein Politiker die Wünsche der Gesamtheit repräsentieren könnte. Vor ihm war es Berlusconi, der genauso gehandelt und gesprochen hat. Währenddessen gibt es immer noch jemanden, der nicht zufrieden ist. Dies ist schon die dritte Regierung (nach Mario Monti und Enrico Letta), die nicht durch demokratische Wahlen zustande gekommen, sondern vom Präsidenten der Republik, Giorgio Napolitano, eingesetzt worden ist.

Die alten Differenzen zwischen «rechts» und «links» scheinen inzwischen nicht mehr zu existieren. Genau wie bei Enrico Letta, dessen Laufbahn im christlich-demokratischen Lager begonnen hat, so hat auch Renzis fulminante Karriere in den katholischen Reihen begonnen. Der Kommunismus und die «historische» Linke sind aber für beide nur eine verblasste Fotografie. Wenn Letta ein gemässigter, ernster, vernünftiger Mensch ist und im Ausland anerkannt wird, so ist Renzi in Europa noch unbekannt und verfügt über keine internationale Erfahrung.

Ein Wendepunkt für Italien?

Sofort nach der Vereidigung berief Renzi das neue Kabinett ein, das acht Frauen und acht Männer umfasst. Die Hälfte der Italiener ist überzeugt, dass die neue Regierung einen Wendepunkt darstellen kann. In der Zwischenzeit haben die Medien Matteo Renzi als den jüngsten Ministerpräsidenten Italiens gefeiert, da er erst 39 Jahre alt ist. Wenn man an das republikanische Italien denkt, dann hat diese Feststellung seine Richtigkeit. Wenn man aber an das Italien des 20. Jahrhunderts denkt, dann drängt sich der Vergleich auf, dass hier ein anderer Ministerpräsident, der auch nicht vom Volk gewählt worden war, mit seinen 39 Jahren an die Macht gekommen ist. Sein Vorname war Benito. Hoffen wir, dass das junge Alter und eine bestimmte rhetorische Gewandtheit die einzigen Ähnlichkeiten bleiben werden.

Bild: Photocase / buschbrand

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