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Meinungen - 25.02.2014 - 00:00 

AHV zählt zu den Verlierern

Dank der Migration hat sich die AHV besser entwickelt, als vor Jahren prognostiziert wurde. Doch wie sieht die Zukunft aus? Martin Eling, Professor für Versicherungswirtschaft, über mögliche Auswirkungen der Zuwanderungsinitiative auf die AHV.

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26. Februar 2014. Bundesrat Alain Berset hat mit der «Altersvorsorge 2020» und «Gesundheit 2020» gleich zwei sozialpolitische Grossprojekte lanciert. Bis Ende 2014 will der Bundesrat die Botschaft zur Reform der Altersvorsorge vorlegen. Ohne Zweifel ist dies ein schwieriger politischer Prozess, mit noch sehr offenem Ausgang.

Die Reformnotwendigkeit wird durch die Annahme der Zuwanderungs-Initiative verschärft. Denn die Entwicklung der Migration ist einer der wesentlichen Inputparameter für die AHV-Finanzen. Es ist dabei allgemein anerkannt, dass sich die AHV zuletzt deutlich besser entwickelt hat, als vor einigen Jahren prognostiziert wurde. Dafür sind die Migration einkommensstarker Arbeitnehmer und die gute wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz massgeblich verantwortlich.

Mit der Annahme der Zuwanderungs-Initiative wird nun von vielen Experten eine gegenteilige Entwicklung erwartet. Anhand vorhandener Prognoserechnungen des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) kann der Einfluss einer reduzierten Zuwanderung geschätzt werden. So beträgt das zusätzliche Defizit der AHV, was durch einen Wechsel vom mittleren zum tiefen Szenario des BSV entsteht, bis zum Jahr 2030 etwa 25 Milliarden Franken.

Das mittlere Szenario unterstellt eine Zuwanderung von 40 000 Menschen pro Jahr, das tiefe Szenario hingegen eine Zuwanderung von 30 000 Menschen pro Jahr. Wird dieses zusätzliche Defizit auf jeden Einwohner der Schweiz umgelegt, beträgt die Mehrbelastung etwa 3100 Franken pro Einwohner.

Hohe Mehrbelastung ab 2020

In diese Prognoserechnungen gehen neben Annahmen zur Zuwanderung auch Annahmen zur Lohnentwicklung mit ein. Darüber hinaus gibt es weitere Schätzungen von Avenir Suisse und vom Schweizer Gewerkschaftsbund, welche den Einfluss der Migration auf die AHV isoliert untersuchen, ohne dies mit unterschiedlichen Lohnentwicklungen zu verknüpfen. Die Resultate weisen dabei eine sehr ähnliche Stossrichtung auf. Dass Parteien sehr unterschiedlicher politischer Couleur zu sehr konsistenten Resultaten kommen, unterstreicht die

Brisanz der Thematik.

Der Grossteil der Mehrbelastung tritt gemäss den Prognosen dabei erst zwischen 2020 und 2030 ein. Während die Mehrbelastung bis 2030 etwa 25 Milliarden Franken beträgt, ist die geschätzte Mehrbelastung bis 2020 «nur» fünf Milliarden. Dies unterstreicht den Reformdruck im Hinblick auf die «Altersvorsorge 2020». Die damit verbundenen Massnahmen sollen nämlich im Jahr 2020 in Kraft treten. Ob die im Reformpaket angedachten Massnahmen ausreichen, um auch das nun entstehende zusätzliche Defizit zu decken, erscheint durchaus diskussionswürdig.

Jeden Franken nur einmal ausgeben

Bislang galt die Schweiz insbesondere für hochqualifizierte und gutverdienende Menschen als attraktiver Anziehungspunkt. So hatten etwa gemäss einer Sonderauswertung der AHV-Statistik im Jahr 2008 rund 240‘000 EU-Bürger von etwa einer Million EU-Beitragszahlern ein AHV-Einkommen von über 80‘000 Franken, was das rentenbildende Maximum darstellt. Alle Einkommen darüber hinaus sind bare Münze für die AHV. Denn diese hohen Einkommen können als dauerhaften Sanierungsbeiträge für die AHV interpretiert werden.

Ob die Schweiz mit einer restriktiven Zuwanderungspolitik auch in Zukunft in der Lage sein wird, hochqualifizierte Menschen mit hohem Einkommen anzuziehen, bleibt abzuwarten. Sicherlich gibt es gute Argumente für und gegen eine Begrenzung der Zuwanderung in der Schweiz. Es ist aber zu vermuten, dass die Sozialversicherung und hier insbesondere die AHV zu den Verlierern der Zuwanderungs-Initiative zählen wird. Die damit entstehenden Defizite müssen zwingend ausgabe- oder finanzierungsseitig, etwa in Form höherer Beiträge oder geringerer Renten, gedeckt werden. Denn auch in der AHV kann jeder Franken nur einmal ausgegeben werden.

Bild: Photocase / boing

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