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Meinungen - 08.08.2012 - 00:00 

Der Kampf ums geistige Eigentum

Rechtliche Streitigkeiten auf Basis von geistigen Eigentumsrechten wie Patenten, Marken und Designs sind zum Wirtschaftsinstrument avanciert. Ein Meinungsbeitrag von Dr. Martin A. Bader.

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9. August 2012. «Nespresso versucht Konkurrenzprodukte vom Markt fernzuhalten – dies darf im Sinne eines freien Wettbewerbs und der Konsumenten nicht geduldet werden. Wir werden uns mit allen rechtlichen Mitteln gegen diesen Entscheid zur Wehr setzen», so kommentierte Denner CEO Peter Bamert das weitere Vorgehen, nachdem das St.Galler Handelsgericht zu Beginn letzten Jahres eine superprovisorische Verfügung gegen Denner erliess und Denner daraufhin zunächst seine Kaffeekapseln aus den Regalen nehmen und deren Bewerbung einstellen musste. Demgegenüber erläuterte Pascal Hottinger, Geschäftsführer Nespresso Schweiz: «Wir wollen unser geistiges Eigentum verteidigen. Es ist das Resultat eines langjährigen Innovationsprozesses».

Nestlés Kampf gegen die Hydra der Kaffeekapsel-Imitanten

Das Vorgehen von Nestlé gegen Denner war aber nur der Auftakt zu einem längeren Feldzug. Vordergründig geht es um die Kapsel – die Kapsel als geistiges Eigentum. Im Kern geht es aber um die Verteidigung eines Geschäftsmodells. Nestlé gilt als Pionier im portionierten Kaffeegeschäft. Doch Erfolg zieht Nachahmer an: Weltweit gibt es mittlerweile etwa 30 Wettbewerber, davon allein 16 Marken in der Schweiz. Nestlé hat die Nespresso-Erfindung anscheinend mit 1‘700 Patenten geschützt und wehrt sich damit gegen Wettbewerber die von diesem Multi-Milliarden Franken Markt ebenfalls profitieren wollen – in der Schweiz nach Media Markt und Fust zuletzt auch gegen die Migros.

Apple sieht sich von Google beklaut und abgezockt
Ein weiteres Beispiel ist Apple. Apple öffnete die Büchse der Pandora im März 2010 indem es aus 20 seiner Patente seinen Smartphone-Wettbewerber HTC verklagte. Der Angriff war aber eigentlich gegen Googles Smartphone-Betriebssystem Android gerichtet. Der nächste Feldzug Apples richtete sich dann im April 2012 gegen Samsung, der am letzten Juli-Tag zu einer historisch beachtlichen 2.5 Milliarden Schadensersatzklage gegen Samsung auf Basis von angeblich missachteten Eigentumsrechten von Apple mündete. Samsung ist derzeit der stärkste Wettbewerber Apples im Smartphone- und Tablet-Computer-Markt und macht Apple Marktanteile streitig – Marktanteile in einem Multi-Milliarden Dollar Markt.

Geistige Eigentumsrechte – ein Stellvertreterkrieg

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei unterschiedliche Dinge. Bei geistigen Eigentumsrechten muss sich der Inhaber selbst darum kümmern, dass Dritte diese Rechte respektieren – es gibt keinen «Staatsanwalt». Eine weitere Besonderheit ist, dass geistige Eigentumsrechte keine Erlaubnisrechte sind, sondern nur Verbietungsrechte: Ein Erfinder, der für seine Erfindung ein Patent erhält, bekommt also nicht die alleinige Erlaubnis seine Erfindung auszuüben, sondern nur das Recht, Dritten u.a. die Benutzung seiner patentierten Erfindung zu verbieten. In Bereichen, wo eine hohe Integration unterschiedlicher Technologien besteht, wie dies beispielsweise bei Smartphones der Fall ist, kann es dann zu starken Überlappungen dieser Verbietungsrechte kommen. Keiner kann mehr ohne Abstimmung mit anderen das Produkt selbst herstellen.

Die folglich notwendige «Abstimmung» zwischen den unterschiedlichen Rechteinhabern kann friedlicher oder aggressiver erfolgen und ist stark branchenabhängig. Ziel ist häufig eine Lizenzierung oder ein Tausch geistiger Eigentumsrechte begleitet von Ausgleichszahlungen. Beharrt aber ein Rechteinhaber auf exklusiver Eigennutzung, bleibt der anderen Partei nichts anderes übrig als dies zu akzeptieren oder eine eigene Position aufzubauen und diese zu verteidigen. Entsprechend aufwändig werden dann die damit verbundenen Verfahren.

Ein Vorreiter war vor mehr als zwanzig Jahren die Halbleiterindustrie. Es folgten die Telekommunikation und der Mobilfunk. Mittlerweile erreichen derartige Ausgleichs-Auseinandersetzungen auch die Aufmerksamkeit des Endkonsumenten in bestimmten Segmenten im Konsumgütermarkt und im Bereich der mobilen Endgeräte und Anwendungen sowie der sozialen Netzwerke.

Kapital der Wissensgesellschaft

Es kristallisiert sich zunehmend heraus, dass in der Wissensgesellschaft geistiges Eigentum zum eigentlichen Kapital wird. Kein Wunder also, dass Innovationsführer ihre geistigen Eigentumsrechte umfassend zu schützen versuchen und diese konsequent verteidigen. Dass das intellektuelle Kapital durchaus auch einen direkten Bar-Gegenwert erzielen kann wurde im Juni letzten Jahres anschaulich demonstriert, als aus der Konkursmasse des Telekom-Ausrüsters Nortel das Patentportfolio separat versteigert wurde: Ein Konsortium, dem u.a. Apple, Microsoft, Sony und Blackberry-Anbieter Research in Motion angehörten, stach den Mitbieter Google aus und blätterte für etwa 6‘000 Mobilfunk-Patente 4.5 Milliarden US-Dollar hin.

Bild: Photocase / zettberlin

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