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Meinungen - 16.03.2011 - 00:00 

Japans Abkehr vom Atomstrom?

Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen über die Lehren aus der Atomkatastrophe in Japan und mögliche energiepolitische Szenarien für die Zukunft.

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14. März 2011. Die Herausforderungen einer schweren Krise stellten den Ausgangspunkt von Japans jahrzehntelangen Bemühungen um eine Führungsrolle im Bereich erneuerbarer Energien dar. Die weltweite Ölkrise in den 1970er Jahren führte dem rohstoffarmen Land schmerzlich die Notwendigkeit vor Augen, seine Energieabhängigkeit zu reduzieren.

Neue Energietechnologien
1974 hat das damalige MITI (Ministry of International Trade and Industry) das «Sunshine Project» lanciert, welches die beschleunigte Kommerzialisierung der Solarenergie und anderer neuer Energietechnologien zum Ziel hatte. Durch strategische Investitionen in Forschung und Entwicklung gelang es innerhalb von nur zwei Jahrzehnten, die Kosten von Solarzellen um den Faktor 65 zu senken, von ursprünglich 350 auf nurmehr knapp über fünf Dollar pro Watt im Jahr 1994. In den folgenden Jahren wurde systematisch der Übergang vom Labor in die industrielle Massenfertigung vorangetrieben, mit dem Erfolg einer nochmaligen Senkung der Kosten um zwei Drittel. Gleichzeitig erfolgte ein signifikanter Ausbau der Produktionskapazitäten für Solarzellen, und japanische Elektronikfirmen stiegen zu Weltmarktführern in dieser Zukunftstechnologie auf. Das Jahr 2005 markierte jedoch einen Wendepunkt.

Energiepolitische Neuorientierung

Gerade als sich andere Länder wie Deutschland, Spanien, die USA und China anschickten, durch staatliche Förderung der Solarenergie zum Durchbruch zu verhelfen, und die Netzparität (Grid Parity) in Reichweite zu rücken begann, klinkte sich das Pionierland im Fernen Osten aus und setzte stattdessen voll auf die Karte Kernenergie. Nach dem vollständigen Wegfall staatlicher Anreize für den Kauf von Solarsystemen mussten Firmen wie Sharp einen empfindlichen Einbruch auf dem Heimatmarkt hinnehmen. In der Folge verschoben sich auch im Weltmarkt die Gewichte, Sharp fiel vom ersten auf den dritten Platz in der Weltrangliste der Solarzellenproduzenten zurück, während die amerikanische Firma First Solar und das chinesische Unternehmen Suntech ungebremst vom stürmischen Wachstum des Solarmarktes profitierten.

Solare Renaissance im Land der aufgehenden Sonne
Im Jahre 2009 wurden dann auch die einstmals ehrgeizigen Ziele der Solar-Roadmap der japanischen Regierung in weite Ferne verschoben, neu sollen statt 2030 erst im Jahr 2050 fünf bis zehn Prozent des Energieverbrauchs aus Sonnenergie gedeckt werden. Nach einer frühen Technologieführerschaft hatte Japans Energiepolitik in den letzten Jahren der Mut verlassen, konsequent weiter in den Ausbau dieser Zukunftsindustrie zu investieren. Stattdessen setzte man auf eine Technologie, die kurzfristig niedrigere Kosten versprach, die aber – wie sich nun manifestiert – auch mit erheblichen Risiken einhergeht. Wenn die enormen akuten Herausforderungen der jetzigen Situation in den Hintergrund zu treten beginnen, wird es Zeit für eine energiepolitische Neuorientierung sein. Es wäre nicht das erste Mal in Japans jüngerer Vergangenheit, dass eine schwere Krise am Beginn einer Erfolgsgeschichte steht.

Foto: Photocase / Goodfield

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