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Leute - 18.10.2017 - 00:00 

In soziale Medien fliehen, den Alltag vergessen

Eskapismus – mit Hilfe von Medien aus der realen Welt in eine Scheinwelt flüchten. Dieses Phänomen und dessen Potenzial hat Severina Müller in ihrer Dissertation untersucht.

18. Oktober 2017. Welche Motive gibt es für die Mediennutzung? Als ein wichtiges Motiv gilt in der Medienpsychologie das Phänomen Eskapismus. Dies bezeichnet eine vorübergehende Flucht mit Hilfe von Medien aus der Realität in eine Scheinwelt. «Im Zentrum meiner Dissertation stand die Frage, wie soziale Medien – insbesondere Facebook – von Menschen für ihren Eskapismus genutzt werden», sagt Severina Müller. Damit erfüllte sie sich ihren Wunsch, sich mit einem Doktoratsstudium nach dem Soziologiestudium weiter wissenschaftlich zu qualifizieren.

Besser als sein Ruf
Die Realitätsflucht ist in der Gesellschaft eher negativ behaftet. Gemäss Severina Müller sei eine zentrale Erkenntnis der Dissertation, dass Eskapismus besser sei als sein Ruf. «Für das Individuum kann Eskapismus durchaus eine positive Bewältigungsstrategie sein.» Denn eine Auszeit aus der Alltagsrealität könne zur Erholung beitragen und das Wohlbefinden stärken. «Bei hoher Belastung kann es sinnvoll sein, vorübergehend in mediale Welten zu flüchten, um sich zu erholen und anschliessend mit neuer Energie den Alltag zu bewältigen.»

Herausforderung und Chance
Mit der Flucht aus dem Alltag entziehen sich Personen ihren Problemen und Herausforderungen. «Ich erhoffe mir, dass durch meine Dissertation Eskapismus ganzheitlich verstanden wird: Indem die Herausforderungen nicht vergessen, aber auch die Chancen gesehen werden», sagt Severina Müller. Denn soziale Medien können nicht pauschal verurteilt werden. In ihrer Dissertation konnte Müller noch weitere positive Effekte von Eskapismus aufzeigen: Personen mit einem eskapistischen Wunsch informieren sich besonders häufig mittels sozialer Medien über das Tages- und Weltgeschehen und beteiligen sich politisch.

Wissenschaft in der öffentlichen Verwaltung
Heute ist Severina Müller in der öffentlichen Verwaltung tätig und bleibt dabei ihrer wissenschaftlichen Arbeitsweise treu. Sie bringt ihr medien- und kommunikationswissenschaftliches Wissen nun  bei Präsenz Schweiz im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein. Dort analysiert sie, wie die Schweiz in ausländischen Medien und auf Social Media wahrgenommen wird. «Es gefällt mir, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in die Politik einfliessen und damit zu fundierten Erkenntnissen beitragen können.»

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