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Leute - 27.11.2012 - 00:00 

Mit Werten überzeugen

Verantwortungsvolle Führung ist das Thema der CEMS-Jahreskonferenz an der HSG. HSG-Professor Wolfgang Jenewein im Gespräch über Führungspersönlichkeiten.

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27. November 2012. Herr Jenewein, ausgewählte Studierende aller HSG-Masterprogramme beschäftigen sich während den CEMS Annual Events mit «Responsible Leadership». Welche Themen behandeln Sie in Ihrem Kurs?

Wolfgang Jenewein: Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie man in einem komplexen Umfeld so führt, dass Menschen gut zusammen arbeiten. Komplexität, soziale Orientierung und Werte wie Empathie, Nachhaltigkeit und Ethik stehen dabei im Vordergrund. Ein Beispiel: Neue Geschäftsmodelle entstehen durch Interaktion mit Kunden. Der Erfolg eines Managers hängt also stark davon ab, wie gut er sich in seine Kunden hineinversetzt und gleichzeitig die Erwartungen der übrigen Stakeholder in seinen Entscheidungen berücksichtigt.

Diese ganzheitliche Perspektive führt vielleicht nicht so rasch zu Ergebnissen, zahlt sich langfristig aber aus – weil sie zu nachhaltigeren Lösungen führt. Mit Gastreferenten aus der Praxis diskutieren wir über solch komplexe Führungsaufgaben. Ein idealtypisches Beispiel ist «Stuttgart 21». Dr. Volker Kefer, Vorstand der Deutschen Bahn, diskutierte mit den Studierenden über das Management des Bauprojekts.

Ist verantwortungsvolle Führung ein universell gültiger Begriff oder gibt es nicht grosse Unterschiede im Verständnis – insbesondere wenn wir etwa die Management-Kultur in Europa mit jener in Asien vergleichen?
Jenewein: Bei guter Führung geht es immer um Menschen und ihre Werte. Eine gute Führungskraft steht für gewisse Werte und überzeugt ihre Mitarbeitenden so als Mensch. Das ist im Grunde in jeder Kultur gültig – bei variierenden Werten. So ist im asiatischen Raum mit Sicherheit eine andere Führungskultur gefragt als in Europa. In Asien müssen Aufgaben nach bisheriger Erfahrung detaillierter geplant und strukturiert werden. Integrität und Verantwortung sind jedoch weltweit und in jeder Organisationsform gefragt. Egal, ob man in einer chinesischen Fabrik am Fliessband arbeitet oder in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines Unternehmens in Schweden: In jedem Fall muss ich mich ernst genommen fühlen und hinter den Werten stehen können, die die Führungskräfte vertreten. Das ist die Essenz verantwortungsvoller Führung.

Wir leben derzeit in einer Welt der wirtschaftlichen Unsicherheit, die wir weit weg in Griechenland, aber auch ganz nah im Kanton St.Gallen beobachten können. Worin zeichnet sich eine verantwortungsvolle Führungspersönlichkeit in Politik oder Wirtschaft in solchen Zeiten aus?

Jenewein: Eine Führungspersönlichkeit sollte zunächst einmal eine überzeugende Persönlichkeit sein und für ihre Werte einstehen. Eine verantwortungsvolle Führungskraft denkt vernetzt und zieht verschiedenste Sichtweisen bei ihren Entscheidungen in Betracht. Dazu stimmt sie sich mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen ab und bezieht sie in ihre Überlegungen mit ein. Dies kann ein langwieriger Prozess sein, führt aber am Ende zur besten Lösung für alle Beteiligten.

Die EU-Kommission hat jüngst die Forderung aufgestellt, die Verwaltungsräte von Europas börsennotierten Unternehmen bis 2020 mit 40 Prozent Frauen zu besetzen. Was halten Sie von diesem Vorschlag und sind Frauen die besseren Führungspersönlichkeiten?
Jenewein: Führungskräfte sollten überzeugende Persönlichkeiten sein – unabhängig, ob sie weiblich oder männlich sind. Studien belegen, dass Diversität in Gremien zu besseren Entscheidungen führt. Je mehr Standpunkte hinsichtlich Erfahrung, Gender und Kultur in eine Problemlösung einfliessen, desto besser das Ergebnis. Einfühlungsvermögen und eine ganzheitliche Betrachtungsweise sind in Verwaltungsräten grosser Konzerne häufig unterrepräsentiert. Beide Aspekte sind für eine verantwortungsvolle Entscheidung  jedoch unabdingbar. Eine höhere Diversität in diesen Gremien ist also wünschenswert. 

Und zum Schluss: Welche Einsichten und Verhaltensweisen möchten Sie den Studierenden und künftigen Führungspersönlichkeiten auf den Weg geben und ans Herz legen?
Jenewein: Drei Ideen wollen wir den Studierenden des CEMS-Kurses mitgeben: Verantwortungsvoll führen geht nicht isoliert. Führungskräfte treffen ihre Entscheidungen immer in einem komplexen Umfeld. Zweitens: Führung ist eine Sache der Persönlichkeit. Nicht die Position zählt, sondern der Mensch und seine Werte, für die er respektiert wird. Drittens: Um überzeugend zu führen, bedarf es einer gewissen Leidenschaft für ein Thema. Die beruflichen Ziele eines guten «Leaders» sollten auf Interessen und Ideen ausgerichtet sein, nicht auf Hierarchie oder Boni. Mangelnde Glaubwürdigkeit lässt Chefs scheitern. Vorbild und Begeisterung für das, was man tut, befördert dagegen Führungskraft und Belegschaft.

Bild: EMBA-HSG

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