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Hintergrund - 05.05.2021 - 00:00 

Vertrauen in Zeiten der Pandemie

Was sind die grössten Herausforderungen weltweit und wie haben Regierungen die Pandemie gemeistert? Am St.Gallen Symposium haben hochkarätige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft diese Fragen diskutiert, darunter der Österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz.

5. Mai 2021. Das St.Gallen Symposium zählt zu jenen Konferenzen, bei denen die Teilnehmerliste beinahe so hochkarätig ist wie jene der Referentinnen und Referenten. Während der diesjährigen Online-Konferenz ist man bisweilen versucht, die Liste nach Kontakten zu durchforsten, die man an der virtuellen Bar treffen möchte. Dazu gab es am Nachmittag des zweiten Tages aber kaum Gelegenheit, dafür waren die Diskussionen zu spannend.

Ein- und Auszoomen in der Krise

Unter der Leitung von Martin Wolf, Wirtschaftskommentator der Financial Times, wurde über die Herausforderungen unserer Zeit diskutiert. Kira Maria Peter-Hansen, dänische Abgeordnete im Europaparlament und Professorin Stephanie Kelton, Stony Brook Universität, waren sich einig, dass die Klimaerwärmung das grösste Problem ist. Die Zeichen aus den USA seien aber besser als in den Jahren zuvor: «Klimawandel ist für die Biden-Administration ein zentrales Thema», so Kelton. Um das Problem zu lösen, müssten die reichen Ländern einen finanziellen Beitrag leisten, um ärmere Länder mitzunehmen. Sie zeigte sich überzeugt, dass die USA eine Führungsrolle spielen werde. Für Kira Maria Peter-Hansen wird Problem bisher zu wenig ambitioniert angegangen. «Je länger wir warten, desto mehr Generationen werden unter den Folgen leiden.» Allerdings dürfe niemand zurückgelassen werden. Damit die Umstellung klappe, müsse die «Green Economy» genügend Arbeitsplätze schaffe. Alvin Tan, Staatsminister in Singapur sagte, man dürfe sich aktuell nicht zu stark fokussieren. Man müsse auch «auszoomen» und kommende Entwicklungen bedenken. Für Singapur bedeute dies etwa, rasch genügend Impfstoff zu beschaffen, aber auch dafür zu sorgen, dass man diesen künftig selbst entwickeln und herstellen könne. Marianne Janik, Area Vice President, Microsoft Deutschland gab zu bedenken, dass die Digitalisierung nicht überall gleich schnell voranschreite. Die Pandemie sei da ein «Stresstest». Zudem sei die Welt noch nicht bereit, adäquat mit den Cyber-Bedrohungen umzugehen.

Vertraut das Volk der Regierung?

HSG-Professorin Miriam Meckel interviewte den Österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Hat Österreich die Krise gut gemeistert und was kann man besser machen? Der Staat habe den Job als Krisenmanager gut gemacht, so Sebastian Kurz. In der ersten Welle habe man eine grössere Katastrophe verhindern können, weil es eine seltene parteiübergreifende Disziplin sowie einen grossen Rückhalt in der Bevölkerung gab. Über den Sommer nahmen die Diskussionen der Massnahmen zu. Das sei normal in einer Demokratie, habe aber die Umsetzung strikter Massnahmen in der zweiten Welle erschwert. In vielen Ländern dürfte es ähnlich gelaufen sein. Die Glaubwürdigkeit sei eine tägliche Herausforderung im politischen Diskurs. Die Verkürzung in Medien und Social Media mache die Konsensfindung schwierig. Die Bandbreite der Ansichten, auch unter Experten, sei enorm. Ob neue Technologien wie Künstliche Intelligenz als Entscheidungshilfen dienen könnten? «Das wird ein riesiger Schritt.» Hätte man aber alles genutzt, was technisch schon möglich sei, hätte man in der Pandemie vieles besser machen können. Er zeigte sich betroffen darüber, dass viele Staaten nicht bereit seien, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. «Da haben wir grossen Nachholbedarf.» Allerdings würden viele Bürgerinnen und Bürger ihre Daten eher Facebook anvertrauen als dem Gesundheitsministerium. Zumindest sei das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung heute höher. «Es ist ein unglaublicher Erfolg der Wissenschaft, dass wir so schnell eine Impfung hatten.» Das aber die USA oder Grossbritannien beim Impfen raschen vorankommen, habe mit den komplexen Strukturen der EU zu tun. Darum sei die EU zu zögerlich gewesen beim Abschluss von Verträgen mit Pharmafirmen. Zudem hätten die Grenzregelungen in Europa nicht funktioniert, was teilweise zu absurden Situationen geführt habe. «Ich hoffe, dass es uns gelingt, bis im Sommer den Grünen Pass hinzubekommen und die Reisefreiheit wiederherzustellen.» Ein Statement, das viele Likes erntete.

Digitale Identitäten, denen man vertraut

Anschliessend standen sieben parallele Sessions zur Auswahl. Wie können wir digitale Identitäten vertrauenswürdig machen? Dieses komplexe Thema diskutierten Damian Borth und Katerina Mitrokotsa, Ordinarien an der Universität St.Gallen, mit Jeffrey Bohn, Senior Advisor am Swiss Re Institute. Prof. Öykü Isik von der IMD Business School eröffnete die Diskussion mit einer alarmierenden Tatsache: Laut UN können mehr als eine Milliarde Menschen weltweit ihre Identität nicht nachweisen, womit sie von wichtigen Dienstleistungen ausgeschlossen seien. Laut Damian Borth dreht sich die Diskussion um Vertrauen. Um dieses zwischen Personen aber auch Institutionen sicherzustellen, brauche es entsprechende Werkzeuge. Für Katerina Mitrokotsa führt die fehlende Transparenz über den Umgang mit Daten dazu, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in digitale Lösungen habe. Sie sieht darin einen Grund für die Ablehnung der E-ID in der Schweiz. Man müsse den Nutzern die Kontrolle zurückgeben und ihnen aufzeigen, wie die Systeme funktionieren. Jeffrey Bohn mahnte, dass die Regierungen sich an Unternehmen orientieren müssten oder mit diesem zusammenarbeiten, wenn es um digitale Identitäten ginge. Sonst werde es zu komplex. Er möchte aber auch, dass Staaten die Hoheit übernehmen: «Persönlich habe ich kein Vertrauen in Facebook als meinen Identitätsanbieter.» Er erwähnte auch das Recht der Nutzer, nicht ständig identifiziert zu werden. Daraufhin wurde lange über die «Erfolgsgeschichte» DSVGO diskutiert.

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