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Hintergrund - 12.05.2020 - 00:00 

Von einer Welt ohne Internet hin zu einer digitalen Gesellschaft

<br/>Vor 30 Jahren wurde das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) gegründet. Ein Interview mit den Professoren Walter Brenner und Jan Marco Leimeister zu den Anfängen des Instituts noch ganz ohne Laptop und Internet, die Bedeutung der Informatik für Wirtschaft und Gesellschaft und die Zukunft der Informatikausbildung an der HSG.

12. Mai 2020.

1989 wurde das IWI gegründet. Was verstand man unter IT damals?

IT gab es damals fast nur in Grossunternehmen. Es dominierten Zentralrechner, auf denen Applikationen zur Automatisierung repetitiver betrieblicher Prozess liefen. Die meisten dieser Anwendungen wurden von den Unternehmen selbst entwickelt. Den Personal Computer gab es bereits. Er wurde zur Textverarbeitung und Tabellenkalkulation eingesetzt. Auch Kommunikation mit E-Mail war eher eine Geheimwissenschaft und wurde nur von wenigen Menschen eingesetzt. Spannend ist es, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was es damals noch nicht gab: Internet, Laptop, Verbreitung von Computern in privaten Haushalten und natürlich Mobilkommunikation.

 
Was waren zu Beginn die zentralen Wirtschaftsinformatik-Themen?

Für die Gründer des IWI gab es schon 1989 keinen Zweifel an der weiteren Entwicklung der IT, ihrer Durchdringung in alle Bereiche der Gesellschaft und auch ihrer strategischen Bedeutung für Unternehmen und die Konkurrenzfähigkeit von Nationen. Und von Anfang war klar, dass es an der Universität St.Gallen eine starke Wirtschaftsinformatik als Teil der betriebswirtschaftlichen Abteilung (der heutigen School of Management) braucht. Zentrale Aufgabe der Wirtschaftsinformatik war und ist es, eine Brückenfunktion zwischen den betriebswirtschaftlichen Einzeldisziplinen und der Informatik zu bilden. Von Anfang an hatte das IWI eine glückliche Hand mit der Auswahl der Themen. Business Engineering führte zu einer im ganzen deutschsprachigen Raum bekannten Konstruktionslehre für betriebliche Informationssysteme; mit Informationsmanagement entstand eine Teildisziplin, die sich mit Führung und Struktur von IT-Abteilungen beschäftigte; im Themengebiet «Elektronische Märkte» entstanden erste Konzepte für die spätere Internetwirtschaft; die Beschäftigung mit Lotus Notes zeigte erstmals auf, wie in einer digitalen Welt kooperativ zusammengearbeitet werden kann. Nicht vergessen darf man, dass es bereits in den 90er-Jahren ein Gebiet Informationssicherheit am Institut für Wirtschafsinformatik gab.

 
Wie hat sich das Institut in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?

Das IWI entwickelte sich thematisch entlang der Entwicklung der Information- und Kommunikationstechnik kontinuierlich weiter. Aus heutiger Sicht können wir mit gewissem Stolz sagen, dass wir viele für die schweizerische Wirtschaft wichtigen Themen erkannt und relevante Konzepte entwickelt haben, die in der Wissenschaft und Wirtschaft breiten Anklang gefunden haben. Zentral war es für das IWI, sich mit dem Internet, der Ausbreitung der Informatik auf private Haushalte, der Datenlogistik, der mobilen Informationsverarbeitung und der immer stärker werden strategischen Bedeutung der Informatik für Unternehmen in der Forschung zu beschäftigen. In den 90er-Jahren wurde ein Vertiefungsgebiet «Wirtschaftsinformatik» eingerichtet, das im Rahmen der Bologna-Reform zu einer der Grundlagen des Masters in Business Innovation wurde. Seit den 90er- Jahren ist das IWI mit dem Master in Business Engineering auch in der Executive Education aktiv. Es hat sich in Forschung, Lehre und Executive Education gezeigt, dass die Wirtschaftsinformatik heute eine zentrale Disziplin der Betriebswirtschaftslehre ist und sie einen wichtigen Teil der School of Management darstellt. Einige Kennzahlen demonstrieren die Erfolgsgeschichte des Instituts: Seit 1989 wurden 23 Forschende des IWI auf Universitätsprofessuren und 14 auf Fachhochschulprofessoren berufen, in den vergangenen 10 Jahren wurden 93 Dissertationen erfolgreich abgeschlossen und 81 A-Publikationen und 8 FT-50-Publikationen erzeugt und in den vergangenen 10 Jahren mehr als 50 Millionen Franken an Drittmitteln eingenommen. Die Rankings von Wirtschaftszeitungen wie des Handelsblatts oder der Wirtschaftswoche sehen regelmässig die publikationsstärksten HSG-Forscher in den Reihen des IWI.

 
Wofür steht das IWI heute und in Zukunft?

Das Institut für Wirtschaftsinformatik ist eines der grössten Institute der Universität St.Gallen. Es ist international hervorragend ausgewiesen und bestens in Forschung und Praxis vernetzt. Weiterhin ist das IWI eines der führenden Institute der Wirtschaftsinformatik in Europa und veröffentlicht konstant auf international hohem Niveau. Das Institut für Wirtschaftsinformatik steht für hoch-relevante Themen, von der Grundlagenforschung über anwendungsbezogene Forschung, bis hin zu Transfer und Weiterbildung. Ziel ist es, Wirtschaft und Gesellschaft dadurch zu dienen, dass Geschäftsmodelle und Anwendungen von digitalen Technologien gestaltet werden − und dabei immer den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

 
Welche Themen werden in den kommenden Jahren wichtig werden?

Die Entwicklung der Informatik wird, wenn man den Prognosen glauben kann, in den nächsten Jahren in der gleichen Geschwindigkeit wie in den vergangenen weitergehen. Die digitale Transformation wird ein beherrschendes Thema für Wirtschaft und Gesellschaft bleiben und damit auch als Lehr- und Forschungsgebiet noch wichtiger werden. Aus heutiger Sicht sind die Weichen gestellt, damit die Universität St.Gallen einen wesentlichen Beitrag zur digitalen Transformation leisten kann. Mit der im Moment im Aufbau befindlichen Informatikausbildung und der School of Computer Science werden in Zukunft die Grundlagen und Konzepte der Informatik gelehrt werden. Das IWI wird – wie in den vergangenen dreissig Jahren – an der Schnittstelle zwischen Informatik und Betriebswirtschaftslehre arbeiten. Die Universität St.Gallen kann ihre Erfolgsgeschichte in Wirtschaftsinformatik fortsetzen, wenn es gelingt, mit der Wirtschaftsinformatik eine tragfähige Brücke zwischen der School of Computer Science und der Betriebswirtschaftslehre aufzubauen.

Das IWI wird auch weiterhin anstreben, als exzellenter, relevanter und forschungsstarker Eckpfeiler der School of Management an der erfolgreichen Gestaltung der digitalen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft mitzuwirken und die HSG als Thought Leader im Thema Digitalisierung zu positionieren. Spannende inhaltliche Fragestellungen wird es auch in den nächsten dreissig Jahren genug geben.

Bild: photocase / ohne22

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